6.4.2009 - Wer braucht EU-Subventionen – und wer bekommt sie? (Beitrag erschienen in Die Bunte Zeitung 2/2009 (April/Mai)
133,8 Mrd Euro beträgt das EU-Budget 2009. Wofür wird das Geld ausgegeben? Wo gibt es Einsparungspotenzial? Sind alle Subventionen gerechtfertigt? Wenn ja, sind sie auch gerecht? Österreichs EU-Abgeordnete geben darauf nur unbefriedigende Antworten.
100.000 Euro zahlte die EU für ein Wintersportprojekt auf der Badeinsel Bornholm in der Ostsee. Eingereicht hat es ein dänischer Bauer aus Jux, doch das dänische Landwirtschaftsministerium genehmigte das Projekt und so gelangte es tatsächlich nach Brüssel und von dort die Auszahlung der Subvention nach Dänemark. Nun hat die Badeinsel einen Schilift auf einem 100 Meter langen Hügel, ein Pistengerät und eine Schneekanone. Und im Durchschnitt eineinhalb Tage Schibetrieb pro Jahr!
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Klarerweise ist das ein Schildbürgerstreich, der nicht zu den klassischen Förderanträgen der EU zählt. Aber auch bei den regulären Subventionen stellt sich die Frage, ob das System gerecht ist. Insbesondere bei den Agrarförderungen, die immerhin 42 Prozent des gesamten EU-Budgets von 133,8 Mrd. Euro ausmachen, stellt sich diese Frage. In der amtlichen Broschüre „EU-Haushalt 2009“ heißt diese Budget-Position „Marktorientierte Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums“. Das weckt romantische Heimatgefühle beim Leser. Die Realität ist aber weit weg von jeglicher Romantik, denn aufgeteilt wird das Agrarbudget knallhart nach Größe des Betriebs, unabhängig davon, welchen ökologischen Beitrag der jeweilige Betrieb leistet.
(Illustration: Ernst Zdrahal )
In Deutschland kassiert nur ein Prozent der Großbetriebe 30 Prozent der EU-Agrarmittel, die nach Deutschland fließen, 75 Prozent der kleinen Landwirte müssen ebenso mit 30 Prozent zufrieden sein. Nach Österreich fließen 1,13 Mrd. Euro für die Landwirtschaft, auch hier ist das Verhältnis nicht viel anders. Insgesamt 233 Leistungsempfänger bekommen über 100.000 Euro Zuschuss, exakt 83.693 Kleinbetriebe bekommen weniger als 5.000 Euro. Darunter sind auch zahlreiche Marginalbeträge von ein paar hundert Euro, bei denen wahrscheinlich die gesamten Bearbeitungsgebühren im Durchlauf der Anträge von Österreich bis Brüssel höhere Kosten verursachen als die Auszahlungen an die Bauern ausmachen. Nachzulesen ist dies im Internet auf der vom Landwirtschaftsministerium eingerichteten Website www.transparenzdatenbank.at - denn seit Anfang 2009 müssen die Agrarförderungen der EU offengelegt werden.
Bei dem System kann es schon vorkommen, dass für riesige Flächen, die nicht wirklich bearbeitet werden, hohe Summen bezahlt werden. Die „Leistungsbezieher“ müssen nämlich keinen Leistungsnachweis über die Verwendung der Direktzahlungen erbringen. So ist einer der größten Agrar-Subventionsbezieher in Deutschland der Energie-Konzern RWE, der mit riesigen Schaufelradbaggern die Landschaft nach Braunkohle durchpflügt und diese Flächen dann wieder begrünt – mit Unterstützung der EU. Mit 10.000 ha, die nach Ausbeutung der Bodenschätze zu Landwirtschaftsfläche mutiert sind, zählt RWE eben zu den größten Bauern Deutschlands. Ein paar hunderttausend EU-Förderung braucht RWE offenbar dringend, denn der Konzern hat im Vorjahr einen Gewinn von 6,8 Mrd. Euro erzielt – mehr als die EU-Agrarförderungen für ganz Deutschland, die bei rund fünf Mrd. Euro liegen.
