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7.10.2019  -  Die Grundthese des Wirtschafts-Nobelpreisträgers ist einfach: der Euro hat einen Konstruktionsfehler. Daraus folgt: Der Euro kann nur überleben, wenn dieser Konstruktionsfehler behoben wird.

 

Hier einige Zitate aus dem Buch:

Carduelis Stieglitz 250
   Corduelis (Stieglitz) (c) Wikipedia

 

„In gewisser Weise sind die Vorgänge in der Eurozone ein moralisches Lehrstück: Sie verdeutlichen, dass sich Regierungen, die den Draht zu ihren Wählern verloren habe, mitunter Systeme ausdenken, die nicht dem Wohl ihrer Bürger dienen.“ (S. 19)

 

„Auch wenn viele Faktoren zu den Problemen Europas beitragen, gibt es einen grundlegenden Fehler: Die Schaffung der Einheitswährung ohne gleichzeitige Errichtung eines instituionellen Ordnungsrahmens, der einer so vielfältigen Region wie Europa ermöglicht hätte, mit einer einheitlichen Währung erfolgreich zu funktionieren." (S. 27)

 

„Damit Reformen greifen, müssen Entscheidungen getroffen werden, und in diesen Entscheidungen spiegeln sich die Sichtweisen und Werte der Entscheidungsträger. Es bedarf eines gemeinsamen Verständnisses dessen, was eine leistungsstarke Volkswirtschaft ausmacht, und eines Mindestmaßes an 'Solidarität' oder Zusammenhalt...“ (S. 46 f)

 

„Die Welt hat einen hohen Preis für die Hingaben an die Religion des Marktfundamentalismus und Neoliberalismus gezahlt und jetzt ist Europa an der Reihe. ...Die Eurozone verankerte viele dieser neoliberalen Ideen in der 'Verfassung' der Währung – ohne genüged Flexibilität vorzusehen, die es ermöglichen würde, auf veränderte Umstände oder ein neues Verständnis ökonomischer Funktionsmechanismen zu reagieren. Daher konzentriert sich die Europäische Zentralbank ausschließlich auf die Geldwertstabilität – selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Der Glaube an die Effizienz und Stabilität der Märkte hatte auch zur Folge, dass die EZB und die Zentralbanken der einzelnen Mitgliedsländer geflissentlich vermieden, etwas gegen die Immoblienblasen zu unternehmen die sich Anfang bis Mitte der Nullerjahre in mehreren Euroländern bildeten.“ (S. 49 f)

 

„Mehr Macht für ein geeintes Europa würde den europäischen Bürgern nur dann mehr Wohlstand bescheren, wenn das politische System wirklich demokratisch wäre. Aber angesichts der gegenwärtigen politischen Struktur Europas gibt es gute Gründe, daran zu zweifeln.“ (S. 65)

 

„Analysiert man den Nutzen einer Einheitswährung, stößt man auf eine grundlegende Inkohärenz des europäischen Projekts. Die Konstruktion des Euro basierte auf der Annahme gut funktionierender Märkte. Aber bei gut funktionierenden Märkten sollten die Kosten für die Absicherung von Wechselkursrisiken niedrig sein. […] Wenn eine Gruppe von Ländern beschließt, eine gemeinsame Währung einzuführen, schreiben sie ihre Wechselkurs unwiderruflich fest. Damit geben sie diesen Anpassungsmechanismus aus der Hand.“ (S. 76 f)

„Eine Wirtschaftsunion kann kaum gelingen, wenn die verschiedenen Mitgliedr dieses Staatenbunds unterschiedliche Auffassungen von den Gesetzen der Ökonomie haben – un schon zum Zeitpunk der Einführung des Euro gab es grundverschiedene Wirtschaftsphilosophien in den Ländern der Eurozone.“ (S. 82 f)

 

„Strukturreformen, die Griechenland, Spanien und anderen Krisenländern auferlegt wurden, sollten deren Produktivität erhöhen. … Die Eurozone steht, gemessen an diesem Kriterium, schlecht da, …. Die Krisenländer schneiden noch schlechter ab. Falls es zu einer Zunahme der Produktivität gekommen sein sollte, wurde dieser Effekt durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit zunichtegemacht. In Griechenland ist der Output pro Erwerbsperson seit 2007 um 23 Prozent gesunken. Eine der Ursachen für diesen massiven Einbruch ist die sehr hohe Arbeitslosigkeit … Arbeitslosigkeit bedeutet eine Verschwendung von Ressourcen: Sie ist die vielleicht folgenschwerste Innefizien in einer Marktwirtschaft, … Die Arbeitslosigkeit ist ein Bereich, in dem die Eurozone eine besonders klägliche Figur abgibt, … in Griechenland erreichte sie 2013 mit 27,8 Prozent ein Allzeithoch.“  (S. 102 f)

