Nun sind die Verfehlungen des Herrn Seipel also amtlich, nachdem der Rechnungshofbericht vorliegt, doch der Herr Direktor und seine Ministrantin sehen darin lediglich Detailfragen, also Nebensächlichkeiten, die ein Direktor mit dem großen Horizont ruhig links liegen lassen kann. Die für die KHM-Kontrolle zuständige Ministrantin will dem Steuerzahler - als politische Lösung – umgehend einen zweiten KHM-Direktor aufhalsen. Der darf dann alles aufräumen, was bislang links liegen geblieben ist. Der für das KHM unzuständige Staatsaekretär nutzte indessen die ORF-Pressestunde um klarzustellen, dass Seipels Fest zu Moraks 55-sten Geburtstag in Wahrheit eine Promotion für die El Greco-Ausstellung war, aber immerhin hat er daraus gelernt und versprochen: „Ich werde mich nie wieder von jemandem einladen lassen“.
Und unser aller Kunst-Sekretär hat bei der Gelegenheit auch gesagt: „Wir sehen Kultur nur als Kette von Skandalen, sie ist aber ein wesentliches Asset und Herr Seipel hat dazu Wesentliches geleistet. Er hat die Zuseherzahlen in astronomische Höhen getrieben. Das sind Fakten, die wir auch sehen sollen.“ Die unverschämten Redakteure wollten diese Fakten nicht sehen sondern wissen, ob es bei der steuerlichen Berücksichtigung von Mäzenatentum – „da sind Sie ja gescheitert“ – weitere Anläufe geben werde. „Diese Anläufe werde ich immer machen“, sprach Morak und outet sich damit als Stabhochspringer, der seinen Anlauf nimmt, mit voller Kraft den Stab über die Latte wirft und sich nach seiner Selbstdisqualifikation beschwert, dass er nicht beim Speerwerfen gewonnen hat. Soviel zu Moraks Beitrag zur Förderung des Mäzenatentums im Allgemeinen und zur steuerlichen Absetzbarkeit von Kunstankäufen im Besonderen.
Als Beweis, dass er nichts gegen Mäzenatentum einzuwenden hat, führt Morak Max Hollein ins Treffen: „Max Hollein sagt, ich lasse den Staat außen vor und gehe nur noch auf private Sponsoren.“ Max Hollein ist übrigens Moraks Beitrag zur Biennale in Venedig – soviel Staat muss sein - und auch Moraks Beitrag, dass diese Erbpacht wieder in der richtigen Familie gelandet ist – so ein bisserl Hofstaat darf´s schon sein. Schon Hollein der Ältere war Österreichs Vertreter der 36. Biennale Venedig 1972. Von 1978 - 1990 war er der österreichische Kommissär für die Biennale der bildenden Künste in Venedig, von 1991 - 2000 war er auch österreichischer Kommissär für die Architekturbiennale in Venedig, der er im Jahr 1996 auch als Gesamtdirektor vorstand. Hollein der Jüngere war bereits im Jahr 2000 Kommissär und Kurator des amerikanischen Pavillons bei der VII. Architekturbiennale in Venedig. Nun darf er endlich für sein Vaterland Kakanien den Pavillon in Venedig kommissionieren. (ANMERKUNG vom 25. 7.2007 - "der Standrad" berichtet heute: "Lilli Hollein ist von Kulturministerin Claudia Schmied zur Kommissärin für den österreichischen Beitrag zur 7. Internationalen Biennale für Architektur in Sao Paulo ernannt worden." Dabei bleibt nicht unerwähnt, dass die Kuratorin die Tochter von Hans Hollein ist. Es sei hier nicht in Zweifel gezogen, dass Lilli Hollein für diesen Job qualifiziert ist - dies ist ja wohl von genetischer Evidenz! Aber ist es wirklich so, dass wir in ganz Österreich keine anderen Kuratoren haben??)
Indessen wird im Reiche Albrecht des Großen der Begriff der „Vollrechtsfähigkeit“ ganz im Sinne des absoluten Monarchen neu interpretiert. So sei es sein volles Recht, den einen oder anderen Feldhasen auf Reisen zu schicken, lässt er die Leser des Magazins „profil“ wissen. Beamte des Denkmalamtes und sonstige Haftelmacher unseres Rechtsstaates sollten ihn dabei gefälligst nicht beschränken. Vollrechtsfähig oder unzurechnungsfähig ist da die Frage, die aber nur ein Plebejer wie ich stellen kann. Dabei habe ich selbst erst kürzlich die Segnungen absolutistischer Machtausübung zu schätzen gelernt.
So bekenne ich mich hiermit schuldig, dass ich in der vorigen Ausgabe der „Wiener Kunsthefte“ meinen Kommentar über den Museumsbericht mit der Forderung abgeschlossen habe, man solle ein Tabu brechen und das absolute Verbot von Verkäufen aus den Museumsdepots überdenken. Verkäufe sollten zugelassen werden, wenn der Erlös wieder zu hundert Prozent in den Ankauf neuer Werke fließt, habe ich noch vor drei Monaten gemeint. Damit sei einer lebendigen Sammlung gedient, und auch einer neuen Profilierung der Museen, dachte ich damals ganz naiv. Doch diese Gedanken sind der gnadenlosen Zensur der „Wiener Kunsthefte“ zum Opfer gefallen, und heute bin ich heil froh über das segensreiche Wirken dieser Institution. Man stelle sich vor, diese Idee hätte ihren Weg genommen bis in die Köpfe der allmächtigen Museumsdirektoren. Was nutzt es da, dass ich gefordert habe, allfällige Verkäufe nur unter den strengsten Auflagen und in vorab definierten Grenzen zu genehmigen. Wer fragt denn in unserem Kakanien nach Genehmigungen, und wer würde denn hier strenge Auflagen erteilen!?
Wiener Kunsthefte, Juni 2005