27.9.2009 Wenn eine „Aktie“ wie Lassnig über zehn Jahre eine gerade Linie aufweist, dann ist das der beste Indikator für eine gewaltige Manipulation, wie das System Madoff oder das System Meinl bewiesen haben. Mehr wäre dazu eigentlich nicht mehr zu sagen. Da aber das „System GEWINN“ nun seit 10 Jahren jährlich den gleichen Unsinn perpetuiert, möchte ich die Haupteinwände gegen dieses „Barometer“ nochmals zusammenfassen:
- Die Reduktion auf 300 Künstler ist eine Verengung des Kunstmarktes, die zwar im Interesse der teilnehmenden Juroren liegt, aber sicher nicht den Kunstmarkt als ganzes abbildet. Allein das Wiener Künstlerhaus hat 500 Mitglieder, die Secession 300.
- Dabei sind Mitglieder der Secession im Ranking ohnehin relativ überrepräsentiert. Ebenso wie ehemalige und aktuelle Professoren der Angewandten und der Akademie überproportional vorkommen. Ist der Umkreis von einem Kilometer rund um den Wiener Schillerplatz wirklich die ganze Kunstwelt, oder bloß „Der erste Kreis der Hölle“? Offenbar weht in den Bundesländern ein so schwacher Wind, dass er vom „GEWINN-Barometer“ nicht mehr wahrgenommen wird.
- Die Zusammensetzung der Jury ist irrelevant. Mindestens die Hälfte der Juroren sind Marktteilnehmer, die als Galeristen mit ihren Bewertungen ausschließlich ihre Eigeninteressen verfolgen.
- Die Ergebnisse der Jury sollten von einer kritischen Redaktion nicht in einer Milchmädchenrechnung summiert werden, sondern man sollte kritisch hinterfragen, welche Galerie welche Künstler vertritt und so aufklären, warum welcher Künstler welche „Noten“ bekommt, bzw. überhaupt in die Liste aufgenommen wird. Das Ergebnis vorweg: es findet sich kein Künstler auf der „Top-Liste“, der nicht von einem oder mehreren der „Juroren“ vertreten wird.
- Zuletzt eine Anmerkung in eigener Sache. Meine Galerie feiert in diesem Jahr ihr 15-Jahr-Jubiläum, hat also ein etwas anderes Standing als jene Hasardeure, die nach spätestens zwei Jahren wieder zusperren. Seit 1997 findet sich mein Kunstraum in zentraler Wiener Innenstadtlage. Kein einziger der sogennanten Juroren hat seither einen Fuß in meine Galerie gesetzt. Wäre das Wort „Juror“ angebracht, so müsste man wohl davon ausgehen, dass sich ein Juror über den Gesamtmarkt eine Überblick verschafft, bevor er seine „Wertungen“ vornimmt. Tatsache aber ist, dass die Kunstwelt aller Juroren bis zu den eigenen vier Wänden ihrer Galerie oder ihres Museums reicht und keinen Zentimeter darüber hinaus.
GEWINN-Chefredakteur Johann Berger antwortet darauf am 28.9.2009:
Sehr geehrter Herr Thurnhofer!
Ihre Zeilen vom 29. September konfrontieren uns mit Ihrem Unbehagen am GEWINN-Kunstbarometer. Das bedauern wir. Umso mehr, als Ihr eingangs bemühter Vergleich mit dem Kriminalfall Madoff dieses Ihr Unbehagen in die Dimension einer Verschwörungstheorie („gewaltige Manipulation“) zu heben scheint, über die in ihrer Absurdität tatsächlich „eigentlich nichts mehr zu sagen“ wäre, und die in Ihren um Sachlichkeit ringenden fünf Argumenten auch nicht nachvollziehbar wird. Also wollen wir hoffen, dass Ihnen Ihre polemische Wortwahl eine kathartische Wirkung nicht versagt hat.
