Viele Künstler kämpfen um einen Platz im Olymp der zeitgenössischen Kunst. Alfred Biber dagegen ist unangefochten und uneingeschränkt der Herrscher am Bisamberg der Kunst.
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Darf man eine Hommage mit einer Persiflage beginnen? Der Olymp, höchster Berg Griechenlands, Wohnstätte der Götter, dagegen der Bisamberg, mit seinen 359 Metern nicht gerade der höchste Berg Österreichs, nicht einmal Niederösterreichs, nicht einmal des Bezirks Korneuburg, sondern gerade einmal der höchste Berg der Marktgemeinde Bisamberg, wo Alfred Biber seine Wohn- und Werkstätte hat.
Für jene, die meinen der Bisamberg stehe für Provinz und der Olymp für den weiten, kosmopolitischen Horizont, hier ein paar Erläuterungen zur Dialektik des Kunstdiskurses der vergangenen Jahrzehnte, der von der Tendenz beherrscht wird, immer mehr über immer weniger zu sprechen und zu schreiben, weil immer mehr Großausstellungen immer weniger KünstlerInnen zeigen. Tendenzen enthalten das Tendenziöse als Nebenwirkung, allerdings keinen Beipackzettel, den man vor Konsumation zur Kenntnis nehmen könnte.
Tendenziös ist die Medienberichterstattung, die eher über das schon Bekannte schreibt, als über das noch Unbekannte. Damit wird das schon Bekannte als bedeutend gewertet, während das noch weniger Bekannte als unbedeutend abgewertet oder einfach disqualifiziert wird, denn der objektive Journalist wertet nicht, sondern berichtet nur über Trends. Dabei muss er aber selektieren, d.h. eingrenzen und ausgrenzen. Eingegrenzt und in die (Hof-)Berichterstattung aufgenommen werden ausschließlich die Ränkespiele und Weiherituale im Olymp, während das gewissenhafte Tagwerk am Fuße des Bisambergs, das sich weder durch den Skandalfaktor noch durch den Promifaktor erschließt, in der Regel ausgegrenzt wird.
Tendenziös ist die Museumspolitik, die schon lange nicht mehr aus kritischer, wissenschaftlicher Distanz agiert. Weder zeitlich, mit einem angemessenen Abstand zum Leben eines Künstlers, noch personell, da Verhaberung zwischen Kuratoren bzw. Direktoren und Künstlern zur Voraussetzung gehört, museal geadelt zu werden. Am besten mit einem eigenen Künstler-Museum. Dazu kommt, dass Museen zunehmend zum Spielball finanzkräftiger Sammler werden. Da sie ausstellen wollen, was „in“ ist, müssen sie mangels eigenem Ankaufsbudget auf Leihgaben von Sammlern zurückgreifen, die ihre Sammlung und Künstler damit ganz nebenbei museal aufwerten.
Tendenziös ist demzufolge auch die Wahrnehmung des Publikums. Zum Publikum zählt zunächst auch der neue Typ des Sammlers, der nicht wie der „altmodische“ Sammler seine eigene Linie sucht, sondern den modischen Trends folgt und diese durch eigene Ankäufe verstärkt. Doch die Mehrheit des Publikums kauft nie im Leben ein Bild. Diese Menschen, denen Museen ihre Blockbuster verdanken und für die die Medien ihre Schlagzeilen über Weltrekordpreise bei Auktionen produzieren, gewinnen durch den Kreislauf – immer mehr von immer weniger - die Überzeugung, dass Kunst abgehoben und exorbitant teuer sei und jedenfalls nichts mit ihrem Alltag zu tun habe.
