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„Superreiche kaufen DEN Kunstmarkt leer, Museen haben das Nachsehen“, behauptet das HANDELSBLATT (Ausgabe 7./8./9. November 2014, S. 66 f) in der Einleitung einer Debatte zwischen Georg Seeßlen (Ko-Autor von „Geld frisst Kunst....“) und Dirk Boll, Managing Director von Christie´s in London.

 

Nun bin ich bereits 20 Jahr als Galerist mehr oder weniger erfolgreich auf DEM Kunstmarkt, doch von der Bedrohung der Superreichen, Halbsuperreichen oder einfachen Reichen, die meine Galerie leer kaufen wollten, habe ich noch nie etwas bemerkt. Woran mag das liegen?

 

Eine Antwort liefert die Kunstmarkt-Formel I: Es gibt keinen einheitlichen Kunstmarkt, sondern viele Kunstmärkte, und die Durchlässigkeit zwischen den Märkten ist äußerst gering. Sowohl horizontal als auch vertikal.

 

Sowohl Seeßlen, als auch Boll gehen von der Prämisse aus, dass DER Kunstmarkt ein homogenes Ganzes sei. Kritisch betrachtet reden Sie aber immer NUR von der Spitze des Eisbergs. Seeßlen: „Das gesellschaftliche Schauspiel, das der Kunstmarkt und der Kunstdiskurs derzeit liefern, wird von einer zunehmenden Zahl von Menschen vor allem als obszön empfunden.“ (S. 67).

 

Boll: „Der Kunstmarkt wird als expandierendes System wahrgenommen, das Kontrolle über die Rezeption der Kunst gewinnt und schrittweise die Hegemonie musealer oder akademischer Expertise außer Kraft setzt.“

 

„Die Kunstmarkt-Formel“ charakterisiert dieses Segment als Olymp, der abgehoben von den restlichen vier Ebenen der Kunstmarkt-Pyramide ist und genau genommen als Segment des Finanzmarktes zu sehen ist.

 

Dirk Boll konzediert selbstkritisch, dass die Preisfestsetzungen von Messen und Auktionen „offenbar den Kanonisierungsprozess nachhaltig zu beeinflussen in der Lage sind.“ Zurecht stellt er die Frage, ob es die Aufgabe staatlicher Museen sein kann, mit den Superreichen in den Auktionsring zu steigen, „wenn es um den Ankuf von Werken längst durchgesetzter Künstlerheroen geht“. Er zerdrückt auch eine Krokodilsträne beim Gedanken an „die immer noch wachsende Zahl junger Künstler/-innen unter präkeren wirtschaftlichen Bedingungen“ vergisst aber dabei, dass nicht nur junge Künstler am Rande oder unter dem Existenzminimum leben. Nach etwas gewundenen Ausführungen, die ihn von Hieronymus Bosch über Thomas Morus und George Orwell (!) bis zu Joseph Beuys und Tue Greenfort führen, kommt er zum Schluss: „Es gibt ihn, den Wert jenseits des Rekordpreises!“ (S. 66) Halleluja! - möchte man da ausrufen. Diese Reaktion ist wohl auch erwünscht, denn die lästige Frage, worin der Wert jenseits des Rekordpreises denn bestehe, bleibt Boll, als Manager von Christie´s ein Vertreter des Kunst-Olymp, schuldig.

 

Georg Seeßlen übt fundamentale Gesellschaftskritik: „Die Schere zwischen den großen Gewinnern und der Unzahl der Selbstausbeuter und Verlierer wird auch hier immer größer. Was in der Kunst und ihrer Vermittlung derzeit geschieht, ist nicht nur kulturell, sondern am Ende auch ökonomisch wahrlich verrückt.“ Ein Phänomen einfach als „verrückt“ abzustempeln, ist wohl Ausdruck der Verzweiflung, hilft uns aber nicht, dieses Phänomen besser zu verstehen. Da Seeßlen die Kunst bzw. den Kunstmarkt als Monoliten sieht, greift auch seine Kritik, dass sich Kunst und Finanzwirtschaft zunehmend durchdringen, zu kurz: „Kunst als Luxusware und als Spekulationsobjekt entgesellschaftet sie nicht nur, sie entkultiviert sie auch. Ökonomisierung und Privatisierung der Kunst werten sie finanziell auf und werten sie zugleich kulturell ab.“ (S. 67) Dieses scheinbare Problem mag für den Gesellschaftskritiker spannend sein, bildet in dieser linearen Dialektik die wirtschaftliche Realität eines Künstlers oder einer Galerie jedoch nicht ab. Wert und Preis (= der finanzielle Wert bzw der Marktwert) eines Kunstwerkes sind nämlich völlig unterschiedliche Kategorien, zugespitzt auf die

 

Kunstmarkt-Formel V: Preis und Wert haben überhaupt nichts miteinander zu tun!

 

Markus Metz, Georg Seeßlen

Geld frisst Kunst – Kunst frisst Geld – Ein Pamphlet
edition suhrkamp 2675, Broschur, 496 Seiten
ISBN: 978-3-518-12675-2

 

Siehe auch: DIE KUNSTMARKT-FORMEL

ISBN 978-3-7357-7052-3
Print: 19,90 Euro, E-book: 10,99 Euro

https://www.pressetext.com/news/20141104016

 

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