Nun finden die EU-Förderungen für RWE immerhin ihren Weg in die Landschaft. Noch viel kurioser sind aber Förderungen, die sich internationale Nahrungsmittelkonzerne abholen. Nestle – der Betriebsgewinn 2008 lag bei schlappen 10 Mrd. Euro – holt sich ein paar Mio. Körberlgeld von der EU, weil der Konzern von EU-Bauern Zucker und Milch bezieht. Die Globalisierungslogik des Konzerns: „Wir kriegen Geld von der EU damit wir auch weiterhin europäische Milch, europäischen Zucker kaufen können. Diese beiden Produkte sind auf dem Weltmarkt entschieden billiger. Und wenn die europäischen Bauern, deren Verarbeiter wir sind, diese Produkte weiter verkaufen wollen, dann muss jemand dafür sorgen, dass wir einen Rohstoff einkaufen können, der auf irgendeine Art verbilligt wird. Wenns diese Subvention nicht gäbe, dann müsste sich Nestle auf Rohstoffe beschränken, die anderswo produziert werden. Wir können Milch in Neuseeland, in Australien kaufen, dort haben wir nämlich auch Fabriken, und uns ausschließlich darauf beschränken diese Produkte auf den Weltmarkt zu bringen“, sagte ein Sprecher von Nestle in einem ARD-Interview.
„Marktorientierte Landwirtschaft“ heißt das im EU-Jargon. Davon profitieren übrigens auch einige profitable österreichische Lebensmittelkonzerne und -Vermarkter. Der Marmelade-Hersteller, nein laut EU heißt das Konfitüre, also kurz Darbo erhielt zuletzt knapp 400.000 Euro. Die Transparenzdatenbank erklärt dazu: „Beim Export gemeinschaftlicher Güter in Länder außerhalb der Europäischen Union werden den Exporteuren Ausfuhrerstattungen gewährt. Die Höhe der Ausfuhrerstattung wird auf Basis der Differenz zwischen dem Weltmarktpreis und dem innergemeinschaftlichen Preis berechnet.“ Die selben Erklärungen finden sich übrigens bei Agrana Fruit Austria GmbH (141.260 Euro) und Agrana Marketing- und Vertriebsservice GmbH (1,9 Mio. Euro). Die 914.731 Euro für die Agrana Stärke GmbH laufen unter „Marktordnungszahlung: Die Marktordnungen gewährleisten durch die Mengensteuerung auf den Agrarmärkten und direkte Abgeltung von Leistungen eine nachhaltige Produktion. Das bedeutet einerseits eine gesicherte Versorgung der Bevölkerung zu angemessenen Preisen, andererseits ein kalkulierbares Einkommen der bäuerlichen Bevölkerung.“
Angesichts der Tatsache, dass die Kleinbauern, die selbst täglich ihr Land bewirtschaften und so am stärksten zur Landschaftspflege beitragen, kaum EU-Förderungen bekommen, große Ländereien bis hin zu internationalen Großkonzernen aber riesige Summen kassieren, die sie wirtschaftlich gar nicht benötigen würden, stellt sich die grundsätzliche Frage der Sinnhaftigkeit dieses Subventionssystems. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sollte eine Subvention eine Unterstützung eines Schwächeren sein, solange bis er auf eigenen Beinen steht und sich selbst weiterhelfen kann. Doch Subventionen der EU sind vielmehr ewige Alimentationen, die sich nicht nach dem Bedarf der geförderten Betriebe richten, sondern lediglich nach deren Größe.
Warum ist der reiche Kontinent Europa eigentlich nicht imstande landwirtschaftliche Produkte zu Preisen zu verkaufen, dass die Bauern von ihren Produkten ohne Subventionen leben können? Die Subvention der Landwirtschaft scheint zu einem Gesetz geworden zu sein, das noch über den Naturgesetzen steht. Bekanntlich gibt es starke Lobbys – allein in Brüssel tummeln sich 15.000 Lobbyisten! – die kein Interesse haben, dass ihre Auftraggeber Geld verlieren. Doch wenn sich die EU weiter entwickeln soll, dann müssen ihre politischen Vertreter auch hin und wieder Grundsatzfragen stellen und damit auch den Status quo hinterfragen. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die Förderungen für hochprofitable Unternehmen gerechtfertigt sind, sondern schlicht ob sie gerecht sind.
