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Erstmals in meinem Kritikerleben – sofern ich aufgrund meiner Kommentare im UM:Druck überhaupt den ehrenwerten Titel eines Kunstkritikers beanspruchen darf – schreibe ich über eine Ausstellung, die ich nicht besucht habe und auch sicher nicht besuchen werde. BLUMEN FÜR KIM IL SUNG – noch bis 5. September im Wiener MAK.

Vor zwei Jahren war ich in Riga zur Eröffnung einer Ausstellung, die dem Sozialistischen Realismus gewidmet war. Fast 20 Jahre nach dem Ende einer politischen Epoche hat diese Schau gezeigt, dass in der Kunst der Sowjetunion nicht alles ideologisch durchsetzt war, und dass viele Werke, die den Arbeiter- und Bauernstaat idealisiert haben, immer noch künstlerisch wertvoll sind, wenn man das ideologische Element von diesen Werken subtrahiert. So wird man vielleicht auch die aktuelle Kunst Nordkoreas in 100 Jahren, dann wenn die ganze Welt miteinander in harmonischer Eintracht leben wird, rückblickend als Teil eines Neobiedermeier interpretieren, das von Leipzig bis Pyongyang in unterschiedlichen Variationen zu Beginn des 21. Jahrhunderts vorherrschend war. Anders gesagt: die Bildinhalte dieser Ausstellung sind irrelevant.

Die zentrale Frage lautet: wozu zeigt uns Direktor Peter Noever Nordkoreakunst und erklärt uns dazu lapidar: „Zu sehen ist eine fremde Kultur, die durch die allumfassende Verehrung des 1994 verstorbenen „Ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung und des derzeit regierenden Staatsoberhaupts, seines Sohnes Kim Jong Il bestimmt wird und von der Juche-Ideologie, einer spezifischen Interpretation des Sozialismus, geprägt ist. Kim Il Sung passte die traditionelle Marxismus- Leninismus-Lehre der koreanischen Situation an. Die so entstandene Juche-Ideologie legt den Historischen Materialismus als Voluntarismus aus und betont dabei die Eigenständigkeit in ideologischer, politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht. Der koreanische Nationalismus nimmt hierbei eine zentrale ideologische Stellung ein.“

Und die Frage ist auch: warum fällt unserer Ministerin für Kunst, die laut Medienberichten bei der Eröffnung war, dazu nichts, absolut überhaupt nichts ein? Genau vor einem Jahr habe ich an der Stelle darauf hingewiesen, dass sich Claudia Schmied als Kunstministerin ausschließlich mit Gratulationen und Kondulationen beschäftigt. Diese Politik hat sie konsequent fortgesetzt, hat in den vergangenen zwei Monaten Valie Export das Große Goldene Ehrenzeichen umgehängt, zum Tod von Luise Bourgeios kondoliert, Sabine Breitwieser zur neuen Aufgabe als MoMa-Chefkuratorin gratuliert und ganz nebenbei eine Ausstellung im Austria Cultural Forum in New York eröffnet. (Alles in ihren Pressedossiers nachzulesen.) Gut, die Direktion des Mumok hat sie neu besetzt und die Direktorin des Belvedere hat sie bis 2016 verlängert. Was wird sie wohl mit dem Vertrag von Noever machen? In guter nordkoreanischer Tradition wäre es angebracht, Noever auf Lebenszeit zu verpflichten. Aber das ist eine Nebenfront. An der Hauptfront – im kunstpolitischen Diskurs - herrscht Funkstille.

So bringt mich Claudia Schmied in die Zwickmühle, das erste Mal in meinem Leben einer FPÖ-Kritik zustimmen zu müssen: "Es geht nicht um die Kunstwerke an sich, sondern darum, dass die Ausstellung ein menschenverachtendes Regime mit dessen Diktatoren Kim Il Sung und seinem Sohn Kim Jong Il verherrlicht. Die Demokratische Volksrepublik Korea ist der am stärksten abgeschirmte kommunistische Staat der Welt, deren Diktatoren Millionen von Menschen auf dem Gewissen haben. Es handelt sich hier um ein Land, in dem die Todesstrafe auf nicht weniger als 47 Straftaten steht; Exekutionen, Lager, öffentliche Hinrichtungen, Deportationen, Zwangsarbeit und Folter stehen auf der Tagesordnung. Im Zusammenhang mit dieser Ausstellung gibt es weder von der zuständigen Bundesministerin Claudia Schmied noch vom Direktor des MAK Peter Noever ein einziges kritisches Wort zum Leid der Menschen in Nordkorea. Im Gegenteil. Das Geleitwort zum Ausstellungskatalog ist positiv gehalten und die Verbrechen dieses Regimes bleiben unkommentiert. Dabei wäre es ihre Pflicht als Ministerin einer westlichen Demokratie deutliche Worte gegen die Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea zu finden", so die Kultursprecherin der FPÖ, Heidemarie Unterreiner.

Amnesty International charakterisiert das Juche-Regime so: "Die diktatorisch vom Familienclan der Kims regierte „Demokratische Volksrepublik Korea“, in der Militär und Geheimdienst in allen Lebensbereichen enormen Einfluss besitzen, geht mit äußerster Brutalität gegen jede Andeutung von Opposition vor. … Nordkorea ist eines der Länder, in denen sämtliche Menschenrechte aufs gröbste verletzt werden. Und mit dem gegenwärtigen Konfrontationskurs der Weltgemeinschaft gegenüber verschärft sich die Lage für den Großteil der Bevölkerung weiter."

Wenn eine Ausstellung den Besuchern die Möglichkeit geben soll, sich ernsthaft mit einer „fremden Kultur“ auseinander zu setzen, dann kann das Umfeld, dann können die Produktionsbedingungen dieser Kunst nicht einfach ausgeblendet werden. Wer das macht, tut das wider besseres Wissen. Dass ein Peter Noever, der in Bezug auf die österreichische Politik noch nie mit Kritik gespart hat, ausgerechnet einem der übelsten lebenden Diktatoren in den Arsch kriecht, ist eine einmalige Bereicherung der österreichischen Kultur- und Sittengeschichte.

Hubert Thurnhofer

UM:Druck 2/2010 - Juni

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