9.7.2019 - Jede Weisheit, einmal zum Gemeinplatz verkommen, wird zur Banalität. Dies ist ein Versuch, das Zitat „Geld regiert die Welt“ von seiner Banalität zu befreien, indem ich es mit historischen Fakten unterlege. Bei meiner subjektiven Auswahl stütze ich mich auf die Geschichte Österreichs, genauer gesagt die einzige Geschichte Österreichs, die ich immer wieder lesen werde: „Felix Austria“ von Stephan Vajda. Das Buch ist 1980 bei Ueberreuter erschienen.
„Schon das Erste Lateranische Konzil (1123) verbot den Christen, für geliehenes Geld Zinsen zu nehmen. Die Wirtschaft in Europa war jedoch gerade im Begriff, vom Zahlungsmittel Naturalien auf Geld umzusteigen, das Geldgeschäft wurde bereits unentbehrlich. Nun sprangen die Juden, durch religiöse Gebote nicht behindert, in die Bresche, und man hieß sie sowohl am Hof eines Fürsten als auch im Haus eines reichen Stadtbürgers willkommen, verachtete sie gleichzeitig aber für eine zwar unbedingt notwendige, von der Kirche jedoch verpönte und verbotene Tätigkeit.“ (S. 66 f)
Simplizius 21 erhebt Einspruch:
Geld regiert nicht die Welt - Kanzler Basti Kurz ist der Beweis - ein Erklärvideo
Über das Lösegeld, das Richard Löwenherz, auf der Rückreise von seiner Kreuzfahrt, in Geiselhaft genommen auf der Burg Dürnstein, zu zahlen hatte, schreibt Vajda, dass es nicht „wie oft fälschlich berichtet wird, Herzog Leopold V. von dem englischen König gefordert hatte, sondern Heinrich VI., der deutsche König und römische Kaiser. Leopold V. verlangte bloß seinen Anteil. Der machte immerhin fünfzig Prozent der festgesetzten Summe, 100.000 Mark Silber im sogenannten Kölner Gewicht, aus (in heutiger Währung beziehungsweise Kaufkraft [d.i. 1980] etwa dreißig Milliarden Schilling).“ (S. 72) Damit hätte man 1970 sage und schreibe 100 Prozent der österreichischen Staatsschulden bezahlen können, 1980 immerhin noch 10 Prozent und heute (2019) gerade noch ein Prozent. https://staatsschulden.at/
„In einer Zusammenstellung der Einkünfte einiger europäischer Fürsten in der Chronik der Stadt Colmar (1218) steht der Herzog von Österreich mit 60.000 Mark hinter dem König von Böhmen (100.000 Mark) an zweiter Stelle. Die Außenpolitik Leopolds VI. war zurückhaltend und eindeutig defensiv, die Handelsbeziehungen nach allen Seiten hin hatten absoluten Vorrang.“ (S. 80)
„Rudolf IV schaffte die Steuerfreiheit des Hochadels und des Klerus ab, verzichtete auf die jährliche Münzerneuerung, auf die im Mittelalter übliche Form einer für den Herrscher ertragreichen amtlichen Inflation, der das Volk machtlos gegenüberstand, und er führte das 'Ungeld', die erste demokratische Steuer in Österreich, eine zehnpronzentige Getränkesteuer, ein, die jedermann, ob Bischof oder Knecht, entrichten mußte, wenn er in einem öffentlichen Gasthof Wein oder Bier trank. … Das 'Ungeld' ersetzte voll und ganz den suspekten Gewinn aus der inflatorischen Münzmanipulation und wurde zu einer verläßlichen Einnahmequelle des herzoglichen Staatshaushaltes.“ (S. 127)
„Das Territorium der österreichischen Länder wurde bereits in den ersten Jahren der Herrschaftsteilung … vornehmlich auf friedlichem Weg vergrößert. Istrien kam 1373 durch einen Erbvertrag in den Besitz der Habsburger. … weite Teile Vorarlbergs … wurden von den in Not geratenen Grafen von Montfort und denen von Werdenberg in den Jahren 1375 beziehungsweise 1394 gegen Barzahlung an die Habsburger abgetreten.“ (S. 136 f)
„Durch den langen Hussitenkrieg war die wirtschaftliche Lage der österreichischen Länder in eine kaum überschaubare Unordnung geraten, der tatkräftige Herzog Albrecht V hatte enorme Schulden hinterlassen, für die niemand mehr aufkommen wollte. Das bereits vorherrschende Zahlungsmittel Bargeld erschien in vielerlei Sorten, die wiederum willkürlich festgelegten, aber selten stabilen Wechselkursen unterlagen.“ (S. 178)