 

„Märkte sorgen von sich aus weder für Vollbeschäftigung noch für finanzielle und ökonomische Stabilität. In sämtlichen Ländern greift der Staat in die Märkte ein, um die gesamtwirtschaftliche Stabilität zu fördern. Außer für einige Marktradikale lautet die Frage heute nicht mehr, ob der Staat eingreifen sollte, sondern lediglich, wie und wo er eingriefen sollte, um Marktunvollkommenheiten zu beheben.“ (S. 120)

 

„Die Vorstellung, Staats- und Außenhandelsdefizite hingen eng miteinander zusammen, war Anfang der Neunzigerjahre, dla sie Eurozone gegründet wurde sehr populär. […] Wir wissen heute, dass Handelsbilanzdefizite häufig nicht durch ungezügelte Ausgabenfreude des States, sondern durch Exzesse im privaten Sektor verursacht werden, und dass die Eindämmung staatlicher Verschwendungssucht – wie es die Konvergenzkriterien beabsichtigen – nicht unbedingt große und anhaltende Handelsbilanzdefizite verhindern.“ (S. 145)

 

„Die Schulden erreichen irgendwann einen Höhe, wo die Stimmung der Gläubiger umschlägt. Sie befürchten, ihr Geld nicht zurückzubekommen. Dieser Stimmungsumschwung kann allmählich oder schnell geschehen. Erstaunlicherweise treten dies Umschwünge oftmals jäh ein und nicht in Reaktion auf eine bedeutsame 'Nachricht' – ein weiterer Beleg für die Irrationalität des Marktes.“ (S. 148 f)

 

Auf die Frage, warum Kreditgeber nicht erkannten, dass ein Land auf eine Überschuldung zusteuerte gibt es zwei Antworten: „Die erste lautet: Die Finanzmärkte sind kurzsichtig. Sie sehen und verstehen oftmals nicht, was sich in ihrem Hinterhof abspielt, wie die Finanzkrise in den USA im Jahr 2008 zeigte. […] Der zweite Grund: Kreditgeber werden regelmäßig 'herausgepaukt' – vom IWF, von der Europäischen Zentralbank und von Regierungen. Da Verluste so vergemeinschaftet werden, gibt es besonders starke Fehlanreize für exzessive Kreditvergabe im Ausland. Was in der Eurozone geschah, ist nur die letzte in einer langen Reihe solcher Schuldenübernahmen.“ (S. 150 f)

 

 Alle Zitate aus

Joseph Stiglitz

Europa spart sich kaputt.

Warum die Krisenpolitik gescheitert ist und der Euro einen Neustart braucht.

2016

 

Siehe auch: Steuern sind zum Steuern da (mit Zitaten aus dem Buch "Arm und Reich" von Joseph Stiglitz).

 

Ergänzung 6.11.2019: Einen Blick durch die rosarote Brille gewährt der Direktor des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), Klaus Regling, im NZZ-Interview. Den Hinweis auf Meinungsdifferenzen zwischen dem Norden und dem Süden, wie die Finanz- und Geldpolitik aussehen sollte, beantwortet Regling:

"Ich sehe das anders. Schauen Sie nach Portugal. Das Land verlor in der Krise den Marktzugang und erhielt von uns einen Kredit über 26 Mrd. €. Das Land nahm harte Anpassungsmassnahmen vor mit Kürzung von Einkommen und Pensionen. Heute hat Portugal fast einen ausgeglichenen Haushalt, ein gutes Wachstum und eine Arbeitslosigkeit, die niedriger ist als vor der Krise.

Portugal ist die positive Ausnahme.
Es ist nicht das einzige positive Beispiel aus dem Süden. Schauen Sie nach Griechenland. Dort sehen wir wieder Wachstum. Seit drei Jahren sehen wir auch einen Überschuss im Gesamthaushalt. Die Arbeitslosenquote ist mehr als zehn Prozentpunkte niedriger als zum Höhepunkt der Krise Ende 2013. Die Bevölkerung hat sogar eine populistische Regierung abgewählt und eine reformorientierte Regierung gewählt.

Und was ist mit Italien?
Italien ist ein Sonderfall. Es war nie wirklich in der Krise und verlor nie den Marktzugang."

 

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