Zwei politische Strömungen sieht der Historiker Timothy Snyder in Russland, Europa und Amerika:
„die Politik der Unausweichlichkeit: die Vorstellung, dass die Zukunft nichts anderes sei als eine Mehrung des Gegenwärtigen, das die Gesetze des Fortschritts bekannt seien, dass es keine Alternativen gebe, dass man deshalb eigentlich nichts tun müsse. … Die Politik der Unausweichlichkeit erodiert das Verantwortungsbewusstsein der Bürger, und falls eine ernste Herausforderung kommt, mutiert sie zur Politik der Ewigkeit.“ (S. 14 f/18)
Und die Politik der Ewigkeit, die „der Unausweichlichkeit wie ein Gespenst dem Leichnam“ entsteigt. „Wenn soziale Mobilität zum Stillstand kommt, wird aus Unausweichlichkeit Ewigkeit und aus Demokratie Oligarchie. … Der Oligarch springt aus der Welt der Fiktion in die der realen Politik und herrscht durch die Beschwörung von Mythen und die Inszenierung von Krisen. … In Russland kam die Politik der Ewigkeit zuerst zum Einsatz...“ (S. 23 f)
Diese originäre Zeitdiagnose und der Titel seines neuen Buches „Der Weg in die Unfreiheit“ erwecken Erwartungen in einem Menschen, der sich Gedanken über den desolaten Zustand unserer Demokratien macht und nach Analysen sucht, die zum Verständnis der Krisen und letztlich zu Reformen beitragen können. Die Hoffnung, im neuen Buch von Timothy Snyder, das 2018 erschienen ist und die Periode von 2010 bis 2016 durchleuchtet, für „Russland Europa Amerika“ (so der Untertitel) Auswege aus der Sackgasse der Unfreiheit zu finden, wird maßlos enttäuscht.
Foto: Timothy Snyder - Rede für Europa Wien, 9. Mai 2019 © CC BY-SA 4.0
„Unausweichlichkeit und Ewigkeit verwandeln Fakten in Narrative. … Beide geben sich den Anschein von Geschichte, beide schaffen Geschichte ab. … In diesem Buch wird der Versuch unternommen, die Gegenwart für die Geschichte und damit die Geschichte für die Politik zurückzugewinnen.“ (S. 16 f) Diesen selbst gestellten Anspruch kann Snyder nicht eingelösen, denn seine Analyse ist keine Geschichte, die verschiedene Fäden zu einem Netz verflechten würde, und damit Zusammenhänge sichtbar macht, sondern kennt nur einen roten Faden, dem der Autor folgt und der dazu dient, ein moralisches Urteil, das schon zu Beginn des Buches feststeht, bis zum Ende des Buches immer wieder zu bestätigen. Demnach hat das Böse in dieser Welt einen Namen: Wladimir Putin. So folgt Snyders Geschichtsbuch keiner systematischen Methode, sondern einem Credo „Wollen wir zu einer genaueren Definition von Gut und Böse kommen, werden wir die Geschichtsschreibung wiederaufleben lassen müssen.“ (S. 21)
„In Russland kam die Politik der Ewigkeit zuerst zum Einsatz... Der Oligarch an der Spitze, Wladimir Putin, erwählte den faschistischen Philosophen Iwan Iljin zur ideologischen Leitfigur.“ Das ganze erste Kapitel, dem Jahr 2010 gewidmet, beschäftigt sich der Autor mit dem slawophilen Gedankengut von Iwan Iljin (geboren 1883 in Moskau, gestorben 1954 in Zürich), das der Historiker als mystisch-faschistoid charakterisiert, der den Erlöser im politischen Führer sucht. In weiteren Kapiteln widmet sich der Autor ausführlich allen russischen Gruppierungen, die Iljin als Spiritus Rector der Ewigkeitspolitik vereinnahmt haben, vom einflussreichen Thinktannk Isborsk-Klub bis zum Motorradklub der Nachtwölfe. Immerhin lässt Snyder nicht unerwähnt, dass die Iljin-Renaissance in Russland bereits mit der Wende Anfang der 1990er Jahre eingesetzt hat.