„Schon zu Beginn der schweren Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Albrecht VI verfiel er [Friedrich III] auf die unglückliche Idee, das Münzwesen seinen Anhängern, vertrauenswürdigen Herren, zu verpachten. Die Ritter Andreas Baumkirchner und Andreas Greisenecker, der Kaufmann Balthasar Eggenberger und der Graf von Bösing ließen minderwertige Silbermünzen, 'Schinderlinge', in großen Mengen prägen. Die Folge war eine rapide Geldentwertung, für die man ebenfalls den unfähigen Kaiser verantwortlich machte. … Friedrich III versuchte unablässig, Geld aufzutreiben, er bediente sich dabei gewiß auch zweifelhafter Mittel und Wege aber nimeals der Gewalt; … “ (S. 184)
„Im März 1493 heiratete er [Maximilian I.] Bianca Sforza, die Tochter des Herzogs von Mailand, genauer gesagt, ihre auf etwa 400.000 Golddukaten geschätzte gigantische Mitgift.“ (S. 201)
„Maximilian I liebte Tirol zwar, die Tiroler jedoch … weniger. Denn sie bekamen vor allem seine katastrophale Finanzpolitik zu spüren, die bloß aus einer endlosen Kette verzweifelter Improvisationen bestand. … Maximilian I geriet immer mehr in Abhängigkeit des Handels- und Bankhauses Fugger; er verpfändete Grafschaften, Handelsrechte, Zölle und Bergwerke … Für die ausgeborgten Riesensummen zahlte er zuletzt fünfunddreißig Prozent Zinsen.“ (S. 204 f)
Wie Karl V bereits 1516 als Sechzehnjähriger zum König von Spanien gekrönt wurde (gegen den französischen König Francois I, der aussichtsreichster Kandidat war), schildert Vajda so: „Jakob Fugger setzte auf ihn, weil der junge, zweifellos sehr begabte französische König als launenhafter Verschwender und unsicherer Schuldner schon einen bedenklichen Ruf hatte. So schlossen sich auch einige Bankiers aus Genua und Florenz dem Hause Fugger an, das dann die Kaiserwahl mit etwa einer Million Goldgulden zugunsten des Habsburgers entschied, ...“ (S. 227)
Karls Bruder Ferdinand hatte 1525 in Österreich mit den ersten Bauernrevolten zu kämpfen. Dabei „stellte sich der geschockte Adel auf die Seite des unbeliebten Ferdinand, auf die Seite des feudalen Rechts, sammelte Geld, rüstete Söldnertruppen aus und begann an mehreren Fronten … Gegenoffensive. … Am 31. August schlossen die bedrängten Bauern … einen günstigen Waffenstillstand: sie verpflichteten sich für die angerichteten Schäden 14.000 Goldgulden zu zahlen, und durften straflos abziehen. Doch am 8. Oktober stürmten Regierungstruppe von Niklas Graf Salm angeführt, die Stadt Schladming, das Zentrum des Aufstandes im Ennstal, steckten sie in Brand, plünderten und zerstörten die Dörfer in weitem Umkreis.“ (S. 231)
„In Böhmen wählte Ferdinand den friedlichen Weg der Bestechung. Das Bank- und Handelshaus Fugger, das auch in diesem Land viele Interessen hatte, streckte das notwendige Geld vor. … Am 24. Februar 1527 wurde Ferdinand in Prag zum böhmischen König gekrönt.“ (S. 242)
„1566 bach Sultan Suleiman II noch einmal gegen Mitteleuropa auf. … Er starb am 5. September in seinem Prunkzelt.... Der Nachfolger Selim II, der 'Säufer' … schloß mit Maximilian II., .. einen annehmbaren Frieden. Der Status quo blieb, ebenfalls das jährliche 'Ehrengeschenk' in Höhe von 30.000 Golddukaten.“ (S. 256)
Weniger im Islam, als vielmehr bei den abtrünnigen Christen sahen die Habsburger – nicht nur im 16. Jahrhundert – die größere Bedrohung. „Kaiser Maximilian II bemühte sich ernsthaft die schweren Gegensätze durch das 'Dissimulieren' … zu mildern oder wenigstens zu vertagen. Es half mitunter … Toleranz. … Die Probleme ließen sich auch mit Geld regeln: der protestantische Adel Niederösterreichs zahlte dem Kaiser 2,5 Millionen Gulden, jener Oberösterreichs 1,2 Millionen für die Freiheit der Religion.“ (S. 256)
