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Empirsche Belege für die Kunstmarkt-Formel IV auf der Art Cologne 2015

 

 

Je höher der Preis, desto höher der Wert eines Kunstwerkes, behaupten viele, ja sogar die meisten gewichtigen Player in der Kunstszene. „Die Kunstmarkt-Formel“ bringt Gründe, warum diese Kausallogik erkenntniskritisch und sprachphilosophisch nicht haltbar ist. Auf der Art Cologne fanden sich empirische Beispiele, welche die Unsinnigkeit dieses Dogmas dokumentieren. Insgesamt acht Galerien zeigten Werke von Guenther Uecker, nur eine Galerie (LEVY) zeigte Werke von Daniel Spoerri. Beide geboren 1930, beide echte Weltstars mit umfangreichem Œuvre und genialen Werken. Uecker kreiert aus Nägeln unglaublich dynamische Objekte, Spoerri verwendet so gut wie alles außer Nägel für seine genuinen Objekte.

Wir vergleichen hier Vergleichbares!

ArtCologne spoerri

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Kunstexperte findet, der behaupten würde, Ueckers Werke seien mehr wert als Spoerris Werke, oder umgekehrt. Künstler und Werke stehen auf einem Level. Die Preislevel liegen allerdings bei 1:10 bis 1:20! Zuungunsten von Spoerri. Kleinere Objekte von Spoerri kosten 10.-14.000 Euro, von Uecker mindestens 140.000! Das teuerste Bild von Spoerri (Die herausgefallene Zeit, 105x120x40 cm) kostete 75.000, das teuerste Bild von Uecker (ein Wandbild ca 200x200 cm) wurde um 1,4 Millionen Euro angeboten.

ArtCologne Uecker

 

Ich sehe darin einen empirischen Beleg für die Kunstmarkt-Formel IV: Preis und Wert haben überhaupt nichts miteinander zu tun.

 

Übersichtliches Raumkonzept

Mit drei Ebenen war die Art Cologne sehr übersichtlich strukturiert: Klassische Moderne, Nachkriegskunst und Zeitgenössische Kunst. Diese Raumaufteilung kommt dem Publikum sehr entgegen. Im Vergleich zu den nicht überschaubaren Art Cologne Hallen in den 1990ern ein eine echte Verbesserung.

Auf der zweiten Ebene war eine Besucherbefragung, bei der auch die Stellung der Art Cologne im Vergleich zu insgesamt 20 internationalen Messen abgefragt wurde, darunter Art Karlsruhe, Frieze und natürlich Art Basel. Österreichische Messen standen nicht auf der Liste. Anders gesagt: Vienna Fair und Co werden hier nicht als ernst zu nehmende Konkurrenz gesehen. Immerhin waren zwölf Galerien aus Österreich in Köln, das sind um zwei mehr als aus den USA. Das lässt wiederum den Schluss zu, dass Köln für die US-Galerien nicht wirklich relevant ist. Noch mehr: der europäische Markt ist für die Mehrheit der amerikanischen Player irrelevant. Dies wiederum ist die empirische Bestätigung der Kunstmarkt-Formel I: Es gibt keinen einheitlichen Kunstmarkt, sondern viele Kunstmärkte, und die Durchlässigkeit zwischen den Märkten ist äußerst gering. Sowohl horizontal als auch vertikal.

Mit einer Rauminstallation der besonderen Art überzeugte die Galerie Thomas Modern aus München. Sie zeigte auf ihrem Stand den 1976 geborenen Simon Schubert, der mit feinensinnigen Papierfaltungen großformatige Räume und Porträts entstehen lässt. Schubert behandelt das Papier aus der Sicht eines Bildhauers und lässt durch Faltungen reliefartige Bilder entstehen, die ohne Zeichnung, nur durch Licht- und Schatteneffekte wirken. Für mich die wichtigste Neuentdeckung auf der diesjährigen Art Cologne. Auch Gratulation an die Galerie Thomas Modern, die auf einem Jahrmarkt der schrillen Töne und Farben Mut zur Zurückhaltung bewiesen hat.

 

Happening

Am 18. und 19.4. habe ich „Die Kunstmarkt-Formel“ auf einem Bücherstand der Kölner Liste verkauft. Am Sonntag ab 16.00 Uhr wollte ich die Massen erreichen, die aus der Art Cologne Richtung S-Bahn-Station strömten, und stellte mich vor den Bahnhofseingang wie ein Zeuge Jehovas. Trotz gegenteiliger Prognosen strahlte die Sonne – schon mal ein guter Anfang! Spontan entwickelte ich die ultimative Verkaufs-Strategie um aus den Massen jene Passanten zu filtern, die sich für die K-Formel interessieren könnten, sollten oder müssten. Mit drei Fragen wollte ich meine Kunden und Kundinnen ködern.

1. Interessieren Sie sich für Kunst?

2. Interessieren Sie sich für den Kunstmarkt?

3. Kennen Sie die Kunstmarkt-Formel bereits?

Aufgrund der Abflussgeschwindigkeit des Publikums Richtung Bahnhof musste ich meine Strategie modifizieren und mein Plansoll auf jeweils eine Frage reduzieren. Und hier die Top-Antworten, die repräsentativ für die 500 Menschen sind, denen ich innerhalb von zwei Stunden die K-Formel angeboten habe.

Ad 1: Ne, jetzt nicht mehr. Ich hab die Nase voll!

Ad 2: Nein, kann ich mir nicht leisten.

Ad 3: Vielen Dank! (Der Angesprochene geht ab...)

Nach eineinhalb Stunden entschied ich mich mangels Verkaufserfolg die Zeit sinnvoller für Marktforschung zu nutzen. Auf die Frage „Warum wollen Sie die K-Formel nicht kaufen?“ antworteten

7% Ich weiß selber wie es läuft, bin 40 Jahre im Kunstgeschäft.

11% Schadet ja niemandem, wenn Spekulanten viel Geld raus schmeißen.

82% Ich kann nicht lesen, nur schauen.

 

Nach zwei Stunden musste ich meine Begeisterung für die kollektive Intelligenz, die ich mir in vielen Jahren als PR-Berater von Open-Source-Dienstleistern angewöhnt habe, relativieren: neben kollektiver Intelligenz gibt es auch kollektive Ignoranz. Und diese überwiegt eindeutig. Die Frage, warum laufen all die Menschen überhaupt auf eine Kunstmesse, hat ein Jugendlicher stellvertretend für viele beantwortet: „Weil ich eine Freikarte bekommen habe.“ Auch nicht schlecht war die Antwort: „Zum Kaffeetrinken.“ Laut Schlussbericht der Art Cologne waren rund 56.000 Besucher auf der Messe.

 

Später lese ich bei Wolf Vostell: „Das Happening ist kreiertes Leben für zwei Stunden, für eine Stunde oder für den ganzen Tag oder für 16 Stunden, und es ist von jemandem als Idee initiiert.“ Um den Frustfaktor zu reduzieren erkläre ich post factum meine Verkaufsaktion zum Happening.

 

Weitere Berichte:

Der Kunstmarkt nach Achenbach, Deutsche Welle, 17.4.2015

Lichte Momente sieht der Tagesspiegel (Ausgabe 19.4.2015)  auf der 49. Ausgabe der Kölner Kunstmesse Art Cologne

Über die Kunstmarkt-Formel, ISBN 978-3-7357-7052-3, siehe Buchpräsentation auf der ART Innsbruck 2015, Video auf youtube.com

 

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