Einflussreiche Marketmaker würden bestreiten, dass man mit gewöhnlichen Marketing-Methoden oder gar mit Marketing-Tricks einen Künstler "machen" kann. Der Direktor des Bonner Kunstmuseums, Dieter Ronte, meint etwa: "Der ökonomische Wert von Kunst ergibt sich als ein Konsens von Experten und Kunstkennern, der nicht diktiert werden kann und sich nur langsam aufbaut." (ArtInvestor, S. 20) Und weiter: “Der wirtschaftliche Wert eines Kunstwerks oder des Oeuvre eines Künstlers steht und fällt mit seiner Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit kann man nicht fabrizieren. Sie wächst im Laufe der Zeit allmählich heran." (ArtInvestor, S. 44)
Die Bewertung eines Kunstwerkes wird laut Ronte ausschließlich von Insidern vorgenommen, die dafür "eigene Codes und Sprachen" (Artinvestor, S. 46) entwickelt haben. Wer diese Codes nicht beherrscht, kann auch den Bewertungsprozess nicht nachvollziehen und schon gar nicht an dem Bewertungsprozess teilnehmen. Wenn Ronte vom "ökonomischen Wert" spricht, so intendiert er, dass der durch Glaubwürdigkeit induzierte ökonomische Wert ident sei mit dem künstlerischen Wert des jeweiligen Werkes. In dieser Vermischung von zwei völlig unterschiedlichen Wertesystemen liegt die Hauptursache für die von vielen Beobachtern als undurchschaubar empfundenen Gesetze des Kunstmarkes.
Um den Kunstmarkt zu verstehen, muss man den Begriff "Bewertung" analysieren und differenzieren. Die Bewertung eines Gebrauchtwagens etwa führt nach allgemein üblichen Kriterien zu einem Preis, den in der Regel zwar Fachleute vorgeben, den Laien aber jederzeit nachvollziehen können. "Preisbildung" und "Bewertung" sind in diesem Falle Synonyme, d.h. der Preis bildet den Wert des Gebrauchtwagens ab. Preisbildung und Bewertung eines Kunstwerkes sind dagegen, auch wenn sie irrtümlich meist synonym verwendet werden, zwei völlig unterschiedliche Prozesse: Der Wert eines Kunstwerkes wird durch den Schöpfungsprozess des Künstlers hervorgebracht, dieser Wert an sich kann sich auch nicht ändern. Ändern kann sich nur der Preis für jedes Kunstwerk, das heißt, ändern kann sich nur der Wert für den Käufer.
Anders gesagt: Aus der primären künstlerischen Wertschöpfung entwickelt sich eine sekundäre ökonomische Wertschöpfungskette, sofern der Künstler den Markteintritt geschafft und einen breiten Zugang zum Markt gefunden hat. Preis und Wert des Kunstwerkes sind dabei völlig unterschiedliche Dinge, deshalb wäre es richtig, im ökonomischen Kontext von der "Preisbildung" der Kunstwerke anstatt von deren "Bewertung" zu sprechen. Die Marketmaker, dazu zählen auch die Museumsdirektoren, die sich gerne als Markt-unabhängige, übergeordnete Instanzen sehen, in Wahrheit aber sehr viel Geld bewegen, können mit ihren Marketing-Aktivitäten wie Publikationen, Ausstellungen und Kunstmessen sehr viel bewegen und investieren dafür entsprechend viel Zeit und Geld. Somit ist das Marketing für die Bewertung eines Kunstwerkes zwar unerheblich, für die Preisbildung jedoch wichtiger als in jedem anderen Markt.
WEITERE INFOS siehe:
DIE KUNSTMARKT-FORMEL
ISBN 978-3-7357-7052-3
Print: 19,90 Euro, E-book: 10,99 Euro
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