„Indem Putin 2011 und 2012 demokratische Wahlen diskreditierte [Fälschungen bei Parlaments-Wahlen, Wahl zur 3. Präsidentschaftsperiode], übernahm er selbst die Rolle des heroischen Erlösers...“ (S. 45) Ein weiteres markantes Merkmal der Ewigkeitspolitik: „Die Demokratie fasste in Russland niemals Fuß, der Machtwechsel war niemals das Ergebnis einer au freiem Wettbewerb beruhenden Wahl.“ (S. 51) Mit Sicherheit sprechen viele Fakten dafür, dass Wahlen in Russland nur der Legitimation der Mächtigen dienen, doch das Urteil des Professors aus Yale muss einem Russen, auch jedem Historiker einer russischen Universität, als Anmaßung erscheinen. Denn Snyders Urteil impliziert, dass er direkt (und indirekt die amerikanische Geschichtswissenschaft grundsätzlich aber die Weltmacht Amerika) die Deutungshoheit darüber hat, was Demokratie ist und was nicht.
Im dritten Kapitel „Integration oder Imperium (2013)“ schwenkt der Autor seinen Blick auf Europa, und hier erweist sich sein Blick erstmals als Tunnelblick: „In dem halben Jahrhundert zwischen Iljins Tod und seiner Rehabilitierung wurde aus dem Europa der Imperien ein Europa der Integration.“ (S. 80) „Putin entschied sich für das Imperium und gegen Integration … Als Präsidentschaftskandidat brachte Putin Ende 2011 und Anfang 2012 eine ambitionierte 'Eurasische Union' ins Gespräch, eine Alternative zur EU, die deren Mitglieder einschließen und so zum Exitus der EU beitragen sollte.“ (S. 90) Snyder versteift sich auf die Idee, dass Putin die EU zerstören wolle und hat als Historiker auch keine Probleme, jede Menge Zitate und Indizien zu finden, um diese These zu untermauern.
Dass Angela Merkel in dem Kapitel nicht vorkommt, ist mehr als verwunderlich. Denn wenn Snyder die Absicht gehabt hätte, seine brillante These von der „Politik der Unausweichlichkeit“ von allen Seiten zu beleuchtet, dann hätte er das Jahr 2013 der deutschen Kanzlerin und ihrer „Politik der Alternativlosigkeit“ widmen müssen, mit der sie für ihre dritte Legislaturperiode ihr bestes Wahlergebnis eingefahren hat. Mit ihrer Beschwörung von Stabilität und Kontinuität hat sie offenbar die Mehrheit der Deutschen überzeugt und bereits ihre Form der „Politik der Ewigkeit“ in die Wege geleitet, die aber vier Jahre später, bei der Bundestagswahl 2017 abrupt geendet hat. Die Alternativlosigkeit sank von 41,5auf knapp 33 Prozent und erhielt eine Alternative, die AfD, die mit 12,6 Prozent zur drittstärksten Partei des Landes wurde.
Spätestens hier erweist sich, dass es dem Bestseller-Autor Snyder nicht um Geschichtsschreibung geht, sondern um eine Kampfschrift, in der Putin allein auf den Erlöser im Geiste Iljins reduziert wird, dessen Politik darauf abzielt ausländische Feindbilder zu schaffen, um damit die Innenpolitik zu beeinflussen, und mehr noch: die ausländischen Feinde durch einen raffinierten Cyberkrieg zu zerstören. Der Logik dieser Einschätzung entspricht, dass Putin im Ukraine-Konflikt der Einzige ist, der dafür die Verantwortung zu tragen hat, während die Ukraine geradezu als Geburtsstätte einer neuen Demokratie verherrlicht wird: „Der Maidan ließ [2014] vier neue Formen der Politik entstehen: die Zivilgesellschaft, die Kultur des Schenkens, den freiwilligen Sozialstaat und die Maidan-Freundschaft.“ (S. 135) Zur Erinnerung: es ging darum, dass der russlandfreundliche Präsident Wiktor Janukowitsch im letzten Moment das geplante Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen wollte. Infolge dessen wurde er nicht – wie in Demokratien üblich – vom Parlament abgewählt, sondern von den Demonstranten aus seinem Amt gejagt.