Der Nachfolger von Maximilian II, verlegte seinen Regierungssitz nach Prag, wo sein Kammerdiener Philipp Lang starken Einfluss auf die Regierungsgeschäfte hatte. „Lang war den Zeitgenossen zweifellos verhaßt, und auch die Geschichte brach angeekelt den sprichwörtlichen Stab über ihn. Er hat bei Hof tatsächlich viel gestohlen und viel unterschlagen, ein Recht, das nach traditioneller Auffassung den Mitgliedern hätte vorbehalten bleiben müssen.“ (S. 276)
„Einer redete viel von Geld, nahm es aber niemals für sich: der Präsident des Hofkriegsrates, Raimondoe Montecuccoli (1609-1680) … der die Weisheit hinterließ: 'Zum Kriegführen sind drei Dinge nötig, Geld, Geld und nochmals Geld. … Im Frühjahr 1663 zog das kleine, nicht gerade verschwenderisch ausgestattete Heer des Kaisers unter Montecuccoli in Ungarn umher. Nach mehr als fünfzig Jahren Frieden stießen die Türken wieder gegen Westen vor. … Die Entscheidung fiel am 1. August: Montecuccoli schlug zu. … Ahmed Köprülü bot sofort Verhandlungen an, und schon am 10. August wurde der Frieden von Masvar geschlossen. Siebenbürgen blieb in einem politischen Schwebezustand zwischen Wien und Konstantinopel; Sultan Mehmed IV bekam das übliche Ehrengeschenk in der Höhe von 200.000 Talern, das etwa dem Wert von 100.000 Golddukaten entsprach.“ (S. 301)
Während Wien 1683 von Kara Mustafa eingekesselt war, versucht Leopold I von Passau und Linz aus Hilfe zu mobilisieren. „Man braucht vor allem Geld, und es ließ sich diesmal sogar beschaffen: Papst Innozent XI stellte über eineinhalb Millionen Gulden zur Verfügung, und Spanien, Portugal, die Toskana sowie Genua machten eine weitere Million flüssig. Der polnische König Jan Sobieski III (1624-1696) … war bereit, gegen eine Zahlung von 500.000 Gulden an der Rettung Wiens teilzunehmen.“ (S. 310)
„Prinz Eugen sah sich genötigt, seine private Spähre von der Außenwelt hermetisch abzuschließen. Zu seiner privaten Sphäre gehörten auch seine Finanzen, das bis zum heutigen Tag nicht geklärte Zustandekommen seines sagenhaften Vermögens, das ihm den nicht ganz ungefährlichen Ruf, der reichste Mann Österreichs zu sein, eintrug. Er bezog zwar aus verschiedenen Funktionen … hohe Einkünft; nach seinen Siegen bekam er wertvolle Geschenke … und Güter,... Dennoch klafft zwischen seinem nachweisbaren Einkommen und dem tatsächlichen Stand seines Vermögens eine gewaltige Lücke.“ (S. 320)
„Josef I. Nachfolger, sein jüngerer Bruder Carlos III., …. versuchte fast 30 Jahre lang vergeblich, weil beinahe ausnahmslos mit den untauglichsten Mitteln, den desolaten Zustand der Staatsfinanzen und der privaten Wirtschaft zu ordnen und zu besseren. Seine Regierungszeit, … verlief im kaum überschaubaren Durcheinander eines mühsam verschleppten Dauerbankrotts.“ (S. 334)
„Auch noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts kannten die zuständigen Stellen beim Wiener Hof keine ordentliche Buchführung.“ (S. 335)
„Der Dauerbankrott des Staates, die verzweifelten und unberechenbaren Vorstöße der Steuerbehörden, die Geldentwertung und das heillose Durcheinander des Finanzwesens bedeuteten für die wohlhabende Schicht der Bevölkerung eine ständige Bedrohung. Wer sein Vermögen sicher anlegen wollte, begann im großen Stil zu bauen. Das österreichische Barock entstand nicht zuletzt als eine neue Form einer gigantischen Steuer- und Kapitalflucht. .. Das Bauen war verhältnismäßig billig, zumal die ungelernte Arbeitskraft nichts kostete …. Der namhafte Architekt jedoch, zwischen mehreren Baustellen in Wien, Böhmen, Tirol und Westungarn immer wieder unterwegs, bekam ein ansehnliches Honorar, das in manchen Fällen 15.000 bis 20.000 Gulden betrug.“ (S. 346)
