Mit Volldampf hat sich Ministerin Claudia Schmied ins neue Jahr gestürzt. "Ich freue mich, dass der Bildungsreformzug mit voller Geschwindigkeit weiterfahren kann“, sagt die Ministerin in einer Pressemitteilung, bezugnehmend auf eine Novelle zu den Schulmodellversuchen. Am 20. Jänner lässt sie mit einem bildungspolitischen Paukenschlag aufhorchen: „Wir müssen es schaffen, vom Neusiedlersee bis zum Bodensee einheitlich guten Unterricht anzubieten.“ Anlässlich der Präsentation einer Wifo-Kurzstudie (14 Seiten inkl. einer Seite Fußnoten!) am 27. 1. präzisiert die Ministerin: „Das vorrangige Ziel unserer bildungspolitischen Maßnahmen ist die beste Bildung für alle Kinder.“
Die wichtigsten Aussagen der sogenannten Analyse des WIFO beweisen, dass diese Studie nicht nur kurz, sondern in voller Länge auch überflüssig ist: „1.) Bildung verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und reduziert Arbeitslosigkeit. 2.) In den letzten Jahren wurden Arbeitsplätze für höher qualifizierte Personen geschaffen, Arbeitsplätze für Menschen mit geringerer Qualifikation abgebaut. 3.) Bildung bringt höhere Einkommen. 4.) In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Menschen mit geringerer Qualifikation schneller mit Arbeitslosigkeit konfrontiert. 5.) Menschen mit Migrationshintergrund haben einen besonders geringen Bildungsgrad. 6.) Mehr Bildung bringt höheres Wohlbefinden, bessere Gesundheit und weniger Kriminalität.“
Über die Platidüden der Punkte 1 bis 5 lässt sich schwer streiten. Den herausragenden Punkt 6 sollte man aber zur Grundlage des nächsten Sparpakets machen, denn dieser Logik folgend könnte man das Bildungsministerium mit dem Sozialministerium, dem Gesundheitsministerium und dem Innenministerium fusionieren. Wir brauchen bloß ein bisserl mehr Bildung und alle unsere Probleme sind gelöst!
Von den Lehrervertretern war bis Ende Jänner nichts zu hören. Vielleicht haben sie die Zeit nach den Weihnachtsferien mit den Vorbereitungen auf die Semesterferien zugebracht. Unüberhörbar waren aber die Proteste ab Februar, als es darum ging, den Vorschlag der Bildungsministerin abzuwehren, zwei Stunden mehr in der Klasse zu verbringen. Als unbeteiligter Beobachter musste man den Eindruck gewinnen, es sei für einen Lehrer die größte aller denkbaren Strafen in einer Klasse stehen zu müssen. Zwei Stunden mehr in der Klasse heißt nach Logik der Lehrer vier Stunden mehr Arbeit , dieser Logik entsprechend kam der gewerkschaftliche Gegenvorschlag: statt mehr Arbeit früher in Pension!
Dabei hat sich die Ministerin redlich bemüht den Lehrern die Sachlage zu erklären: "Die um knapp zehn Prozent erhöhte Unterrichtszeit wird nicht eingespart. Sie wird in neue Projekte zum Wohle unserer Schüler investiert. Durch die gewonnenen Ressourcen können wir mehr Tagesbetreuung, mehr Kleingruppenunterricht, mehr Deutschförderkurse und viele weitere wichtige Maßnahmen realisieren. Wir bauen dadurch die Schule der Zukunft auf. All diese Projekte brauchen engagierte Lehrerinnen und Lehrer. Daher wird kein Lehrer seinen Arbeitsplatz verlieren. Wir brauchen jeden einzelnen", so Schmied am 27.2. "Ich habe der Gewerkschaft auch einen neuen Vorschlag unterbreitet: Erhöhung der Lehrverpflichtung um zwei Stunden befristet auf zwei Jahre bei gleichzeitiger Einrichtung einer Arbeitsgruppe um ein leistungsorientiertes, neues Dienst- und Besoldungsrecht auszuarbeiten. Auch auf diesen Vorschlag kam keine Antwort der Gewerkschaft", so Schmied am 12.3. "Wenn wir den Weg des Aufbaus weiterführen - und dafür brauchen wir die Umschichtung der Lehrerarbeitszeit - können wir in den kommenden Jahren und trotz des massiven Schülerrückgangs Lehrer einstellen", so Schmied am 25.3.
