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Präambel: Ich bekenne meine Subjektivität, denn seit bald fünfzehn Jahren bin ich mit der Künstlerin Marina Janulajtite verheiratet, die ich für die bedeutendste lebende Vertreterin im Bereich zeitgenössischer christlicher Kunst halte. Wer immer diese Beurteilung für eine subjektive Fehleinschätzung hält ist herzlich willkommen mir objektive Argumente dagegen zu liefern.

Die Beziehung zwischen Kirche und zeitgenössischer Kunst ist in einem derart desolaten Zustand, dass dafür ein eigener Begriff kreiert werde muss: kirchostrophal. Die Kirchostrophe ist die ins Metaphysische gesteigerte Form der Katastrophe. Die Kirchostrophe ist mit irdischen Instrumenten nicht messbar wie Naturkatastrophen und daher mit irdischen Mitteln auch nicht zu beheben. Gott selbst steht der Kirchostrophe machtlos gegenüber.

Meiner Ankündigung, ich würde aufgrund untragbarer Methoden bei der Verleihung des Kardinal König Preises in Salzburg (im Jahr 2005) aus der Kirche austreten, trug mir eine Einladung zu einem „klärenden Gespräch“ mit Bischof Egon Kapellari nach Graz ein. Marinas Einreichung zum Salzburger Kardinal König Preis wurde im selben Kuvert unberührt zurückgeschickt, in dem sie abgesandt wurde. Den Preis erhielt schließlich Biennale-Teilnehmer Hans Schabus - der hatte zufällig ein paar Förderer in der Jury sitzen, die herzlich wenig interessierte, was die übrigen 340 Einreicher so zu bieten hatten.

Das „Gespräch“ mit Kapellari fand am 15. Dezember 2005 statt. Ich übergab dem Bischof einen Katalog von Marina. Darauf folgte ein Monolog des Bischofs, bestenfalls. In Wahrheit eine Suada, getragen von Selbstmitleid („Sie können sich nicht vorstellen, wie ich in Diskussionen beschimpft werde.“), Planlosigkeit („Sie dürfen nicht glauben, wir wissen so genau, was andere Diözesen machen.“) und Selbstgefälligkeit, die sich in absoluter Unfähigkeit äußerte, den Grund meiner Entrüstung verstehen zu wollen oder nachempfinden zu können. Nach einer halben Stunde verabschiedet sich der Bischof mit eine paar Buchgeschenken, darunter ein Katalog über die Preisträger des Kunstpreises der Diözese Seckau.

Das weckt die Hoffnung, dass Marina wenigstens bei diesem Award als ernst zu nehmende Kandidatin berücksichtigt wird. Nächster Termin 2007. Im Frühsommer erfahre ich auf Anfrage, dass der Bischof keinen Einfluss auf den Preis nimmt, sondern eine „fehlbare, aber selbständige Jury“ über die Auswahl der Kandidaten entscheidet. Dem Bischof schreibe ich darauf einen Brief: „Wie ich erfahren musste, ist es der Künstlerin Marina Janulajtite nicht vergönnt gewesen, auf die Kandidatenliste zu gelangen. Da Sie ihre Arbeiten kennen ist es mir völlig unverständlich, ob Sie sich hier in jungfräulicher Enthaltsamkeit üben wollten, oder ob Sie in böswilliger Absicht von einer Empfehlung Abstand genommen haben. Wenn es weder das eine, noch das andere war, so kann ich es nur als Dummheit interpretieren, wenn Sie als Kunst-Bischof nicht imstande sind zu begreifen, dass Marinas Arbeiten zu einer Aufwertung und Neubewertung der christlichen Kunst im 21. Jahrhundert beitragen könnten. Könnten, wenn die kirchlichen Instanzen ihr Schaffen dem ihr gebührenden Stellenwert einzuräumen bereit wären.“

Darauf antwortet der Bischof von Graz-Seckau am 24. Juli 2007: „Sehr geehrter Herr Thurnhofer! Ihr Brief vom 17. Juli ist von so vielen verbalen Untergriffen durchsetzt, dass Sie wahrscheinlich keine Antwort erwartet haben. Da ich aber die Bemühungen um die Förderung eines kultivierten Umgangs auch bei kontroversen Themen nicht aufgeben will und auch Ihnen diesbezüglich einiges zutraue, antworte ich trotzdem: Der Kunstpreis der Diözese Graz-Seckau wird entsprechend einem Statut vergeben, das mein bischöflicher Amtsvorgänger bestätigt hat und an dem ich nichts ändern möchte. Der Bischof gibt bei der Vergabe des Preises keinerlei Empfehlungen ab. Gleiches gilt übrigens für den Otto-Mauer-Kunstpreis der Erzdiözese Wien bezogen auf den Herrn Kardinal. Eine Intervention des Bischofs würde ihn in Konflikte unter christlichen wie unter nichtchristlichen Künstlern hineinziehen und dies wäre allseits schädlich. Die Jury arbeitet selbständig und ist wie jede Jury fehlbar und in ihrer Zusammensetzung bestreitbar.

