Am Tag der Eröffnung der Ausstellung WITH EACH OTHER mit Michael Lomani, Ernesto, Gerti Mauch (Österreich) und Michele Carg (Schweiz), am 9.11.2015 starb der Mitbegründer der Schule des Phantastischen Realismus, Ernst Fuchs.
Aus der Eröffnungsrede:
Aus gegebenem Anlass möchte ich darauf hinweisen, dass die meisten Künstler den Ruhm, den sie verdienen oder verdient hätten, zu ihren Lebzeiten nicht mehr erleben. Es gibt aber auch Künstler, die ihren Ruhm überleben. Ich weiß nicht was schlimmer oder tragischer ist und will darüber nicht moralisieren. Interessanter als über die Moral unserer Zeit zu lamentieren ist es, das Phänomen an sich zu beleuchten. Deshalb hier ein paar Überlegungen zur Phänomenologie des Ruhmes.
Üblicher Weise ist es so, dass jemand, der beRÜHMt ist, auch kommerziell Erfolg hat. Es kann natürlich vorkommen, dass gestern jemand geachtet war, der heute geächtet ist, wie es Ernst Fuchs ergangen ist, zumindest in manchen Kreisen der selbst ernannten Kunstelite. Das ist aber die Ausnahme von der Regel. Kaum Ausnahmen gibt es bei jenen, die unbekannt sind. Wer heute unbekannt ist, wird auch morgen ignoriert. Und wer die gemütliche Wiener Seele einmal kennengelernt hat, der weiß, dass ignorieren nicht nur bedeutet, jemanden nicht zu beachten. Das wäre ja normal, weil niemand genug Zeit und Kapazitäten besitzt um alles zu beachten. Aber jemanden zu ignorieren geht weiter, insbesondere die Wiener Steigerung, jemanden ned amoi zu ignorieren, ist in Wahrheit Ausdruck der größtmöglichen der Verachtung.
Aber zurück zur Phänomenologie des Ruhms. Der Ruhm konstituiert sich heute ausschließlich über die Bekanntheit. Bekannte Künstler können machen was sie wollen, sie werden damit immer Aufmerksamkeit, Publikum und nicht zuletzt Käufer finden. Nun können Sie einwenden, ohne Talent und Können wird niemand bekannt. Das mag stimmen. Aber es gibt viele Künstler, die Talent und Können vorweisen können, aber nie bekannt werden. Talent und Können sind somit nicht Bedingung der Möglichkeit des Ruhmes, sondern nur wichtig für den Start einer Karriere. Es gilt also die Formel:
Ruhm = Bekanntheit = Medienpräsenz
Das einflussreichste, am effizientesten be-rühmende Medium ist bis heute das Fernsehen. Genauer gesagt sind es die großen TV-Stationen, die meist Teil von Verlagsimperien sind, zu denen auch Print und Internet-Medien gehören. Wer nicht im Fernsehen vorkommt kann nicht be-rühmt werden. Einzelfälle, die über youtube zu Millionenklicks kommen, werden schnell von den Großen inhaliert. Das Fernsehen erzeugt Ruhm und befriedigt die Ruhmsucht – sowohl der Darsteller, als auch des Publikums. Das Publikum sieht (so das Kalkül der Medien, die ja kalkulieren müssen, denn es geht um Quote um die Werbewirtschaft zu befriedigen) lieber täglich die gleichen berühmten Idioten, als jeden Tag ein neues Genie.
Die meisten Künstler zählen – dank Internet – nicht mehr unbedingt zur schweigenden Mehrheit, aber aufgrund der real existierenden Macht der „Leitmedien“ immer noch - und mehr denn je - zur totgeschwiegenen Mehrheit. Nicht der Ruhm an sich, sondern die Ruhmsucht von Darstellern und Publikum führt dazu, dass immer mehr von immer weniger gezeigt wird.
In der Phänomenologie des Ruhms kommt das Werk eines Künstlers in der Regel gar nicht mehr vor. Natürlich spricht man darüber, so wie man über Wetter und Klimawandel spricht. Aber zur Beurteilung eines Werkes fehlt den Medienmachern meist die Urteilskraft. Es kann daher sein, dass Sie mich als Phantasten oder Utopisten bezeichnen, wenn ich davon träume, dass wir wieder Zeiten erleben werden, in denen das Werk und nicht der Name eines Künstlers im Mittelpunkt steht. Jedenfalls werden Sie mich verstehen wenn ich abschließend behaupte: es kommt nicht auf den Künstler an, sondern auf das Werk. Dies sage nicht aus Geringschätzung gegenüber den hier anwesenden Künstlern, sondern aus Wertschätzung für deren Werke, die hier ausgestellt sind.
Nachsatz 13.11.15
1987 saß Hans Hölzl Modell bei Ernst Fuchs. Hölzl, damals 30 Jahre jung und gerade an der Kippe zum Weltruhm, angespannt ob dieser wohl anhält, gibt die Inszenierung „Falco spricht mit dem Malerfürsten“ zum besten: jeder Satz offensichtlich 10 mal vor dem Spiegel geübt, jeder Ton und jede Geste eine Imitation von Oskar Werner. Ernst Fuchs, damals gerade 57, schaut aus wie 75 und mimt den alten Meister, der entspannt auf seinen Ruhm herab blickt. Wie sich später zeigen sollte: zurück blickt. Sieheyoutube.com