1. Dezember 2004 - Landeshauptmann Pröll hat einen Schatz im Silbersee gefunden! Wie das WirtschaftsBlatt (1. Dezember 2004) berichtet, verkauft das Land seine Firmenanteile an EVN, Uniqa, Hypo und Flughafen an eine Holding. Verkaufspreis: eine Milliarde Euro. 100-prozentiger Eigentümer der Holding, die kein Geld hat und den Deal deshalb mit Kredit finanzieren muss: Das Land Niederösterreich. Der Verkaufserlös wird in Aktien veranlagt und daraus erwirtschaftet das Land künftig einen Gewinn von zwei Prozent oder 20 Millionen Euro, so das WirtschaftsBlatt.
Ich vermute, dass dieser Deal beim Wahlvolk, insbesondere bei den Klein- und Kleinstbetrieben, zu einem Schneeballeffekt führen wird. Für einen Einzelunternehmer funktioniert der Deal folgendermaßen: Ich verkaufe mich an mich zum bescheidenen Preis von einer Million Euro und nehme dafür bei meiner Hausbank einen Kredit. Ich weiß jetzt nicht so genau, ob ich oder ich das Kreditrisiko tragen werde, aber das ist ja Nebensache, die Hauptsache ist, dass ich (also mein anderes Ich) die gewonnene Million so genial veranlagen werde, dass unterm Strich 20.000 Euro Gewinn bleiben (nach Kreditrückzahlung, Steuergewinn und Veranlagungserfolg, so wie es uns der Landeshauptmann vorgerechnet hat).
Nun ist es ein glücklicher Zufall, dass die Bewertung der vier Beteiligungen gerade eine runde Milliarde ausmacht, nicht etwa 937,5 Millionen, oder 1,29 Milliarden. So können nämlich auch finanztechnisch weniger begabte Landespolitiker nachvollziehen, dass der Reingewinn von zwei Prozent mit Leichtigkeit zu erwirtschaften sein wird. In absoluten Zahlen: 20 Millionen Euro zusätzlich für das Budget! Dagegen wird sich sicher kein Abgeordneter wehren. So einfach also überzeugt man die Opposition!
Dort, wo Gewinne prognostiziert werden, können bekanntlich im echten Wirtschaftsleben auch Verluste entstehen. Wer wird allfällige Verluste abdecken, falls die Aktienkurse in den kommenden Jahren nicht so fröhlich steigen wie in diesem Jahr, in dem die Modellrechnung durchgeführt wurde? Und wer wird dafür die politische Verantwortung übernehmen? Da das Wort „Verlust“ in der geplanten Konstruktion nicht vorkommt, kann sich der „pfiffige Erwin Pröll“ (Copyright WirtschaftsBlatt) auf andere Fragen konzentrieren: Wer wird die Holding leiten? Wer wird die Holdingbetriebe koordinieren? Wer wird in den Aufsichtsrat bestellt? Wer wird die Veranlagung übernehmen? Wer wird die Transaktionen kontrollieren? Die Antworten auf diese Fragen fallen dem Landeshauptmann sicher nicht schwer, Hauptsache ein Schwarzer kommt zum Zug.
Neuerscheinung: MORAL 4.0
ISBN 9783744890977