Vor zwei Jahren hab ich an der Stelle über die Dekadenz der Preisverleiher geschrieben, die den Oskar Kokoschka Preis unter Ausschluss der Öffentlichkeit an Raymond Pettibon verliehen haben. In diesem Jahr hat die Jury unter Vorsitz von Gerald Bast, Rektor der Universität für Angewandte Kunst, vor der Verleihung offenbar ein paar Nachhilfestunden in PR genommen, und siehe, die breite Öffentlichkeit durfte via Massenmedien die Geehrte bejubeln.
Die Lernfähigkeit der Jury in Sachen PR beweist der ORFonline-Bericht über das After-Award-Happening der Ono in Krems: „Eine der berühmtesten Künstlerinnen der Welt hat Österreich in den letzten zwei Tagen die Ehre gegeben: Yoko Ono. An der Seite von John Lennon wurde sie weltbekannt. Aus dem Schatten ihres verstorbenen Ehemannes ist sie allerdings schon längst herausgetreten.“ Mit Yoko Ono spielt der Kokoschka-Preis nun ganz oben in der PR-Liga mit, in einer Liga des Sekt-Dosen-Produzenten, der Paris Hilton in Ischgl einfliegen lässt, und des Einkaufszentrumsbesitzers, der Pamela Anderson und ihre Autogrammkarten dem Publikum der Lugner-City serviert. „Umringt von zahlreichen Journalisten, Fotografen und Kunstbegeisterten kalligrafierte Yoko Ono sieben weiße Leinwände mit japanischen Schriftzeichen. Dieses überdimensionale Kunstwerk der Witwe John Lennons wird künftig in der Ausstellung „Wunder“ in der Kunsthalle zu sehen sein“, berichtet der ORFonline.
Die Lernfähigkeit der Jury in Bezug auf die Auswahl der Preisträger muss aber weiterhin bezweifelt werden. Ist es wirklich notwendig, einer Multimillionärin 20.000 Euro nachzuschmeißen, damit diese „Österreich die Ehre gibt“? Oder würde sich vielleicht mal eine/r der JurorInnen ein Stündchen seiner wertvollen Jurorenarbeitszeit mit der Frage beschäftigen, welche/r KünstlerIn sich seit Jahrzehnten für Österreich den Arsch aufreißt und ohne Rücksicht auf Lohn und Anerkennung ein Leben für die Kunst gibt? Ist es wirklich unmöglich, dass sich eine Jury die Frage stellt, welche/r KünstlerIn einen Preis verdient hat, weil er/sie ihn verdient hat, nicht weil er/sie dem PR-Faktor „weltberühmt“ genüge tut? Gerne bin ich bereit, der Jury für die nächste Sitzung eine Liste mit 100 Top-KünstlerInnen zu liefern, die mit dem Preisgeld ein Jahr ihres Lebens und Schaffens finanzieren könnten.
Auch der Kunstsenat konnte Anfang März wieder einmal die mediale Aufmerksamkeit auf sich lenken. Nicht gerade mit einer revolutionären Forderung sondern aufgrund des Rücktritts des gesamten Präsidiums und dessen Neubesetzung mit Josef Winkler (Präsident), Brigitte Kowanz und Heinz Karl Gruber (Vizepräsidenten). Die etwas verstaubte Website www.kunstsenat.at informiert: „Der Österreichische Kunstsenat ist eine Gemeinschaft von einundzwanzig hervorragenden schöpferischen Künstlerpersönlichkeiten. Seine Aufgabe besteht darin, die Anliegen der Kunst in der Öffentlichkeit zu vertreten, die öffentlichen Stellen in wichtigen Fragen der Kunst zu beraten und Maßnahmen zur Kunstförderung und zur Bewahrung der kulturellen Substanz anzuraten. In seine Kompetenz fällt das Vorschlagsrecht für den Großen Österreichischen Staatspreis und das Vorschlagsrecht für die Berufung der Staatspreisträger in den Kunstsenat.“
So beschreibt sich eine zweifellos ehrwürdige Institution. Doch wer rausfinden will, wann diese Institution das letzte Mal mit Anliegen im Interesse der Kunst an die Öffentlichkeit getreten ist, der findet eine eher spärliche Faktenlage. Ob der Kunstsenat künftig wenigstens bei der Auswahl des Österreichischen Staatspreises mehr Mut und Kreativität beweist, und die 30.000 Euro Preisgeld an KünstlerInnen verleiht, die für Ihre Leistungen mehr als einen warmen Händedruck verdient haben, darf ebenso erhofft wie bezweifelt werden.
UM:Druck April 2012
Siehe auch: Dekadenz der Preisverleiher