Die von Ihnen geförderte Künstlerin Marina Janulajtite ist mir, soweit ich mich erinnere, nicht bekannt. Ich bin aber gerne bereit, ein Gespräch mit ihr zu führen. Sie hat als Künstlerin gewiss Besseres verdient als eine Unterstützung durch einen Brief in dem von Ihnen, Herr Thurnhofer, gewählten Stil.“

Ja, das hat sie. Meine Frage, was denn der Bischof unter „Gespräch“ verstehe, blieb ohne Antwort.

Anstelle eines Gespräches, eines echten Dialogs mit christlichen Künstlern instrumentalisiert die Kirche die Kunst, um sich u.a. mit Preisverleihungen ein liberales Mäntelchen umzuhängen. Ob es sich dabei um Scheinheiligkeit, Böswilligkeit oder einfach Dummheit handelt – einerlei, es ist jedenfalls symptomatisch für den Zustand der Kirche, die es nicht mehr wagt, das Göttliche mit gebührender Kraft zu unterstützen, mangels Bereitschaft, das Göttliche in der zeitgenössischen Kunst überhaupt noch (für) wahr zu nehmen. Mit dieser und anderen Preisverleihungen gibt sich die Kirche einerseits „basisdemokratisch“. Anderseits signalisiert sie damit, dass die Kunst für sie zu einem völlig nebensächlichen Randthema geworden ist, bei dem die „Basis“ über Preiswürdigkeit entscheiden darf. Bischöfe wollen sich mit diesem Randthema nicht mehr anpatzen, bloß nirgends anstreifen und sich möglicherweise bei der kritischen Öffentlichkeit noch blamieren. Mit den Worten Kapellaris: „Eine Intervention des Bischofs würde ihn in Konflikte unter christlichen wie unter nichtchristlichen Künstlern hineinziehen und dies wäre allseits schädlich.“

Bleiben den Eminenzen die wirklich wichtigen Themen wie Zölibat oder einzig wahre Nachfolge Christi, die nach wie vor ex cathedra von oben diktiert werden – auch wenn sich die Basis einen Dreck darum schert. Im August 2007 bin ich aus diesem Verein ausgetreten. Kapellari: „Da Sie selbst für das Göttliche in der Kunst so offensiv eintreten, darf ich auch hoffen, dass Sie das Göttliche in der Kirche nicht schlicht ignorieren, indem Sie die Kirche zum simplen Verein dagradieren.“ Den Preis der Diözese Seckau 2007 erhielt übrigens Lotte Lyon, aber das ist eine andere Geschichte .

Szenenwechsel: Die Künstlerin Valeria Schuwalowa ist 2002 unerwartet verstorben und hat u.a. drei Bilder zur Passion Christi hinterlassen. Nachdem ich diese Bilder von unglaublicher Tiefe und künstlerischer Intensität (im April 2008 in Riga) erstmals im Original gesehen und erlebt hatte, wandte ich mich an das Museum am Dom Würzburg mit der Frage, ob eine Möglichkeit eines Ankaufs bestehe. Die Antwort im Wortlaut: „Sehr geehrter Herr Mag. Thurnhofer, im Auftrag von Herrn Domkapitular Dr. Lenssen darf ich Ihnen mitteilen, dass wir leider keine Möglichkeit des Ankaufs von Bildern aus dem Nachlass von Frau Schulowa sehen, da das Museum am Dom keinen eigenen Etat besitzt. Mit freundlichen Grüßen, Jürgen Emmert“.

Wenn das Museum keinen eigenen Etat besitzt, wie kommt es dann in den Besitz einer beachtlichen Sammlung vom Mittelalter bis in die Gegenwart? Meine Frage an Herrn Emmert, ob es möglich sei zu erfahren, welche Stelle außerhalb des Museums über einen Etat verfügt um Ankäufe für das Museum zu tätigen, wurde schnell und lapidar beantwortet: „wir sind hier auf Stifter und Sponsoren angewiesen! Beste Grüße, Jürgen Emmert“. Basta! Kein Wort des Bedauerns, nicht eine winzige Andeutung von Hilfsbereitschaft, nicht der Hauch von Nächstenliebe, geschweige denn ein Lüfterl vom Geist, der da angeblich irgendwo in diesem Vereine weht. Nein, absolute Windstille.

Marina hat dem Museum am Dom Würzburg übrigens im Jahr 2005 ihre Arbeit „Himmelfahrt“ geschenkt. Das Museum hat die Arbeit bis heute nicht einmal ausgestellt. Geben ist seliger denn nehmen!

Wien, 18. April 2008

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