Infolge der Wirren hat sich Russland die Krim einverleibt. Die Halbinsel, in russischem Besitz seit 1773, hat der Sowjetchef Nikita Chruschtschow 1954 seiner Heimat geschenkt oder, wie andere Quellen meinen, aus organisatorischen Gründen der Ukraine angegliedert, damit die Planung von Schifffahrtskanälen von der Wolga zur Krim nur von einer Sowjetrepublik durchgeführt werden könnten. Die russische Sicht ist somit eine „Heimholung“ bzw eine durch das Referendum vom 16. März 2014 legitimierte Sezession, die Sicht der EU und Amerikas eine Annexion. „Wladimir Putin stellte die Annexion der Krim als eine mystische persönliche Verwandlung dar, einen triumphierenden Übergang in die Ewigkeit.“ (S. 150)
Die Positionen Europas und Amerikas in diesem Konflikt streift Snyder gerade mal mit einer Nebenbemerkung: „Die EU- und US-Sanktionen waren eine eher milde Antwort auf Russlands öffentlich kundgetane Absicht 'die Weltordnung' neu zu gestalten, wie [Russlands Außenminister] Lawrow das formulierte; aber sie isolierten Russland von seinen wichtigsten Partnern und verschärften die russische Wirtschaftskrise.“ (S. 206 f) Dass EU und USA gerade in Bezug auf die Krim-Frage „Politik der Unausweichlichkeit“, genauer gesagt der Unabänderlichkeit, oder mit den Worten Snyders „Politik der Ewigkeit“ betrieben, bleibt völlig ausgeblendet. Auch dass der Informationskrieg, ich würde eher sagen Propagandakrieg, den Snyder auf russischer Seite detailreich untersucht, auf EU-US-Seite mit den gleichen Mitteln und Methoden betrieben wird, entzieht sich der Wahrnehmung des Historikers. So hat der damalige Finanzminister Deutschlands, Wolfgang Schäuble, die Krim-Ereignisse als „Anschluss“ bezeichnet und in der Folge Putin mit Hitler verglichen, was sich wie jeder gut geplante Propagandaschachzug wie ein Lauffeuer in Berichten und Kommentaren aller deutschsprachigen Medien ausgebreitet hat.
In Bezug auf die Flüchtlingskrise verengt sich der Tunnelblick des Historikers: „Die ersten russischen Bomben fielen in Syrien am Tag nach Putins UN-Ansprache [28. September 2015, Deutschland war noch in Wir-schaffen-das-Euphorie] …. Die russisceh Reaktion darauf bedeutete praktisch: Wenn Merkel Flüchtlinge will, werden wir sie liefern, und wir nutzen dieses Problem für den Sturz ihrer Regierung und die Zerstörung der deutschen Demokratie. Und Russland liefert nicht nur die Flüchtlinge selbst, sondern auch noch die Vorstellung von ihnen als Terroristen und Vergewaltiger.“ (S. 209)
Das Zitat findet sich im Kapitel „Wahrheit oder Lügen (2015)“. Wer die Syrienkrise, die 2011 begonnen hat, seither nur peripher mitverfolgt hat, der kann Snyders Ausführungen unmöglich in die Schublade der Wahrheit einordnen. Außer man schubladisiert die Wahrheit selbst gleichzeitig mit den historischen Fakten. Doch die Neugierde treibt den Leser zum Schlusskapitel über den Aufstieg von Donald Trump unter dem Titel „Gleichheit oder Oligarchie (2016)“. Schon der erste Absatz des Kapitels gibt die Marschrichtung vor:
„Wladimir Putins Ewigkeits-Regime war eine Herausfoderung für politische Tugenden: die Abschaffung eines Nachfolgeprinzips in Russland, der Angriff auf die Integration in Europa, der Einmarsch in die Ukraine mit dem Ziel, die Schaffung neuer Politikformen zu stoppen. Sein größter Feldzug war ein Cyberkrieg zur Zerstörung der Vereinigten Staaten. Aus Gründen, die mit der Ungleichheit innerhalb der amerikanischen Gesellschaft zusammenhängen, errang die russische Oligarchie 2016 einen außergewöhnlichen Sieg. Weil ihr das gelang, wurde die Ungerechtigkeit zu einem noch größeren amerikanischen Problem. … Russen verhalfen 'ihrem eigenen Geschöpf' zum Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Trump war der Sprengkopf einer Cyberwaffe, der dazu bestimmt war, Chaos und Schwäche zu erzeugen, was er dann auch tat.“ (S. 229 f) Dazu bestimmt – von wem? Natürlich vom Bösen in Person: Wladimir Putin.
