REZENSION (05. Oktober 2002) - "Die Herausgeber und Autoren des vorliegenden Handbuches für Kunst und Investment haben sich zum Ziel gesetzt, den Kunstmarkt transparent zu machen. Sie möchten Aufklärer und Botschafter sein für einen nur schwer bewertbaren Markt, der in seiner monetären Ausrichtung lange unterschätzt wurde", erklären die Herausgeber des 656 Seiten starken Sammelbandes im Klappentext des Buches. Insgesamt 56 Autoren haben dazu interessante Diskussionsbeiträge geliefert, das Ziel, Transparenz in den Kunstmarkt zu bringen, haben aber nur wenige erreicht.
Die Herausgeber Lothar Pues (Steuerberater), Edgar Quadt (Herausgeber der Zeitschrift ARTinvestor http://www.artinvestor.de/ und Rissa (Professorin für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf) haben sich redlich bemüht, das gesamte Spektrum des Kunstmarktes vom Markteintritt eines Künstlers und seiner Vermarktung durch einen Galeristen bis zu den Fragen des Urheberrechtes, die auch für Sammler relevant sind, abzudecken (siehe Inhalt). Um aus dem Sammelband ein Handbuch zu machen, das auch als Nachschlagewerk für Markttrends dienen könnte, dazu fehlt es jedoch an Systematik.
So schreibt Petra Arends, Executive Director Art Banking der UBS in Basel, über die Sorgfaltspflicht im Bankgeschäft, die bei Privatkunden auch im Aufbau oder in der diskreten Verwertung von Kunstsammlungen geschätzt wird. Dabei zitiert sie das Künstlerrating der Zeitschrift "Bilanz" http://www.bilanz.ch/ , die jährlich die 50 wichtigsten Schweizer Künstler und Künstlerinnen erhebt. Solche Rankings sollten in einem Handbuch nicht zufällig eingstreut, sondern systematisch für alle Länder angeboten werden.
Singuläre Spitzenpreise bei Auktionen verleiten leicht zu falschen Einschätzungen des Kunstmarktes. Dazu sind die Ausführungen von Bernd Fesel, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Galerien sehr aufschlussreich. Er verweist darauf, dass im Jahr 2000 in Deutschland 40,6 Prozent aller verkauften Kunstwerke im Preissegment unter 3.000 Euro gelegen sind. 20 Prozent lagen bei 3.000 bis 5.000 Euro, 14,5 Prozent bei 5.000 bis 10.000 Euro, 12,9 Prozent waren Verkäufe im Preisband von 10.000 bis 25.000 Euro, 9,6 Prozent der Preise lagen bei 25.000 bis 50.000 Euro und nur noch der marginale Rest von 2,4 Prozent lag im obersten Preissegment über 50.000 Euro. Auch hier ist zu bemängeln, dass Vergleichszahlen für Österreich und die Schweiz fehlen.
Die Autoren, unter ihnen so bekannte Namen wie Dieter Ronte, Max Hollein oder Walter Grasskamp, sind sich darin einig, dass der Kunstmarkt in weiten Bereichen intransparent ist. Grasskamp stellt die Mechanismen des Kunstmarktes ("Ist die Kunstwelt noch in Ordnung?") in Frage. Er meint, "in kaum einer anderen Branche hat sich der akademische Standesdünkel so ungebrochen gehalten wie unter Kunsthistorikern." Dieter Ronte, Direktor des Kunstmuseums Bonn, bestätigt diese Ausführungen, findet jedoch keine kritische Distanz zu diesen Standesdünkeln, sondern beschreibt sie, als wären sie ein metaphysisches Gesetz der Kunstszene: "Im Falle der Kunst ist eine Reihe von Insidern maßgebend, die miteinander kommunizieren. Zumeist handelt es sich um unabhängige und originär denkende Menschen, ... Die Insider wissen sich ein und derselben Wertsphäre verbunden."
Unter den zahlreichen Autoren herrscht auch weitgehend Konsens darüber, dass Kunst als Ware allgemeinen Marktregeln unterworfen ist und dass Kunstwerke als Wertanlage zu verstehen sind. So schreibt der Kunsthistoriker Benno Lehmann, "dass zeitgenössische Kunstwerke als Kapitalanlage und Kunstfonds die drei an eine Vermögensanlage gerichteten Anforderungen Rendite, Sicherheit und Liquidierbarkeit erfüllen. Damit sind sie den Anlageformen von Aktien und Immobilienfonds gleichzusetzen."
