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Kürzlich ist es mir gelungen, rund 40 KünstlerInnen des ACB Art Club Berlin zu brüskieren. Geladen war zum public discourse über das Thema „Tatort Kunstmesse“. Die Diskussion drehte sich bald um die Frage, was denn zu tun sei, um den Kunstmarkt zu beleben. Ein Sammler aus dem Publikum monierte, es gebe zu wenig „Qualität“ in der schier unüberschaubaren Berliner Kunstszene. (Schätzungen reichen von 400 bis 500 Galerien in Berlin.) Eine andere Teilnehmerin kritisierte, dass nur wenige Klüngel an die öffentlichen Förderungen ran kämen.

Ich stellte dazu zwei harmlose Fragen: Wer von den Anwesenden kauft Kunst? Und wer sammelt Kunst? Es waren jeweils zehn, zwei Mal dieselben zehne! Das versteht sich nicht von selbst, denn insbesondere KünstlerInnen könnten ja Kunst auf dem Tauschwege erwerben und sammeln. Jedenfalls fühlte sich die Mehrheit vorgeführt, als ich darauf hinwies, dass von 100 Prozent derer, die sich für Kunst interessieren, nur 25 Prozent kaufen. „Wir sind ja selbst Produzenten“, empörte sich die bis dahin schweigende Mehrheit. Was mich nicht beeindruckte, denn: hat schon jemand einen Schriftsteller kennen gelernt, der öffentlich erklärt, er kaufe keine Bücher, weil er selbst welche schreibe?

„Die Mehrheit will Kunst nicht kaufen, sondern konsumieren“, stellte eine Teilnehmerin klar. Ich gestehe, diesen Unterschied kannte ich bislang nicht. Der Konsument zieht sich also mal Kino mal Kunst, mal Kaffee mal Kokain rein um vorübergehend high zu sein, aber er weiß, was ihn heiß macht, kann er nicht besitzen. Oder will er es nicht besitzen? Ich habe den Verdacht: der Kunst-Konsument ist grundsätzlich darauf eingestellt, Kunst nicht zu kaufen.

Die Krise des Kunstmarktes beginnt somit schon beim Kunstproduzenten. Viel wird über Kunst als Anlage diskutiert. Besser wäre es über Kunst als Währung zu diskutieren, als alternative Währung zu Geld. Wer die letzten fünf Jahre nicht völlig verschlafen hat, dürfte mittlerweile wissen, dass Geld von den Banken aus Luft geschaffen wird und nur noch deshalb in der heutigen Form in Umlauf ist, weil immer noch die Mehrheit darauf vertraut. Blind vertraut. Die Vertrauensbasis wird aber zunehmend dünner. Für die Sehenden eröffnet die Kunst ungeahnte Möglichkeiten, denn genauso wie Geld kann man Kunst aus Luft schaffen, ausgerüstet lediglich mit Ideen und Kreativität. Und das völlig legal!

Jede Währung basiert auf zwei Prinzipien: Vertrauen und Umlauf. 1000 Euro im Sparstrumpf sind genauso wertlos wie 1000 Milliarden Simbabwe-Dollar, dem aufgrund der Hyperinflation kein Mensch mehr vertraut, nicht einmal die eigene Regierung. Da ist es meines Erachtens keine utopische Idee, wenn Künstler selbst beginnen auf Tauschbörsen ihre ureigenste Währung in Umlauf zu bringen. Vom Tausch können sich die beteiligten Künstler zwar noch nichts kaufen, aber sie erhöhen die Chance, dass sie etwas im Atelier haben, das der Eigentümer dessen will, was sie gerade brauchen, aber nicht mit normalem Geld zahlen können. Diversifizierung heißt das in der Realwirtschaft. Und Bartergeschäfte sind auch in anderen Branchen üblich.

Dafür ist ein Bewusstseinswandel notwendig, und eine Basisbewegung. Zum Bewusstseinswandel gehört die Erkenntnis – richtiger: das Bekenntnis - Künstler, die keine Werke anderer Künstler besitzen sind Banausen, so wie Schriftsteller, die keine Bücher anderer Autoren besitzen! „Tauschen tu ich schon, aber das hat ja nichts mit Sammeln zu tun“, sagte mir eine Künstlerin nach der erwähnten Diskussion. Auch hier ist ein Bewusstseinswandel notwendig. Die Vorstellung, dass nur unsere Liaunigs und Essls „echte“ Sammler sind, ist zu überdenken. „Echte“ Sammler sind eben nicht jene, die ihre Schätze horten, sondern jene, die sich von alten Stücken trennen, um für neue Ideen Platz zu bekommen.

Besonders für DruckgrafikerInnen eröffnen sich mit dieser „Währungsreform“ neue Perspektiven. Dies soll kein Aufruf zur Produktion von Blüten sein, sondern eine Aufforderung, die eigenen Produktionen zum Blühen zu bringen. Noch eine letzte Aufforderung zum Bewusstseinswandel: Vergesst eure komplexbeladene Unschuldsformel „Ich will ja niemanden etwas aufdrängen“. Nur mit ein bisserl Druck können wir die ewigen Schauer, die nur konsumieren wollen, zu Käufern machen, die Kunst auch gerne nach Hause mitnehmen wollen.

Erschienen in: UM:Druck Nr 24, Oktober 2013

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