Für dieses Narrativ findet Snyder selbstredend jede Menge Fakten. In der willkürlichen Verknüpfung von Fakten mit einem Narrativ sieht Snyder ein Charakteristikum der „Politik der Ewigkeit“. Er weiß es am besten, denn es ist ja seine Theorie. Und wie sich zeigt, beherrscht er diese Methode auch am besten, indem er den Feind Amerikas nicht im Land selbst, sondern außerhalb des Landes sucht und findet. So ist es nur logisch, dass Snyder dutzende Beispiele für die Einflussnahme russischer Trolle und Bots auf facebook gefunden hat, und der Name „Cambridge Analytica“ kein einziges Mal in diesem Buch aufscheint.
Immerhin ist es erfreulich, dass Snyder die internen Probleme Amerikas, die sich in dem Land seit Jahrzehnten verschärfen (Stichwort: Einkommens-Schere) anschneidet. Obwohl diese Probleme so offensichtlich hausgemacht sind, dass er sie Putin nicht in die Schuhe schieben konnte, war es natürlich „Putins Sprengkopf“, der sie zur Explosion brachte.
„Die offenkundigste Schwäche der amerikanischen Demokratie im Jahr 2016 [Frage: und davor etwa nicht?] war die Trennung von Wahlvorgang und Ergebnis. … Das amerikanische Wahlmännergremium stellt einen Wahlsieger fest, indem die Wahlmännerstimmen der einzelnen Bundesstaaten addiert werden, nicht aber die einzelnen Wählerstimmen. … Da alle Staaten zwei Senatoren haben, fällt den weniger bevölkerungsreichen Staaten eine überproportional hohe Zahl von Wahlmännerstimmen zu. …. Millionen von Amerikanern in den Überseeterritorien (die den Bundesstaaten rechtlich nicht gleichgestellt sind) haben dagegen überhaupt kein Stimmrecht.“ (S. 265)
„Die amerikanische Politik der Unausweichlichkeit, die Idee, dass der unregulierte Kapitalismus zu nichts anderem als zur Demokratie führen könne, unterstützte auf ganz besondere Art die russische Politik der Ewigkeit, die Gewissheit, dass die Demokratie nur ein schöner Schein sei. … Diese Mantras der Unausweichlichkeit lieferten den Deckmantel für die Politik, die Amerika ungleicher und die Ungleichheit noch schmerzhafter machte.“ (S. 274)
„Eine spektakuläre Konsequenz der amerikanischen Politik der Unausweichlichkeit in den 2010er Jahren war die Legalisierung und Popularisierung von Opioiden. Schon seit Jahrhunderten war bekannt, dass solche Chemikalien süchtig machen. … Oxycontin, das wie Heroin in Tablettenform wirkt, wurde 1995 zur ärztlichen Verschreibung zugelassen. … Die Amerikaner wurden durch Drogen auf die Politik der Ewigkeit vorbereitet, … 2016 waren mindestens zwei Millionen Amerikaner opioidsüchtig, und Dutzende weitere Millionen nahmen Tabletten. Die Korrelation zwischen Opioid-Einnahme und Trumps Wahlergebnissen war spektakulär und offensichtlich, vor allem in den Staaten, die Trump gewinnen musste.“ (S. 278 ff)
Resümee
Nicht zu Unrecht bezeichnet man Russland als „Demokratur“. Der Begriff unterstellt, dass das russische Regime unter Wladimir Putin wie von einem Zaren (Steven Lee Myers. Putin. Der neue Zar) regiert wird, der die Medien absolut kontrolliert und eine Partei beherrscht, deren Mehrheit im Parlament abnickt, was der Zar diktiert hat. Der Westen ist sich weitgehend einig, dass es sich beim politischen System Russlands zu Beginn des 21. Jahrhunderts um eine „Scheindemokratie“ (Die Zeit, 13. Mai 2016) handelt. Immerhin eine gemäßigte Position, denn noch 2011 titelt das Zentralorgan der deutschen Moralität: „Wahl in Russland: Lupenreine Diktatur“, ohne diese Unterstellung auch nur mit einem einzigen Satz zu begründen. (Die Zeit, 8.12.2011).
