Wie bastelt man eine Kunstzeitschrift? Man sucht sich ein paar Unternehmen, vorzugsweise aus dem Finanzsektor, die man mit anderen Medien des Verlags noch nicht ausreichend ausgegriffen hat, erklärt den Banken und Versicherungen, dass sie sich in einem exquisiten redaktionellen Umfeld mit dem Mäntelchen der schönen Künste schmücken können, sucht sich im Verlag ein paar Schreiberlinge, die im Stande sind das Wort „Kunst“ von vorn und von hinten zu buchstabieren, bringt den Output, den Redaktion und Anzeigenabteilung innerhalb von drei Wochen zusammen schustern in ein Layout das dem Anspruch „modern aber nicht zu zeitgeistig“ gerecht wird, presst die Arbeit der Grafikabteilung auf Hochglanzpapier und versendet das Endprodukt als „exklusiven Vorteil“ an alle WirtschaftsBlatt-Abonnenten und Abonnentinnen.
Soviel zu den organisatorischen Herausforderungen, denen der Verlag mit dem programmatischen Namen „How to spend it“ gegenüber gestanden ist. Fehlen noch ein paar inhaltliche Richtlinien, die man schlauer Weise aber nicht weiter definiert, denn das würde mindestens eine Redaktionssitzung erfordern, in der solche Kriterien diskutiert werden, die mangels Chefredakteur aber nicht einberufen werden kann und abgesehen davon nur Zeitverschwendung wäre. Statt dessen ruft man 10 Leute an, die in der Kunstszene – auch wenn man sie unter keinen Umständen sehen will – nicht zu übersehen sind und holt diese als Jury an Bord, die dann auch gleich „Die 100 Mächtigen“ der österreichischen Kunstszene wählt. Wie gnadenlos selbstkritisch dieses Ranking durchgeführt wurde beweist die Tatsache, dass nicht alle 10 Juroren unter den „Top 10“ zu finden sind, sondern manche der 10 Juroren erst auf den Rängen 11-100, wobei diese allerdings nicht mehr numerisch, sondern etwas unverfänglicher alphabetisch gereiht wurden.
">Hinter den üblichen Verdächtigen Essl, Weibel, Köb und Leopold schafft es Gabriela Gantenbein auf Platz fünf unter den „Top 10“. Nun ist Gantenbein eine umtriebige, höchst sympatische und für österreichische Verhältnisse erfreulich unbefangene Kunstexpertin. Doch Österreichs Szene hat sie erst vor wenigen Monaten als Leiterin der im April 2005 erstmals stattfindenden „ViennAfair Kunstmesse Wien“ betreten. Im Vergleich dazu ist ein gewisser Kurt Jirasko, der im Oktober zum zehnten Mal die Kunst Wien durchgeführt hat, oder eine gewisse Johanna Penz, die heuer zum achten Mal die Art Innsbruck erfolgreich über die Bühne gebracht hat, den Juroren nicht einmal eine Erwähnung wert. Dass die gesamte Chefpartie des Galerienverbandes von der Kunst Wien zur ViennAfair gewechselt ist und sich dort umgehend im Beirat eingenistet hat, wird damit wohl kaum etwas zu tun haben!
Soweit die wesentlichen Inhalte einer Jubelbroschüre, die sich das Erscheinungsbild einer Zeitschrift verpasst hat, womit dem Leser unverblümt eine periodische Wiederkehr angedroht wird. Fehlt zu guter letzt noch der passende Titel. „Die Grand Dame der österreichischen Galerienszene“ hielt kunst.aktionisten für geeigent, während die „Galeristin, die aus der Wirtschaft kam“ für kunst.gewerbe plädierte. „Der Mann mit den besten innerösterreichischen Netzwerken zu Unternehmen und Medien“ schlug kunst.lab vor. kunst.siemens, kunst.evn, kunst.strabag, kunst.asfinag, kunst.bawag, kunst.kommunalkredit und kunst.frankstronach waren Vorschläge, die aus der Wirtschaft gekommen sind. Von dieser Seite wollten sich die Nummer 7 und die Nummer 10 der Top 10 jedoch nicht vereinnahmen lassen. Top 7, seines Zeichens „einer der aktivsten und engagiertesten Galeristen“, der jene Künsterlin im Programm führt, die seit „der inzwischen legendären Masturbationsshow 1994“ nicht mehr aus der österreichsichen Szene weg zu denken ist, sowie Top 10, der „mit der Künstler-Boygroup Gelatin einen hochkreativen Aktivposten im Programm“ hat – nicht nur hochkreativ sondern auch hocherektiv – diese beiden Topgaleristen haben sich schnell auf einen Titel geeinigt: kunst.masturbator.
Und dabei wäre es aufgrund der damit gefundenen Mehrheitsverhältnisse (2 gegen 1 gegen 1 gegen 1 gegen 1 ...) geblieben, wäre nicht kurz vor Start der Druckmaschinen der Herausgeber aus seinem Koma erwacht. Geweckt hat ihn ein Anruf aus der Chefetage des WirtschaftBlattes, die anfragen ließ, wann denn das „einzigartige Produkt“, das gerade „in enger Zusammenarbeit mit dem WirtschaftsBlatt“ entstehe, die „schon lange offene Lücke am Markt“ nun endlich schließen werde. Denn schließlich sei es höchst an der Zeit, den WirtschaftsBlatt Abonnenten und Abonnentinnen „Anregungen zu geben und Möglichkeiten zu präsentieren, die ihr Kunst-Investment wirklich lohnenswert machen“. So also ist es zu erklären, dass Ende Oktober alle WirtschaftsBlatt-Abonnenten die Zeitschrift „kunst.investor“ in ihrem Briefkasten gefunden haben, darin jedoch keinen einzigen Artikel, der auch nur ansatzweise einen Bezug zum Thema der Zeitschrift hergestellt hätte.
Wiener Kunsthefte, Dezember 2004
Nachbemerkung (Oktober 2005): Die zweite Ausgabe des "kunst.investor" wurde genau vor einem Jahr an den Kiosk gebracht (siehe: http://www.wirtschaftsblatt.at/cgi-bin/page.pl?id=374728 ), seither ward das Magazin nicht mehr gesehen.