Was Ihre Kritik betrifft, wäre eine „Verengung des Kunstmarktes auf 300 Künstler“ tatsächlich nicht sinnvoll. Das findet im GEWINN-Kunstbarometer auch nicht statt. Um einen hoffentlich leicht nachvollziehbaren Vergleich zu strapazieren: die Fußball-Bundesliga bildet nicht das gesamtösterreichische Fußballgeschehen ab, die Österreichische Schi-Nationalmannschaft ist kein Abbild des Breitensportes. Wollen Sie diesem Gedanken folgen? Vielleicht erhellt sich daraus für Sie, dass ein Anspruch, „den Kunstmarkt als ganzes “ abzubilden wohl nicht anders, denn als Anmaßung zu bezeichnen wäre. Doch trotz unserer Fokussierung auf das Top-Segment im österreichischen Markt der Gegenwartskunst haben wir in unserer Datensammlung gewährleistet, dass Künstlerpersönlichkeiten schon am Beginn ihrer Karriere wahrgenommen werden. Die in unserer Septemberausgabe des TOP-GEWINN veröffentlichte Rückschau mag Ihnen diese Tatsache nahebringen.
Dass erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler in Galerien mit Standorten in der Wiener Innenstadt vertreten sind und dass diese Persönlichkeiten „überproportional“ oft mit Professuren an den beiden Hochschulen in Wien bedacht werden, ist ein Umstand, für den unsere Redaktion nicht verantwortlich ist. Entgegen Ihrer Vermutung sind wir jedoch sehr wohl mit einer Vielzahl an Expertinnen und Experten in den Bundesländern in regelmäßigem Kontakt.
Sie irren, wenn Sie meinen, die Zusammensetzung der Jury sei irrelevant. Das sehen wir anders. Dass in der Jury Marktteilnehmer und nicht Zaungäste vertreten sind, schmälert die Kompetenz der Juroren keineswegs. Und Marktteilnehmer sind nicht nur – wie in Ihrer Verengung des Begriffes vermutet wird – Galeristen, sondern auch private und institutionelle Sammler. Und diese kompetente Gruppe von Persönlichkeiten ist in der Jury mit einem Anteil von über 60 Prozent vertreten. Was die Eigeninteressen der Juroren betrifft: die Summe einer ausreichend großen und verantwortungsvoll ausgewählten Anzahl von Experten wird ein realitätsnahes Bild des Marktes hervorbringen – nicht trotz, sondern wegen der Interessensvielfalt, die in diesem Markt gedeiht.
Bei der Arbeit an der Befragungsmethode durften wir auf die Kompetenz der Technischen Universität Wien zurückgreifen, aus deren Institut für Betriebswissenschaften, Arbeitswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre wir wesentliche Hilfestellungen und Beratung erhalten haben. Wir sind daher zuversichtlich, im Unterschied zu anderen Medien über das bestmögliche Instrumentarium für unsere redaktionelle Arbeit zu verfügen. Dass Künstlerpersönlichkeiten in der Liste aufscheinen, die von mehreren Expertinnen und Experten gut bewertet werden, wird als Argument gegen die Methode kaum haltbar sein. Dies umso mehr, als wir immer wieder bemerken können, wie sehr das Schaffen der Künstlerinnen und Künstler von den Jurymitgliedern gewürdigt wird, auch über die Grenzen des jeweiligenTätigkeitshorizontes hinweg, sei es in einer Galerie oder in einer Sammlung. Um die Vorgangsweise in der Datenerhebung transparent und nachvollziehbar zu machen, haben wir die Informationen dazu in den vergangenen Jahren abgedruckt (z.B. GEWINN 0908, S. 48) und heuer in unserem Web-Auftritt veröffentlicht.
Mit Bedauern erfahre ich aus Ihren Zeilen von der in Ihren Augen mangelnden Aufmerksamkeit seitens der Mitglieder unserer Jury gegenüber Ihrer erfolgreichen Galerie, die ich ja kenne und mich über die eineinhalb Jahrzehnte Ihres engagierten Einsatzes für die Gegenwartskunst freue. Doch sollte Ihre Beobachtung richtig sein, wird dieser Umstand wohl kaum den GEWINN-Kunstbarometer vorzuwerfen sein und vielmehr auf einen Handlungsbedarf verweisen, der vielleicht innerhalb der „eigenen vier Wände Ihrer Galerie“ beheimatet ist.
So möchte ich Ihnen und Ihrer künstlerisch tätigen Frau Gemahlin auch weiterhin viel Erfolg für Ihre Arbeit wünschen, hoffe auf Ihre wohlwollende Wahrnehmung meiner Zeilen und verbleibe
mit den besten Grüßen
J. Berger
Der Direktor des NÖ-Landesmuseums, Carl Aigner, antwortet am 29.9.2009:
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