Unmittelbar nach der Wahl von Donald Trump haben alle US-kritischen EU-Politiker den Schwanz eingezogen und darauf hingewiesen, dass sie selbstverständlich demokratische Wahlen akzeptieren werden – als hätten sie eine andere Wahl! Die Medien, die schon am Tag vor der Wahl die erste Frau als US-Präsidentin gefeiert haben, verwiesen umgehend darauf, dass wieder mal alle Meinungsforscher weit daneben gelegen sind. Motto: schuld sind die anderen. Doch diesmal haben immerhin manche Medien schuldbewusst eingestanden, dass sie aufgrund ihrer Stimmungsmache für das, was sein soll, das Elementarste übersehen haben, was ein Journalist eigentlich sehen müsste, nämlich das, was ist. Aber das ist ein anderes Thema. Das Thema hier lautet: warum ist die amerikanische Demokratie gescheitert? Die US-Demokratie ist gescheitert, noch bevor die Wahl statt gefunden hat. Eine Demokratie ist dann gescheitert, wenn zur Wahl des höchsten Amtes im Lande ausschließlich Vertreter der Plutokratie (siehe wikipedia: Herrschaft des Geldes) antreten können. Ich schreibe hier bewusst „können“, nicht „dürfen“. Natürlich darf jeder unbescholtene Amerikaner zur Wahl antreten, doch ausschließlich Mitglieder (Superreiche) oder Stellvertreter (Berufspolitiker) der Plutokratie können sich auch leisten, einen derartig teuren Wahlkampf zu finanzieren. Kurz gesagt: schon lange nicht mehr entscheidet in den USA das Volk, wer Präsident wird, sondern das Geld. Der Einfluss der Trolle von Putins Gnaden ist im Vergleich dazu wirklich marginal.
Angesichts der einseitigen Auswahl von Fakten, ist das Schlussresumee von Timothy Snyder ziemlich gemäßigt: „In Wirklichkeit wurden die Vereinigten Staaten in den 2010er Jahren selbst weniger demokratisch, und Russland arbeitete daran, diesen Trend zu beschleunigen.“ (S. 292)
In Folge von „Zar Putin“ wäre „Devil Putin“ der bessere und auch durchaus legitime Titel gewesen. Während die umfassende Putin-Monografie Steven Lee Myers ein durchaus differenziertes Bild des Alleinherrschers zeichnet, auch wenn er gegen Ende vorwiegend die paranoiden Züge Putins heraushebt, so ist Timothy Snyders Werk von Anfang bis zum Ende nur darauf angelegt, „das Böse“ in Putin zu entlarven. So gesehen ist der Titel des Buches einfach falsch gewählt. Oder – als Teil einer amerikanischen Gegenpropaganda – bewusst irreführend.
Timothy Snyder
Der Weg in die Unfreiheit
Russland Europa Amerika
C.H. Beck, München 2018