Die EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger (Grüne) hat auf die Frage, wo sie Einsparungspotenzial sieht, nur eine äußerst schwammige Antwort gefunden: „Die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des EU-Haushalts steht vor dem Hintergrund tiefgreifender Krisen und zukünftiger Herausforderungen (z.B. Klimawandel, Energiefrage, soziales Europa) außer Zweifel. Es geht dabei nicht darum das EU-Budget radikal zu kürzen, sondern es sollte die Frage wie und wo das Geld am besten eingesetzt werden kann im Zentrum stehen. Vorschläge für eine Neugestaltung des EU-Haushaltes beginnen mit einer Änderung der derzeitigen Ausgabenstruktur in Richtung Nachhaltigkeit, Verbesserung der Verteilungswirksamkeit, Bildung sowie Bekämpfung von Armut in Europa. Dabei wird es in bestimmten Bereichen zu Einsparungen kommen müssen.“
Herbert Bösch, Abgeordneter der SPÖ im EU-Parlament, sieht weder Einsparpotenzial noch Einsparbedarf. „Der EU-Haushalt ist im internationalen Vergleich ein sehr kleiner. Die Verpflichtungen betragen lediglich 0,98 Prozent des Europäischen Bruttonationaleinkommens (BNE). Die Ausgaben der amerikanischen Bundesregierung belaufen sich beispielsweise auf 18,8 Prozent des BNE. Dennoch können Verwaltungen immer noch effizienter sein. Die entscheidende Frage ist aber weniger wo Einsparpotential liegt, sondern wofür die Mittel verwendet werden sollen. Die Sozialdemokratische Fraktion tritt für eine Stärkere Fokussierung der Ausgaben auf den Bereich Wachstum und Beschäftigung, den Ausbau der Europäischen Infrastruktur und den Bereich Bildung und Forschung ein, um den Europäischen Haushalt den zukünftigen Herausforderungen anzupassen.“
Abgesehen davon, dass die EU kein eigenes Bildungswesen und Gesundheitswesen, keine Beamte für innere und äußere Sicherheit hat, ist die EU wohl noch lange nicht mit der US-Bundesregierung zu vergleichen. Da ist der Abgeordnete Bösch mental schon weiter als die Regierungen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Der EU-Haushalt ist grundsätzlich nicht allzu hoch dotiert. Das Verhältnis zwischen den öffentlichen Haushalten der 27 Mitgliedsstaaten und dem EU-Haushalt beläuft sich auf 48:1. Die Aufteilung des EU-Budgets im Detail: 42 Prozent des EU-Budgets von 133,8 Mrd Euro fließen in die Landwirtschaft und 45 Prozent werden für die sogenannte Kohäsion aufgewendet, darin sind Ausgaben für Forschung, Beschäftigung und Regionalentwicklung enthalten. 1 Prozent steht unter dem Titel „Freiheit, Sicherheit und Recht“, 6 Prozent sind der EU Globale Partner wert und 6 Prozent gehen für die Verwaltung drauf. Laut offizieller Statistik – EU-Rebell Hans-Peter Martin ist anderer Meinung (siehe Interview).
Ein Einsparpotenzial von bescheidenen 250 Mio. Euro könnte die EU sofort lukrieren, wenn sie den monatlichen Wanderzirkus des EU-Parlaments zwischen Brüssel und Straßburg stoppen würde. Einmal pro Monat fährt eine Kolonne von Sattelschleppern voll mit Unterlagen aller EU-Parlamentarier und ihrer Mitarbeiter von Brüssel 500 km nach Straßburg, weil in grauer Vorzeit der EU diese zwei Parlamentsstandorte beschlossen wurden. Die Änderung dieses grotesken Zustandes ist nur einstimmig möglich. Und zumindest zwei Stimmen werden wohl in alle Ewigkeit gegen eine Abschaffung dieses Schildbürgerstreiches sein.
Interview mit dem EU-Abgeordneten Hans-Peter Martin
Wieviel kostet die Verwaltung der EU, der Beamtenapparat, pro Jahr?
