23. Juni 2015 - Wieder einmal war eine Art Basel „erfolgreicher denn je“, berichtet u.a. swr.de: „Die 46. Ausgabe der Art sei für viele Galeristen bislang die beste Messe gewesen, so die Organisatoren. Die Geschäfte seien sehr gut gelaufen und zwar an allen Tagen und in allen Kunstbereichen. Für wieviel Geld die Kunstwerke verkauft wurden, gibt die Art Basel allerdings nicht bekannt.“
Typisches PR-Palaver: Behauptungen ohne Belege. Und langsam merken es die Journalisten: im Vergleich zu bisherigen Ausgaben, schenkten die Medien der diesjährigen Art Basel relativ wenig Beachtung. So brachte derstandard.at nur einen kurzen Agenturbericht über die Verleihung des Baloise-Kunstpreises an Beatrice Gibson und Mathieu Abonnenc.
Da waren die Medien in den vergangenen Jahren deutlich euphorischer. So berichtete die WirtschaftsWoche im Vorjahr über die ART Basel unter dem Titel „Die große Milliarden-Kunstparty“: „Sieben-, gar achtstellige Höchstpreise werden ohne mit der Wimper zu zucken akzeptiert, … man schmückt sich mit ihnen wie mit Trophäen oder Souvenirs. … Allein Warren Buffets Privatjet-Service Net Jet meldete für die Messezeit mehr als 100 Flüge nach oder aus Basel. … Und wer zu lange zögert, den bestraft der Konkurrent – zum Beispiel Sammler aus Miami, Moskau, Mumbai oder Shanghai. Die New Yorker Galerie Andrea Rosen hat wenige Minuten nach Eröffnung der Preview schon drei Viertel ihrer Schätzchen verkauft“.
Angesichts der vielen Superreichen gehen offenbar mit Journalisten die Emotionen durch: drei Viertel der Werke wenige Minuten nach Eröffnung verkauft? Auch wenn tatsächlich für manche Künstler Wartelisten existieren (ein amerikanischer Mythos, der hartnäckig kursiert aber niemals überprüft wurde – aber das erübrigt sich ja bei Mythen), so wäre es auch mit Mega-Einkaufswagen und einer Supermarktkassa am Stand nicht möglich, mehrere Werke in „wenigen Minuten“, geschweige denn „drei Viertel“ aller Werke zu verkaufen.
Ich empfehle, einmal einen Tag auf einem Stand einer normalen Galerie zu recherchieren! Denn abseits von immer weniger Galerien, die mit immer weniger Künstlern immer mehr Geld scheffeln, warten wohl die meisten Art-Basel-Aussteller vergeblich auf Kunden bzw. auf Käufer. Die tollen Zahlen, die suggerieren, dass es nur Gewinner auf der „Messe aller Messen“ gibt, sind zu relativieren: rund 300 Galerien aus 40 Ländern stellen hier rund 4.000 Künstler aus, die nach Darstellung der jeweiligen Galeristen alle zu den Top 100 dieser Welt zählen. Und alle zusammen buhlen um Aufmerksamkeit von 70.000 Besuchern, oder sogar 100.000 in diesem Jahr, wenn die Angaben der Messeveranstalter stimmen.
Ich schätze, zur Differenzierung kann man alle Eckdaten durch 10 dividieren: von den 70.000 Besuchern sind maximal 7.000 potenzielle Kunden und davon maximal 700 Vertreter der internationalen Finanzelite. Das sind die Ärmsten auf diesem Event, weil sie nicht sicher sein können, ob sie noch einen Parkplatz für ihren Learjet auf dem EuroAirport Basel bekommen. Ich würde dem Jetset daher empfehlen nicht erst zu warten, bis ihr Flugzeug gelandet ist, sondern mindestens eine Stunde vor Messebeginn mit dem Fallschirm direkt auf das Gelände der Art Basel abzuspringen. Denn wie WiWo weiß: „Zögern wird bestraft!“
Aber zurück zu den Zahlen. Von den 300 Galerien können bestenfalls 30 mit finanzkräftigen Käufern rechnen. Von den 4.000 Künstlern sind maximal 400 von saisonaler Bedeutung und davon 40 von dauerhafter, internationaler Relevanz. Man kann daraus schließen, dass die Messe deshalb so erfolgreich ist, weil die wenigen Hauptdarsteller einen Rattenschwanz an Statisten nach sich ziehen. Das gilt sowohl für die Galeristen, wie auch die Künstler und Besucher!
Zweifellos gehört die Art Basel neben Sotheby’s und Christie´s zu den Top 3 Playern im internationalen Kunstolymp, wo heute Preise von einer Million aufwärts bezahlt werden. Dollar, Euro oder Pfund. Häufig rätseln Journalisten, aber auch Marktteilnehmer, was Sammler und/oder Spekulanten antreibt so viel Geld in Werke mit „emotionaler Dividende“ zu investieren.
Die New Yorker Galeristin Marianna Boesky klärt dieses Geheimnis im Sammelband „Collecting Contemporary“ von Adam Lindemann auf: „Man hat auch Vergünstigungen, wenn man, sagen wir mal, für 50.000 Dollar einen Murakami kauft, der nach zwei Jahren 500.000 Dollar wert ist. Wenn man die Arbeit ein Jahr und einen Tag besitzt und sie dann stiftet, kann man seine Steuern um den vollen Marktwert mindern und nicht nur um den Ankaufspreis. Wenn man also in dem Jahr ein Steuerproblem hat, kann man einen Haufen Geld sparen.“
Ich glaube, nein ich bin der Überzeugung, dass dieses Zitat mehr über die Beweggründe finanzkräftiger Kunstsammler aussagt, als alle anderen Spekulationen über deren Leidenschaftlichkeit und Außergewöhnlichkeit, mehr als alle soziologischen und psychologischen Erklärungsversuche. Fakt ist, dass noch nie ein Sammler oder Investor seine letzte Million oder seine letzte Milliarde in Kunst gesteckt hat, sondern immer nur einen Bruchteil des Kapitals, über das er verfügen kann und das er veranlagen muss. Wenn sich der Investor den Betrag dann noch durch Steuersparmodelle refinanzieren kann, so ist jeder dumm, der das nicht macht. That´s the American way of life! Europa hat das Folgerecht.
Ergänzung 24.6.15: Über die Art Basel 46 schreibt Maria Männig in ART[in]CRISIS: "Hier wird kommodifiziert, was in anderen Institutionen, wie Galerien, Museen, Biennalen bereits symbolisch mit Bedeutung aufgeladen wurde.
Dieser Prozess kann auf eine einfache Formel gebracht werden: die bereits erfolgte Wertschöpfung kristallisiert sich an diesem Ort in einer konkreten Geldsumme, den ein Sammler oder eine Sammlerin bereit ist, zu zahlen. Bedeutung materialisiert sich. Müßig zu erwähnen, dass dieser Transfer keineswegs der Endpunkt, sondern nur eine Station im Kreislauf ist.
Der hohe Preis – oft liegt seine Dimension im Bereich des Mythischen, denn die Branche ist schließlich diskret – motiviert die Anhäufung von weiterem symbolischen Kapital."
Weitere kritische Analysen über die Kunstmärkte und die "Messe aller Messen" bietet DIE KUNSTMARKT-FORMEL, ISBN 978-3-7357-7052-3