Sammler, die aus Leidenschaft etwas kaufen, Besucher die aus Liebe zur Kunst ins Museum oder in eine Galerie gehen, gehören ebenso der Vergangenheit an, wie Künstler, die aus Berufung handeln. Zur antiquierten Gattung der Künstler aus Berufung gehört Alfred Biber, der seinen Beruf in der Werbebranche an den Nagel gehängt hat um seiner Berufung zu folgen. Für so eine Entscheidung gibt es selten einen zureichenden Grund, aber rückblickend wird man sicher viele unzureichende Gründe finden. Einer davon heißt Hermann Nitsch. Nitsch wird’s nicht freuen, als „unzureichender Grund für Alfred Biber“ in die Geschichte einzugehen, und Biber ist der erste, der sich gegen so eine respektlose Einschätzung verwehren wird. Doch als Galerist von Alfred Biber sei mir dieser kleine Seitenhieb auf einen Künstler erlaubt, aus dessen Schatten Biber aus meiner Sicht nie richtig hervortreten konnte.
Mit Nitsch verbindet Biber eine langjährige, künstlerische Freundschaft. Trotzdem – oder deswegen? - konnte er nie an die Markt-Erfolge seines Freundes anschließen. Nitsch, der sich jenseits von Bisamberg und Olymp unter anderem am Vesuv seine eigene, eruptive Wirklichkeit in der Kunstwelt geschaffen hat, konnte sich bei all seinen Aktionen immer starker Medienresonanz sicher sein. Ein Vulkanausbruch bleibt einfach nicht unbemerkt. So schrieb „Der Spiegel“ unter dem Titel „Der Blutfürst hält Hof“ (am 14.9.2008): „Der Hohepriester des krassen Körpersäfte-Spektakels hat einen neuen Tempel: Anhänger aus aller Welt pilgerten zur opulenten Eröffnung des Hermann-Nitsch-Museums nach Neapel. Der Erlebnisraum des Theater-Berserkers aus Österreich passt gut in die morbide Atmosphäre der italienischen Metropole.“
Abgesehen von der reißerischen Wortwahl ist der Artikel charakteristisch für die Wahrnehmung, genauer gesagt die Wahrnehmungsbereitschaft der Medien. Künstler als „Fürsten“, „Hohepriester“ mit weltweiter „Anhängerschaft“ sind medienwirksam und museumstauglich, Künstler die „nur“ für ihre Kunst leben, sind fad, oder wie man heute wohl sagen würde: mega-out. Kurz: wenn in Neapel der Vesuv ausbricht löst das internationales Medienecho aus, auf dem Bisamberg muss schon mal ein Sendeturm in die Luft gesprengt werden, damit überhaupt jemand hinschaut. Der Schritt vom achtlosen Nicht-hinschauen zum verächtlichen Wegschauen ist da nicht mehr groß.
Würden Kritiker und Kuratoren bei Alfred Biber einmal genauer hinschauen, so müssten sie entdecken, dass sein Leitmotiv „Übermalungen eigener Arbeiten“ zu einer Zeit, als Malerei für tot erklärt wurde, eine Entscheidung war, gegen den Strom zu schwimmen. In einer Zeit, als Malerei wieder salonfähig wurde, hat Biber mit der konsequenten Weiterentwicklung seiner Menschen-Bilder bereits einen genuinen Beitrag zur Entwicklung der Malerei des 20. Jahrhunderts geleistet, während ehemalige Aktionisten und Konzeptualisten die (Öl-)Farbe wieder entdeckten, weil sie damit die Marktnachfrage leichter bedienen konnten. Alfred Biber ist deshalb für mich als Maler interessanter und gewichtiger als Hermann Nitsch. Und um Dimensionen interessanter als viele andere Namen, die ich nicht für nennenswert halte. Denn soviel lässt sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts bereits sagen: auch im 20. Jahrhundert war die Malerei noch die wichtigste Ausdrucksform der bildenden Kunst. Dem entsprechend ist Bibers Beitrag zur Entwicklung der Malerei des 20. Jahrhunderts eine künstlerische Leistung, die ihre Beachtung verdient – nicht nur am Bisamberg.
Ausstellung: Die Mitte des Lebens
Alfred Biber und Tonia Kos
Vernissage am 22. August 2012
Dauer der Ausstellung: bis 18. September 2012
Bilder von Alfred Biber, die im Kunstraum der Ringstrassen Galerien ausgestellt waren.