Das haben mein Büroleiter Martin Ehrenhauser und ich sehr genau recherchiert. Offiziell ist ja immer nur von etwa 6 Prozent die Rede. Das ist aber nachweislich falsch. Denn sehr oft rechnet die EU Verwaltungsausgaben in die "operativen Programme" hinein. Offiziell heißt es dann zwar, dass zum Beispiel 5 Millionen Euro für ein bestimmtes Forschungsprojekt ausgegeben werden, bei genauem Hinsehen stellt sich aber heraus, dass bis zu 85 Prozent dieser angeblichen "Forschungskosten" in Wirklichkeit Verwaltungsausgaben sind. Darum beträgt nach unseren Schätzungen der Verwaltungsaufwand der EU mehr als 10 Prozent, mithin zumindest 15 Mrd. Euro. Davon könnte bei einer vernünftigen Verwaltung locker die Hälfte eingespart und für sinnvoll Sozialprojekte investiert werden.
Wieviel verdienen die EU-Abgeordneten in Summe pro Jahr?
Viel zu viel. Jeder EU-Abgeordnete kann jedes Jahr netto mehr einstreichen als jeder europäische Regierungschef netto verdient, sofern der/die Abgeordnete die ganzen EU-Zulagen- und EU-Spesentöpfe ausnützt. Ich tue das nicht, sondern halte mich an einen Ehrenkodex. Dadurch habe ich in den 10 Jahren meines EU-Abgeordnetenmandats nachweislich auf mehr als 600.000 Euro an Zahlungen bzw. Ansprüchen verzichtet. Das beginnt mit dem Verzicht auf jede Nutzung des chauffierten Limousinenservices für Abgeordnete und reicht bis zum Verzicht auf die EU-Luxus-Zusatzpension, auf die etwa der SPÖ-Abgeordnete Herbert Bösch oder auch der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas sehr wohl zugreifen.
Wo sehen Sie Einsparpotenzial in der EU?
Überall. Man könnte auch mit der Hälfte der 144 Mrd. Euro (Anmerkung d. Red: laut offiziellen Angaben der EU 133 Mrd. Euro) Jahresbudget die sinnvollen Ziele erreichen, um mit der anderen Hälfte entweder neue andere sinnvolle Aufgaben finanzieren - und in jedem Fall den Nettobeitrag Österreichs, abschaffen.
Wieviel bekommt Österreich von der EU zurück?
Das hängt davon ab, wie viele der Mittel für das jeweilige Jahr in Österreich wieder in EU-Projekte bzw. als Subventionszahlungen zurückfließen. Der Nettobeitrag Österreichs, also die Differenz zwischen Zahlungen nach Brüssel und Rückflüssen nach Österreich, beträgt nach den mir vorliegenden Schätzungen in EU-Dokumenten ab dem Haushaltsjahr 2008 etwa 800 Millionen Euro jährlich. Das ist wesentlich mehr als in früheren Jahren, weil im Rahmen der geltenden "Finanziellen Vorausschau 2007 bis 2013" nun wesentlich weniger Gelder nach Österreich zurückfließen als früher. Das hat viel mit der Umschichtung der Finanzmittel in die neuen Mitgliedsstaaten nach der Erweiterung 2004 zu tun.
Wie wollen Sie Einsparpotenziale in der nächsten Periode umsetzen?
Falls die Bürgerliste Martin wieder zur Wahl antritt, wird sicher jeder Kandidat massiv für sinnvolle Einsparungen im oben genannten Sinne kämpfen. In der ablaufenden Legislaturperiode 2004 bis 2009 konnte ich allein nachweislich mehr als 100 Millionen Euro dem Steuerzahler einsparen und wohl eine Reihe von sinnlosen EU-Projekten und EU-Privilegien verhindern, die ohne mein positives Lästigsein ansonsten beschlossen worden wären. Ich bin überzeugt, dass jeder weitere gewählte Mandatar der Bürgerliste Martin ähnliche Erfolge erzielen kann.
Die Bunte Zeitung 2/2009 (April/Mai)
Beiträge zur Wirtschaftsethik erscheinen seit 2014 im Unternehmermagazin a3ECO, siehe