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Urlaub an der Côte d’Azur – ein Traum! Eine kleine, ruhige Bucht zehn Kilometer von Monaco entfernt, stürz ich mich in die Wellen, kraule genussvoll auf das offene Meer hinaus, wo einige Yachten ankern. Der Genuss findet ein jähes Ende mit einer Damenbinde, die mir beim Luftholen den geöffneten Mund verstopft. Vermutlich gebraucht, aber vom Meerwasser persilweiß gewaschen. Immerhin. Ich verdamme die Yachtbesitzer und schwimme zurück zum Strand.

In meiner debilen Verzweiflung kaufe ich mir ein Netz, mit dem Kinder normaler Weise Krabben, Fische und allenfalls Quallen fangen, und beginne damit Abfälle, vorwiegend Plastikstücke, aus dem Wasser zu fischen und in den Abfalleimern am Strand zu entsorgen. Sisyphos zwinkerte mir zu und ist erstmals seit Amtsantritt im Hades glücklich über sein eigenes Schicksal. Langsam dämmert mir, dass die ganze Scheiße nicht nur aus den Yachten stammen kann. Seither hab ich nur noch zwei Erinnerungen an meinen letzten Urlaub: Côte d’Azur und kotz dazuaa!!

Wir wechseln in den virtuellen Raum. Auf http://www.experimentalkunst.com/ hat folgendes Konzept, das offenbar seit 2008 nicht mehr besonders stark pulsiert, sein Endlager gefunden: "Die am Ende der Konsumkette unserer Warengesellschaft stehenden Produkte Müll und Abfall werden von Kranemann und BrindlArt als ästhetische Instrumente in ihrer künstlerischen Arbeit eingesetzt. … Müllkunst und Abfallkunst ist nicht als Mahnung an unsere Müllgesellschaft zu werten oder allein als Sinnbild des Konsums zu verstehen. Auch geht es nicht nur um die Rückführung und Umwertung von wertlos gewordenem und ausgestoßenen Kulturprodukten zurück in eine neue Wertenomenklatur. Müllkunst, Müllplastiken und Müllperformances des Künstlerpaares sollen den Rezipienten auf die Polarität des Sujets, also nicht nur auf die Quantität von Abfallprodukten in unserer Massen- und Wohlstandsgesellschaft allein, sondern auch auf den ästhetischen Wertekanon von Zerfallsprozessen, Endprodukten und Altmaterialien verweisen.“

Müllkunst löst offenbar bei den KonzeptkünstlerInnen einen rhetorischen Wischiwaschi-Effekt aus, durch den sich jede Position mit einem unzweideutigen Nicht-nur-sondern-auch-weder-noch wie ein Kaugummi in die Länge zieht. Der Leser und Betrachter findet darin schwerlich seine Katharsis, sondern kann von Glück sprechen, wenn so ein Kaugummi nicht auf seiner Schuhsohle kleben bleibt.

Jenseits vom „ästhetischen Wertekanon von Zerfallsprozessen“ führt derzeit (noch bis 31. März 2013) im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe die Ausstellung „Endstation Meer“ dem Besucher den Müll, in dem wir langsam versinken, in drastischer Weise vor Augen. Ohne ästhetische Relativierung mit schockierenden Bildern und Installationen. Das Zentrum der Ausstellung bildet ein gigantischer Berg aus Plastikmüll, der aus drei Weltmeeren zusammengetragen wurde. Hier wird mit einer Wucht sichtbar und spürbar, was wir im Sommerurlaub am Meer Jahr für Jahr mehr und mehr aber immer noch in kleinen Portionen angespült bekommen. Hier werden wir daran erinnert, dass mittlerweile Millionen Tonnen Zivilisationsmüll in den Weltmeeren treiben. (Details über die Ausstellung: http://www.plasticgarbageproject.org/ )

Auf wikipedia findet man die Information: „Besonders bekannt für seine erhöhte Konzentration von Plastikteilen ist das Gebiet des Nordpazifikwirbels zwischen Nordamerika und Asien, das auch als Great Pacific Garbage Patch bezeichnet wird. … Deutsche Medien vergleichen es mit der Größe Mitteleuropas, Zentraleuropas oder Westeuropas. …Anfang 2008 wurde berichtet, dass etwa 100 Millionen Tonnen Kunststoffmüll (mit steigender Tendenz) in dem Müllstrudel zirkulieren.“

Und weiter: „Die globalen Plastikmüllansammlungen in den Meeren sind im Gegensatz zu Strandgut aus Plastik optisch nicht weiter auffällig. In den Meeren treibender Plastikmüll wird schon verhältnismäßig schnell in sehr kleine Fetzen zerrissen, die mit der Zeit einen immer höheren Feinheitsgrad bis hin zur Pulverisierung erreichen. Bei einem hohen Feinheitsgrad wird das Plastikpulver allerdings von verschiedenen Meeresbewohnern und unter anderem auch von Plankton als Nahrung aufgenommen. Angefangen beim Plankton steigen die Plastikpartikel, an denen giftige und krebsverursachende Chemikalien wie DDT und Polychlorierte Biphenyle anlagern, in der Nahrungskette immer weiter auf. Auf diesem Weg gelangt der Plastikmüll mit den anlagernden Giftstoffen auch in die für den menschlichen Verzehr bestimmten Lebensmittel.“

Plastik als Verpackungsmaterial ist eine Fehlgeburt unserer Zivilisation, weil es als Plastikmüll enden muss. Wer hat eigentlich den Euphemismus „Kunst-Stoff“ für Plastikmüll erfunden?


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