logo

bild

 

Den Namen Noam Chomsky kennt jeder, obwohl kaum jemand die Fachbücher dieses Linguisten gelesen hat. Bekannt ist er vor allem als Kritiker des herrschenden politischen Systems, insbesondere des amerikanischen Imperialismus. In seinem Buch „Wer beherrscht die Welt? Die globalen Verwerfungen der amerikanischen Politik“, das 2016 erschienen ist, lässt er keine Zweifel offen, wie seine Antwort lautet. Daraus möchte ich kommentarlos zitieren, denn Noam Chomsky ist immer noch eine der wichtigsten kritischen Stimmen unserer Zeit, der man aufmerksam zuhören sollte.

 

Screenshot 2Chomsky 500

 

Über die Verantwortung der Intellektuellen

„Die Unterscheidung zwischen zwei Kategorien von Intellektuellen liefert das Bezugssystem, das uns gestattet, die ‚Verantwortung der Intellektuellen‘ zu bestimmen. Ist damit ihre moralische Verantwortung gemeint, die sie als anständige Menschen wahrnehmen, indem sie ihre Privilegien und ihren Status dazu nutzen, um sich für Freiheit, Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit, Frieden und ähnliche Anliegen einzusetzen? Oder bezieht sie sich auf die Rolle, die man von ihnen als ‚technokratischen und politisch orientierten Intellektuellen‘ erwartet – soll heißen, dass sie die gesellschaftlichen Eliten und etablierten Institutionen nicht in den Schmutz ziehen, sondern ihnen, dienen? Da sich die Macht meist durchsetzt, gilt in der Regel die letztere Kategorie als die der ‚verantwortlichen Intellektuellen‘, während erstere abgelehnt und verleumdet wird – im eigenen Land versteht sich.“ (S. 18 f)

Auf diese Weise wird der Ehrentitel ‚Dissident‘ selektiv verwendet. Denn er gilt mit seinen positiven Konnotationen natürlich nicht für wertorientierte Intellektuelle im eigenen Land oder für solche, die US-gestützte Diktaturen im Ausland bekämpfen.

 

Über Nelson Mandela

Betrachten wir den Fall Nelson Mandela, der erst 2008 von der offiziellen Terroristenliste des Außenministeriums gestrichen wurde, so dass er ohne Sondergenehmigung in die Vereinigten Staaten reisen durfte. Zwanzig Jahre zuvor war er laut einem Pentagon-Bericht noch der kriminelle Anführer einer der weltweit ‚berüchtigsten Terrorgruppe‘ gewesen. (S.19).

(Randbemerkung HT: Mandela musste aufgrund seiner Aktivitäten gegen die Apartheidpolitik in seiner Heimat 1963 bis 1990 insgesamt 27 Jahre als politischer Gefangener in Haft verbringen. 1993 erhielt er den Friedensnobelpreis und 1994 bis 1999 war er der erste schwarze Präsident Südafrikas).

Der Beitrag Kubas bei der Befreiung Afrikas und der Beendigung der Apartheid wurde von Nelson Mandela hervorgehoben, als er endlich aus dem Gefängnis entlassen wurde. Zu seinen ersten Handlungen zählte die Erklärung, dass ‚Kuba während aller meiner Jahre im Gefängnis eine Inspiration und Fidel Castro ein Turm der Stärke gewesen sind. … Die kubanischen Siege zerstörten den Mythos der Unbesiegbarkeit der weißen Unterdrücker und inspirierten die kämpfenden Massen von Südafrika. … Welches andere Land kann auf eine Geschichte größerer Selbstlosigkeit verweisen als Kuba in seinen Beziehungen zu Afrika?‘ (S. 268f)

In Angola taten sich die Vereinigten Staaten mit Südafrika zusammen; gemeinsam gewährten sie Jonas Savimbis terroristischer UNITA-Armee die entscheidende Unterstützung. … Trotz der von den USA unterstützten weitreichenden mörderischen Terroroperationen in Angola trieben kubanische Truppen die südafrikanischen Aggressoren aus dem Land, zwangen sie, das illegal besetzte Namibia zu räumen und ebneten den Weg zu allgemeinen Wahlen in Angola. Nach seiner Wahlniederlage erklärte Savimbi, …. dass die Wahlen … ‚frei und fair verlaufen‘ seien … und setzte seinen terroristischen Krieg mit amerikanischer Unterstützung fort. (S. 268)

 

Über Folter

Folter wurde seit den Anfängen der Eroberung amerikanischen Territoriums gewohnheitsmäßig angewandt und blieb ein fester Bestandteil der Politik, als sich die imperialen Bestrebungen des ‚Imperiums im Kindesalter‘, wie Georg Washington die neue Republik nannte, auf die Philippinen, Haiti und andere Gebiete ausdehnten. Dabei sollten wir uns klarmachen, dass die Folter noch das Geringste der vielen Verbrechen ist, die (wie Aggression, Terror, Subversion und wirtschaftliche Strangulation) ihre Schatten auf die Geschichte der USA und anderer Großmächte werfen. (S. 47)

