Anders als im Automobilmarkt, wo ein gutes Dutzend internationaler Konzerne den Weltmarkt bestimmen, wird der Kunstmarkt meist dominiert von "Nationalhelden". Man könnte überspitzt sogar sagen: Es gibt keinen Kunstmarkt, aber es gibt viele Kunstmärkte. Wie in einem dieser Kunstmärkte Künstler gepusht werden, lässt sich an dem "Kunst Guide" der österreichischen Wochenzeitschrift "Format" nachvollziehen. Hier werden Jahr für Jahr "Österreichs 100 beste Künstler" mit "Österreichs erfolgreichsten Künstlern" gleich gesetzt (zuletzt Format Nr 15, 14. April 2006), wobei die Milchmädchenrechnung "Künstlerische Bedeutung + kommerzieller Erfolg + Zukunftspotenzial = Rang des Künstlers" offenbar von keinem der Jurymitglieder als Maßstab in Zweifel gezogen wurde.
In dem "Kunst Guide" wird nirgends die Vorauswahl der 316 Künstler erläutert, die angesichts von 3.000 bis 4.000 arrivierten Künstlern in Österreich ziemlich willkürlich erscheint. Nirgends erläutert wird auch die Auswahl der 49 Jury-Mitglieder, 50 Prozent unter ihnen Galeristen, die mit diesem Rating klar erkennbare Eigeninteressen verfolgen. So darf man sich nicht wundern, dass die "Top 100" durch die Bank von eben diesen Galerien vertreten werden. Ein besonderes Naheverhältnis pflegen diese Galerien auch zu den Wiener Kunstuniversitäten. So hat oder hatte gut die Hälfte der "Top 50" an der Akademie oder an der Angewandten eine Professur. Der Wiener Schillerplatz wird so zum Zentrum der österreichischen Kunstwelt erhoben.
Ob die Akademie ein Garantieschein für dauerhafte Werthaltigkeit der Künstler-Professoren ist, darf bezweifelt werden, denn die in den 1970er Jahren marktdominanten und die Akademie dominierenden Künstler, die als "Phantastische Realisten" österreichische Kunstgeschichte geschrieben haben, scheinen in dem Ranking von 2006 nicht mehr auf, obwohl viele von ihnen noch leben. Dagegen dürfen die längst verstorbenen Künstler Rudolf Schwarzkogler, Fritz Wotruba und Georg Eisler in dieser Liste nicht fehlen. Kurios, aber wahr: 18 Prozent der 100 wichtigsten lebenden Künstler sind laut Format-Rating tote Künstler. Symptomatisch: Eine Hildegard Joos, die Jahrzehnte ihres langen Lebens buchstäblich am Hungertuch nagen musste, wurde überhaupt erst wahrgenommen, nachdem sie verstorben war. Ihr Tod brachte ihr im Jahr 2005 gleich den Sprung auf Platz 73, ein Jahr später ist sie dem Vergessen schon wieder sehr nahe und konnte sich mit Platz 98 gerade noch unter den Top 100 halten.
Lehmden, Fuchs, Brauer, Hutter und Co. zählen demnach weder zu den besten, noch zu den erfolgreichsten österreichischen Künstlern der Gegenwart. Die enzige phantastische Ausnahme bildet Rudolf Hausner auf Rang 81. Für ihn könnte gelten: Nur ein toter Phantast ist ein guter Phantast. Dessen Tochter Xenia, die schon lange international reüssierte, aber in Österreich bislang selten zu sehen war, konnte sich mit einer Ausstellung im Kunsthaus Wien wieder in Erinnerung rufen und siehe da, sie landete damit als Neunominierung im Jahr 2006 auf Rang 74. Ähnlich der internationale Star Gottfried Helnwein, der erst mit seiner Ausstellung im Linzer Lentos wieder wichtig genug erschien, um in diesem Jahr auf der österreichischen Bestenliste auf Rang 66 zu landen.
Die Frage, ob man Kunst national pushen kann, ist damit einfach zu beantworten: Ja, man kann, wenn man sich in den richtigen Juroren-Kreisen bewegt.
WEITERE INFOS siehe:
DIE KUNSTMARKT-FORMEL
ISBN 978-3-7357-7052-3
Print: 19,90 Euro, E-book: 10,99 Euro
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