29. März 2016 - Wieder mal hat die Zeitschrift trend (Ausgabe 12 vom 25.3.2016) „die besten 100 Österreicher“ der Kunst gekürt. Auch ich war erstmals eingeladen, für meine Favoriten zu voten. Hier meine prinzipiellen Gründe, warum ich abgelehnt habe, an diesem Spielchen teilzunehmen.
Schon die Vorauswahl von 653 KünstlerInnen bildet nicht den Markt der arrivierten Künstler Österreichs ab und ist somit nicht repräsentativ. Allein das Wiener Künstlerhaus und die Wiener Sezession haben zusammen weit über 1.000 Mitglieder. Eine vorsichtige Schätzung von 2.500, eher aber eine Zahl von 5.000 arrivierten, lebenden (wenn man das Leben nennen kann) KünstlerInnen in ganz Österreich dürfte der Realität näher kommen, als 653. Als arriviert betrachte ich KünstlerInnen, die Mitglied in einem renommierten Kunstverein sind, und/oder von einer kommerziellen Galerie vertreten werden. Ein seriöses Ranking müsste daher ein wesentlich breiteres Fundament haben. Das trend-Ranking berücksichtigt also gerade mal 10 bis 20 Prozent der Arrivierten – wer hat diese Namen nach welchen Kriterien ausgewählt?
Die Bewertungskriterien sind nicht objektivierbar, sondern unterliegen einzig und allein der subjektiven Einschätzung des jeweiligen Jurors. So als ginge es um die Frage: wer hat die schönsten Beine?
„Derzeitige künstlerische Bedeutung“
Wie lässt sich „künstlerische Bedeutung“ messen? Wo ist der Maßstab für „künstlerische Bedeutung“, den alle Juroren verbindlich anwenden sollen? Ich hab in der Literatur noch keinen gefunden. Nur die „Kunstmarkt-Formel“ gibt eine definitive Antwort auf die Frage „Was ist Kunst?“ Nebenbei bemerkt ein Affront gegen die erdrückende Mehrheit der Kunstszene, die mittlerweile der Meinung ist, dass Kunst nicht definierbar sei. Dieser Teil der Kunstszene hat sich darauf geeinigt, dass es keinen Qualitätsmaßstab gibt. Die Zuteilung von Punkten in dieser Kategorie ist daher nicht nur subjektiv, sondern absolut willkürlich.
„Derzeitiger kommerzieller Erfolg“
Über den kommerziellen Erfolg können nur Auktionsergebnisse und Verkaufsergebnisse in Galerien Auskunft geben. Ein seriöses Ranking müsste sich die Mühe machen, diese Zahlen zu erheben. Das ist natürlich ein enormer Aufwand, den die trend-Redaktion alleine wohl nicht leisten kann, zumal die Galerien ihre Zahlen tunlichst geheim halten und ein Großteil der arrivierten Künstler noch nicht in Auktionen vorkommen. (Außer in Wohltätigkeits-Auktionen – übrigens ein eigenes Thema: welchen Schaden richtet das Charity-Business im Kunstmarkt an?) Wie auch immer: ein seriöses Medium müsste die genannten Einschätzungen in dieser Kategorie hinterfragen (so hab ich das zumindest in meiner Kinderstube des Journalismus gelernt: Check – Recheck – Doublecheck).
„Zukünftige kommerzielle Entwicklung“
Was soll denn das sein, wenn nicht Kaffeesudlesen? Als langjähriger Jorunalist verstehe ich die Intention eines Wirtschaftsmediums, das aktuell sein will, indem es nicht nur berichtet was gestern und heute war, sondern auch das, was morgen kommt, oder kommen soll! Man darf sich aber beim besten Willen kein seriöses Ergebnis erwarten, wenn schon die Frage völlig unseriös und in Wahrheit auch irrelevant ist. Als medienethischen Imperativ möchte ich an der Stelle nur einfordern, dass Journalismus auch im schnelllebigen Internetzeitalter Berichterstattung bleiben muss und nicht zur Spekulationserstattung verkommen darf.
Jederzeit kann ich über kommerziellen Erfolg und Entwicklung jener Künstler Auskunft geben, die der Kunstraum in den Ringstrassen Galerien vertritt. Ich würde es aber als Anmaßung empfinden, die Leistungen anderer Galerien zu beurteilen, denn darauf zielen ja die beiden letzten Fragen ab, weil ja, siehe oben, nur die wenigsten der genannten Namen im Auktionsbetrieb aufscheinen und öffentlich zugänglich sind.
Mir sind zwei Rankingverfahren bekannt, die einigermaßen seriös sind: der Kunstkompass von Linde Rohr-Bongard, der seit 1970 das „Renommee zeitgenössischer Künstler“ misst, indem Ausstellungen, Auszeichnungen und Medienberichte berücksichtigt werden. Ob dieses Verfahren „systematisch“ ist, wie Rohr-Bongard behauptet, oder nicht doch ein bisschen zu deutsch- und eurozentristisch, sei dahin gestellt. Es ist jedenfalls ein relativ objektives Verfahren, weil das Bewertungssystem transparent und nachvollziehbar ist (z.B. internationale Ausstellungen und Medienberichte werden höher bewertet als regionale Ausstellungen und Berichte). Zu völlig anderen Ergebnissen als der Kunstkompass kommt der Artprice-Index, der allerdings ausschließlich die Ergebnisse internationaler Auktionshäuser berücksichtigt. Dieses Ranking ist die radikalste Reduktion eines Künstlers auf seinen Marktwert und unterscheidet sich damit essenziell vom Kompass. Entsprechend krass unterscheiden sich auch die Ergebnisse!
Beide Verfahren haben ihre Schwächen, können aber jederzeit im Ergebnis nachgeprüft werden. Im Unterschied dazu ist das trend-Verfahren nur für jene Insider nachvollziehbar, die wissen, welche Galerien (als Juroren) welche ihrer Künstler in die vorderen Ränge puschen. Aus den genannten Zahlen nach Milchmädchenrechnung einen Durchschnitt zu errechnen und dies am Ende den trend-Lesern als „objektives“ Ranking zu verkaufen, finde ich, nochmals, ganz einfach unseriös.
Siehe auch fischundfleisch.at: Trend Ranking methodisch fragwürdig und empirisch fragwürdig
Weitere Analysen über den Kunstmarkt liefert DIE KUNSTMARKT-FORMEL
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