Während der letzten sechzig Jahre haben Opfer weltweit das ‚Folter-Paradigma‘ der CIA erlitten, das Entwicklungskosten von einer Milliarde Dollar jährlich verschlang – so die Schätzung des Historikers Alfred McCoy in seinem Buch ‚A Question of Tortue‘. Darin zeigt er, dass Foltermethoden, die die CIA in den fünfziger Jahren entwickelt hatte, kaum verändert auf den berüchtigten Fotos aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib erkennbar waren. (S. 52)

Allan Nairn, dem wir einige der aufschlussreichsten und mutigsten Untersuchungen der Folterpraxis verdanken, berichtet: ‚Obamas Folterverbot stoppt anscheinend nur den kleinen Prozentsatz von Folterungen, die heute von Amerikanern ausgeführt werden, während die weitaus zahlreicheren Fälle in den Händen von Ausländern liegen, die unter der Schirmherrschaft der USA handeln. Obama könnte die Unterstützung ausländischer Streitkräfte, die foltern, einstellen, aber er hat sich entschieden, das nicht zu tun.‘ (S. 53)

Immer mehr Anhaltspunkte sprechen dafür, dass die Foltermethoden, die auf Geheiß von Dick Cheney und Donald Rumsfeld angewendet wurden, Terroristen produzieren. (S. 60)

 

Über Afrika

Für die USA und ihre Apologeten sind Afrikaner kaum mehr als die Ameisen, die wir zertreten, wenn wir die Straße entlang gehen. (S. 45)

Von diesen Faktoren abgesehen, dürfen wir auch nicht vergessen, dass die Gesellschaften der ‚Anglosphäre‘ – Großbritanniens und seiner Ableger – ursprünglich aus Sidelern und Kolonisten bestanden, die das Land unterdrückter oder praktisch ausgerotteter einheimischer Völker in Besitz genommen hatten. Diese einstigen Handlungsweisen müssen grundsätzlich richtig gewesen sein und im Fall der Vereinigten staaten sogar göttlichem Willen entsprochen haben. Infolgedessen empfindet man in diesen Ländern häufig eine intuitive Sympathie für die Kinder Istraels, wenn sie sich ähnlich verhalten. (S. 112 f)

Im Jahr 2006 fand in Palästina eine Wahl statt, die von internationalen Boebachtern als frei und fair bezeichnet wurde. Die unmittelbare Reaktion der Vereinigten Staaten und Israels – mit einem gefügigen Europa im Schlepptau – bestand darin, strenge Strafen gegen die Palästinenser zu verhängen, weil sie falsch gewählt hatten. Das ist nichts Neues. Vielmehr entspricht es dem allgemeinen Prinzip, das die Schulmeinung zugrunde legt, wonach die Vereinigten Staaten demokratische Entwicklungen unterstützen, wenn (und nur wenn!) sich die Ergebnisse mit ihren strategischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen vertragen. (S. 108)

In seinem schonungslosen Bericht über den Raubbau an Afrikas Reichtümern, To Cook a Continent, untersucht der nigerianische Dichter und Umweltschützer Nnimmo Bassey die neueste Phase in der endlosen Folter, die der Westen Afrika angetan hat. Eine Folter, die immer auf höchster Ebene geplant wurde … (134)

 

Über die Mission Amerikas

„Immer wieder brachten bedeutende Vertreter der USA die Überzeugung zum Ausdruck, Gott habe einen Plan für die Welt, und die Vereinigten Staaten verwirklichten ihn unter göttlicher Führung.“ (S. 111)

Es gibt Länder, die durch massive Gewalt Füchtlinge schaffen, etwa die USA, in zweiter Reihe Großbritannien und Frankreich. Dann gibt es Länder, die Flüchtlinge in großer Zahl aufnehmen, einschließlich jener, die vor westlicher Gewalt flüchten: neben andern in der Region sind das der Libanon – pro Kopf gerechnet mit Abstand an der Spitze - , Jordanien und Syrien, bevor es selbst implodierte. (342 f)

Wiederholte westliche Interventionen im Nahen Osten und in Afrika haben die Spannungen, Konflikte und Störungen verschärft, die die Gesellschaften erschüttern. Das Endresultat ist eine ‚Flüchtlingskrise‘, die der Westen kaum ertragen kann. … Europa stöhnt unter der Last der Geflüchteten aus den Ländern, die es in Afrika verwüstet hat – nicht ohne tatkräftige US-amerikanische Unterstützung, wie etwa Kongolesen und Angolaner bezeugen können. (344)

 

Soweit Originalzitate von Noam Chomsky. Eine Randbemerkung zum Schluss: im Jahre 2014 hat Henry Kissinger, Vertreter jenes Systems, das Chomsky so scharf kritisiert, das Buch „Weltordnung“ publiziert. Man sollte diese beiden Bücher parallel lesen, wenn man Amerika und seine Ideologie verstehen will.

 

Siehe auch:

Die absolute Corona-Herrschaft

Demonstranten sollten die EMRK lesen

Belarus-Austria: So geht Politik

 

Banner Philosophische Praxis