Kunst als reine Wertanlage hat Thomas Amend als Mitbegründer des Luxemburger Global Art Fund in seinem Beitrag vorgestellt. Im Gegensatz zu klassischen Kunstsammlern, die primär einen ideelen Wert im Auge haben, lässt Amend für seine Sammlung nur den Renditegedanken gelten: "Der Fonds wollte nichts anderes als eine reine Form der Geldanlage in einem speziellen Anlagesegment sein." Amend freut sich zwar, dass "bis heute kein gleichwertiges Konkurrenzprodukt aufgelegt" wurde, lässt aber auch durchblicken, dass die Nachfrage nach diesem Fonds nicht berauschend ist.
Im Kapitel "Marktteilnehmer" wurde ein Beitrag des 1989 verstorbenen Künstlers und Kunstprofessors Gerhard Hoehme wieder veröffentlicht, der in seiner ironischen Art ein Stück zeitloser Literatur ist und gleichzeitig jungen Künstlern ein wenig Lebenshilfe bietet: "Wenn für Dich der Weg zum Künstler zwingend ist, so hast Du eigentlich nur zwei Alternativen: 1. Hochschule ist für Dich nur ein erster Berührungsort, und Du verlässt sie schleunigst wieder. 2. Du kannst in ihr eine Zeit lang künstlerisch arbeiten, dann steht am Ende die Angst vor der ungesicherten künstlerischen, Existenz, Du wirst schwach und doch noch Lehrer."
Im letzten Kapitel kommen 32 Sammler zu Wort, um die subjektiven Motive ihrer Leidenschaft zu ergründen. Weiters hat die Künstlerin Rissa von 36 Künstlern Antworten auf 20 Fragen gesammelt. (Warum sind Sie Künstler geworden? Soll Ihre Kunst eine Botschaft ausdrücken? Ist Kunst elitär? Wie hängt der Preis von der Qualität ab? usw.) Da finden sich kaum überraschende Antworten, überraschend ist eher die Auswahl der Künstler: Angesichts der aktuellen Modetrends in der Kunst, mitbestimmt durch Großausstellungen wie die Documenta in Kassel, ist die hier getroffene Auswahl vergleichsweise konservativ, stark auf Maler fokussiert, die mit figurativen und dekorativen Ausdrucksmitteln arbeiten.
Resümee:
Der Sammelband "ArtInvestor" ist in Zeiten der Börsenflaute sicher das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt, um alternative Investitions-Möglichkeiten aufzuzeigen. Der Band bietet Tipps und Erfahrungsberichte von hochqualifizierten Autoren, die zeigen, dass Investition in Kunst kein Hasard sein muss. Anderseits fehlen aber in Zahlen gefasste Informationen über Trends am Kunstmarkt. Somit ist ein Zitat von Dieter Ronte symptomatisch für die Ratlosigkeit, die beim Lesen bleibt: "Im Falle der Kunst gibt es keine objektiv überprüfbaren Kriterien, mit deren Hilfe man die Qualität beurteilen könnte. Man kann nicht einmal objektiv sagen, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt Kunst ist oder nicht."
Inhalt:
I. Grundsätzliche Überlegungen zur Kunst:
Facetten eines intransparenten Marktes
II. Der Kunstmarkt:
Kunst als Geldanlage
III. Markt und Unternehmen:
Neue Wege im Private Banking, Corporate Sponsoring und die wirtschaftliche Bedeutung von Kunst
IV. Markt und Politik:
Public-Private-Partnership und Kulturmanagement
V. Die Marktteilnehmer:
Galeristen, Auktionatoren, Museen und Sachverständige im Fokus
VI. Recht und Steuern:
Urheberrecht und Versteuerung bei An- und Verkauf von Kunstwerken
VII. Sammler und Künstler im Portrait:
96 Farbseiten lassen Sammler und Künstler in ihrem Wirkungskreis lebendig werden
Pues, Quadt, Rissa
ArtInvestor
Handbuch für Kunst und Investment
FinanzBuch Verlag
WEITERE INFOS ÜBER DEN KUNSTMARKT SIEHE: DIE KUNSTMARKTFORMEL