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Im März 1975 hat Wilhelm Weischedel die „Skeptische Ethik“ abgeschlossen, ein paar Monate später war er tot, sein Buch aber hat eine Renaissance verdient. Im Vorwort bringt er die Spannung seines Themas auf den Punkt: „Ethik setzt etwas und bejaht es; der Skeptizismus dagegen zerstört alle Setzungen und Bejahungen und macht immer nur fraglich.“

 

Das Buch ist auch für Nicht-Philosophen eine leicht lesbare Einführung in die Fragen der Ethik. Die für das 20. Jahrhundert wichtigsten Positionen von Moralphilosophen und ihre Fragestellungen erörtert Weischedel mit dem Blick für das Wesentliche, kurz, prägnant, aber nie oberflächlich, bevor er im dritten Teil seines Buches zur skeptischen Ethik „in ihrer Ausführung“ gelangt. Angesichts der Gefahr, dass Skeptizismus leicht in Nihilismus umschlagen kann, betont Weischedel, dass auch die Skeptische Ethik „ein Prinzip braucht, aus dem ihre Anweisungen abgeleitet werden können“, denn sonst würde der Skeptizismus „alle Setzungen von Prinzipien in den Wirbel des Fraglichmachens hineinreißen".

Um diesem Wirbelwind zu entkommen „bleibt nur eine Möglichkeit: daß der Skeptiker den Skeptizismus, den er als den Grundzug seiner Epoche versteht, ausdrücklich setzt und in einem Grundentschluß als seine eigenste Möglichkeit ergreift.“

 

Dieser Grundentschluss ist nicht möglich, „wenn nicht zugleich damit die Freiheit des Menschen bejaht wird; denn diese ist die unabdingbare Voraussetzung aller Entschlüsse.“

 

Aus seinen Grundentschlüssen leitet Weischedel drei Grundhaltungen ab: 1. Offenheit, 2. Abschiedlichkeit (das bedeutet einerseits Bejahung des Lebens, anderseits die zur Haltung gewordene Bereitschaft Abschied zu nehmen) und 3. Verantwortlichkeit. Diesen Grundhaltungen untergeordnet sind weitere Haltungen. „Unmittelbar aus der Grundhaltung der Offenheit folgt die Haltung der Wahrhaftigkeit", ebenso folgen daraus die Haltungen Sachlichkeit, Gelassenheit und Toleranz, sowie Mitleid. Der Abschiedlichkeit untergeordnet sind: Entsagung, Selbstbescheidung, Demut und Selbstaufgabe, Selbstbeherrschung und Besonnenheit, Tapferkeit und Freimut, Großmut und Güte, Gelassenheit und Geduld. Und „Haltungen auf dem Grunde der Verantwortlichkeit“ sind Solidarität, Gerechtigkeit und Treue.

 

Als Skeptiker muss ich in Frage stellen, dass die genannten Haltungen „unmittelbar“ aus den Grundhaltungen folgen. Doch als Moralphilosoph auf der Suche nach verbindlichen Werten finde ich die Argumentation von Weischedel erfrischend. Im Unterschied zu den quälenden Herleitungen von Moralen aus einem undefinierbaren höheren Gut sind die Setzungen (vom logischen Grundentschluss des Skeptikers bis zu den abgeleiteten Haltungen) in ihrer Leichtigkeit zu begrüßen und in ihrer methodischen Transparenz jederzeit nachvollziehbar, somit auch überprüfbar, argumentierbar, erweiterbar oder widerlegbar.

 

Mehr dazu siehe  MORAL 4.0

Siehe auch: Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung

 

Siehe auch:

Baustelle Parlament

 

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