Und so weiter und so fort. Das Ergebnis ist bekannt: die Lehrer drohen mit Streik, die Schüler freute es und solidaristieren sich mit einem eigenen Streik. Trotzdem erklärt Schmied: „Ziel ist eine einvernehmliche Lösung mit den Lehrervertretern.“ Gscheiter wärs wohl gewesen, wenn sich die Ministerin zum Ziel gesetzt hätte, eine einvernehmliche Lösung mit den Lehrern zu finden. Der Kompromiss war dann gnadenlos: „Die fünf schulautonomen Tage werden in ihrer bisherigen Form abgeschafft und zu Schultagen.“ Gnadenlos operettenhaft: „Allerdings werden die – traditionell mit schulautonomen Tagen freigemachten – Freitage („Zwickel-Tage“) nach Christi Himmelfahrt und Fronleichnam österreichweit zu für Schülerinnen und Schüler freiwilligen Fördertagen.“ Wirksam erst ab dem Schuljahr 2010/11, denn in Zeiten wie diesen haben die Eltern sicher ihre Urlaube schon zwei Jahre im voraus geplant. Daraus folgt: „Diese Regelung bringt bessere Förderung für die Schülerinnen und Schüler, löst die Betreuungsprobleme der Eltern, sorgt für mehr Unterricht für unsere Kinder und geht auf die Bedürfnisse der Tourismus-Wirtschaft ein.“
Die Probleme von Schülern, Eltern und Tourismuswirtschaft in einem Aufwaschen gelöst. Ich schlage vor, auch das Wirtschaftsministerium noch in das künftige Bildungs-Universalministerium hinein zu fusionieren! Aber was hat das alles mit Kunst zu tun? Man gewinnt als beteiligter Beobachter den Eindruck, der Bundesministerin für Untericht, Kunst und Kultur ist K&K herzlich Wurscht. Aber ich will nicht ungerecht sein. 53 Mal ist Claudia Schmied seit Jahresbeginn bis Ende April mit Pressemitteilungen an die Öffentlichkeit getreten, immerhin 24 mal nimmt die Ministerin dabei zu Themen der Kunst und Kultur Stellung. Ich will den Lesern die Schwerpunkte der aktuellen Kulturpolitik nicht vorenthalten:
„Bundesministerin Claudia Schmied zum Tod von Gert Jonke“. 5.1.
„Bundesministerin Claudia Schmied zum Tod von Robert Jungbluth“, 5.1.
„BM Schmied gratuliert Götz Spielmann zur Oscar-Nominierung“, 22.1.
„Ausschreibung von Tanzstipendien 2009/2010“, 6.2.
„Ausschreibung der Förderungspreise 2009 für Bildende Kunst, künstlerische Fotografie und Video- und Medienkunst“, 16.2.
„Staatspreis für Kulturpublizistik 2008 an Robert Misik“, 3.3.
„Niki List mit Berufstitel Professor ausgezeichnet“, 11.3.
„Tief betroffen zeigt sich Kulturministerin Claudia Schmied über den Tod des österreichischen Filmkünstlers Niki List“, 2.4.
Das also ist von der Kunst- und Kulturpolitik übrig geblieben. Sie besteht nur noch aus Gratulieren und Kondulieren! Alibimäßig gibts zwischendurch ein paar Ausschreibungen zu Stipendien und Preisen.
UM:DRUCK Nummer 11, Juni 2009
NACHTRAG am 25.8.2014: Nun, nachdem Claudia Schmied schon ein Jährchen nicht mehr Kulturministerin ist, hat auch die Kunstkritikerin Nina Schedlmayer erkannt, dass diese zu den ganz großen VisionärINNEN der Kunst zählte. In ihrem aktuellen Kommentar im artmagazine.cc schreibt sie: "„Sorry. Kein Kommentar von meiner Seite. Ich schau nach vorn“, ließ die frühere Kulturministerin Claudia Schmied die Kollegin Andrea Schurian vom „Standard“ wissen, als diese versuchte, ihr etwas in Sachen Burgtheater zu entlocken ... Claudia Schmieds Schöpfung hat noch eine große Karriere vor sich. Ich werde sie mir bei nächster Gelegenheit bestimmt ausborgen. Man sollte ihr Medaille dafür verleihen. Vielleicht irgendeinen Public-Responsibility-Award."