Unter Maria Theresia war der Staat „das erste Mal nach Jahrhunderten, finanziell gesichert. 1754 betrugen die Einnahmen des österreichischen Fiskus 40 Millionen Gulden, 1757 bereits 57 Millionen, nach Abzug aller Ausgaben wies die Bilanz einen Überschuß von 4 Millionen auf. Denn es gab endlich auch eine Bilanz.“ (S. 356)
„1781 verfügte Joseph II die Aufhebung von Orden beziehungsweise von Klöstern, die sich nicht einer für die Gesellschaft nützlichen Tätigkeit, wie Krankenpflege oder Jugenderziehung, widmeten. … Aber von insgesamt 2163 Klöstern in Österreich wurden nur 359, also nicht ganz 17 Prozent, säkularisiert, in den Besitz des Staates übernommen, und fortan als Kasernen, Militärdepots, Spitäler, Irrenhäuser und auch als Wohnblöcke für Fabriksarbeiter verwendet. Das eingezogene Vermögen der aufgehobenen Orden floß in einen Pensionsfonds, aus dem neue Kirchenbauten finanziert und die staatlich festgesetzten Gehälter der Priester bezahlt wurden.“ (S. 398)
1810 hat Metternich Kaiser Franz I überredet, seine Tochter Maria Louise „der Staatsraison und dem Frieden in Europa zu opfern“, also mit Napoleon zu verheiraten. „Allerdings hatte das Haus Habsburg sowohl bei den Großmächten als auch bei den Kleinstaaten so gut wie überhaupt keinen Kredit mehr: Im Jahr 1811 wurde der österreichische Länderkomplex von einem schweren Staatsbankrott erschüttert. … Das Finanzwesen galt noch immer als eine Geheimwissenschaft der privaten Hofbankiers, … Josef Graf Wallis, der nun, das erste Mal in der Geschichte Österreichs, ausschließlich die Funktion eines Finanzministers ausübte, schlug eine umstrittene Notlösung vor: die Abwertung und den Umtausch des Papiergelds. Der Nennwert des Bancozettels wurde überfallsartig auf ein Fünftel herabgesetzt...“ (S. 438)
„Der Kongreß dauerte insgesamt mehr als neun Monate, die Kosten, fast ausschließlich von der österreichischen Staatskasse getragen, beliefen sich auf etwa 80.000 Gulden pro Tag. Doch Kaiser Franz I atte wieder Geld. Graf Stadion... brachte das Finanzwesen mit Hilfe der damals noch jungen Bankiers Rothschild, die Österreich zinsenlose Kredite beschafft hatten, einigermaßen wieder in Ordnung.“ (S. 443)
„Die Abwanderung in die Städte und in die Fabriken setzte mit immer größer werdender Intensität ein, bis die Regierung sie nach 1830 vorübergehend verbot. … die Verbreitung des Streichholzes in Österreich in den Jahren 1831 bis 1835 bedeutete für Zeitgenossen eine Sensation... die tägliche Plage des Feuermachens gehörte plötzlich der Vergangenheit an, … Von Jahr zu Jahr beschäftigte die neue österreichische Industrie mehr und mehr Arbeitskräfte. … Die Zweiundsiebzigstundenwoche war obligat, in manchen Betrieben dauerte die Arbeitszeit von fünf Uhr morgens bis acht Uhr abends. Die Bezahlung war miserabel. Ein Facharbeiter erhielt fünf Gulden in der Woche, eine weibliche Arbeitskraft etwa die Hälfte. Ein Kilo Rindfleisch kostete einen halben Gulden, eine Schlafstelle für eine Woche zwei Gulden.“ (s. 461 f)
„Um von Haydn zu lernen, kam Ludwig van Beethoven aus Bonn nach Wien. … er betrachtete sich als freien Künstler, den hochgeborenen Herren ebenbürtig, … Als Beethoven im Jahr 1809 Wien den Rücken kehren wollte, sagten ihm seine bestürzten Gönner sofort ein hohes Jahresgehalt auf Lebenslänge zu.“ (S. 469) Demnach zahlten Fürst Lobkowitz 700, Erzherzog Rudolf 1500, und Fürst Ferdinand Kinsky 1800 Gulden, in Summe 4.000 Gulden jährlich.
Alle Zitate aus:
Stephan Vajda
Felix Austria: Eine Geschichte Österreichs
Gebundene Ausgabe: 616 Seiten
Verlag: Wirtschaftsverlag Ueberreuter; Auflage: Erstauflage, EA, (1. Januar 1980)
ISBN-13: 978-3800031689
Siehe auch: Was ist Geld aus philosophischer Sicht?