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Wenn Sie mich fragen, warum ich Ihnen hier ausgerechnet die GENESIS, das 1. Buch Mose aus dem Alten Testament präsentiere, so ist die kürzeste Antwort: Fragen Sie nie einen Philosophen nach dem WARUM, denn die Antwort kann sehr lange werden.

Ich versuche mich aber kurz zu halten. Nach meinem Philosophie-Studium, das nun auch schon wieder 20 Jahre zurück liegt, wusste ich immerhin mehr als Sokrates, der sagte: ich weiß, dass ich nichts weiß. Mein Erkenntnisprozess reifte so weit, dass ich sagen konnte: ich weiß, was ich nicht weiß. Um dem auf die Spur zu kommen, WAS ich nicht weiß, wurde ich Journalist, und die sokratische Methode des Fragens (Mäeutik, d.h. aus dem Interviewpartner das herausholen, was er unter der Oberfläche versteckt) hat mir dabei durchaus geholfen.

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Der Philosoph könnte (nach Robert Musil) als General ohne Armee definiert werden, der die einmal gefundene Wahrheit verteidigt mit den Worten: Heute so! Morgen so! Im Gegensatz dazu lebt der Journalist von der sich täglich ändernden Wahrheit, nach dem Motto: heute soo, morgen soo. Anders gesagt: Die Wahrheit bzw. die Wahrheiten des Journalisten haben ein sehr kurzes Ablaufdatum, in Zeiten des Internets oft nur wenige Stunden, während der Philosoph natürlich nach der ewigen Wahrheit sucht. Das Buch der Bücher ist bei der Suche nach dieser ewigen Wahrheit sicher bis heute eine unerschöpfliche Quelle. Die Genesis beginnt mit den Worten:

1 Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.
2 Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.
3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht.
4 Und Gott sah das Licht, daß es gut war; und Gott schied das Licht von der Finsternis.
5 Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: erster Tag.

Der Journalist einer Nachrichtenagentur würde darüber folgendes schreiben:

Zuverlässige Quellen berichten übereinstimmend, dass ein gewisser Gott die Erde erschaffen habe. Allerdings habe sie noch gewisse technische Mängel, denn sie sei wüst, leer und finster. Kritische Fragen auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz beantwortete Gott mit der Aussage: “Es werde Licht!” Und es ward Licht. Offenbar verfügt dieser Gott nicht nur über ungeahnte physikalische Kenntnisse, sondern auch über uneingeschränkte Macht, denn ohne den geringsten politischen Widerstand nannte er das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Wie Gott andeutete, war dies erst der erste Tag. Sollte ein zweiter Tag folgen, werden wir umgehend berichten.

Sie werden jetzt verstehen, dass ich dem Journalisten in mir aus gutem Grund nicht die Interpretation der Genesis überlassen wollte. Der Philosoph als letztgültige Instanz gehört allerdings auch der Vergangenheit an, deshalb war es für mich naheliegend, die GENESIS der Interpretation von Künstlern zu überlassen. So vielschichtig wie die Themen der Genesis, so vielschichtig sollten auch die Interpretationen sein. Deshalb habe ich gezielt Künstler unterschiedlicher Nationalitäten, unterschiedlicher Generationen und unterschiedlicher Stilrichtungen eingeladen, an der Interpretation der Genesis teil zu nehmen. Als Organisator der Ausstellung sehe ich mich als Regisseur, der für jedes Kapitel den richtigen Darsteller findet. Wobei die Darstellungen (ich möchte sie keinesfalls als “Illustrationen” bezeichnen) nur gewissen Vorgaben im Format zu folgen hatten und von mir auf das Medium der Malerei eingeschränkt wurden.

Der Grund dafür liegt einfach darin, dass die Idee für diese Ausstellung bereits zehn Jahre zurückliegt, als noch von vielen Kunstexperten das Ende der Malerei ausgerufen wurde. Mit dem Projekt GENESIS2000 wollte ich den Beweis antreten, dass die Malerei lebt und dass sie sich auch im 20. und 21. Jahrhundert mit großer Innovationskraft erneuert und weiter entwickelt. Auch wenn Sie hier nur einen Ausschnitt von 22 der insgesamt 50 Kapitel der Genesis sehen, so können Sie sich selbst ein Urteil bilden, ob dieser Beweis gelungen ist. Ich will Sie in Ihrer Urteilsbildung nicht beeinflussen, aber wenn Sie meine Meinung hören wollen, so würde ich sagen, dass diese Ausstellung geradezu für die Renaissance der Malerei steht. Die Ausstellung ist sowohl in ihrer thematischen Dichte, als auch in ihrer künstlerischen Qualität einmalig. (Dieses Lob gilt in erster Linie den Künstlern, aber auch ein bisschen mir selbst, denn schließlich habe ich die Künstler ja ausgewählt.)

Die Art und Weise, wie diese Ausstellung zustande gekommen ist, die Genese der Genesis als exhibition in progress ist im heutigen Kunstbetrieb nicht selbstverständlich. Es ist bei vielen Künstlern geradezu verpönt, sogenannte “Auftragsarbeiten” auszuführen, weil sich diese Künstler damit in ihrer Freiheit eingeengt oder beschnitten fühlen. Da ich in der Ausstellung Genesis die Renaissance der Malerei sehe, möchte ich darauf hinweisen, dass gerade die Renaissance als Epoche ohne “Auftragskunst” gar nicht existieren würde. Tatsächlich wird im heutigen Kunstbetrieb die Freiheit des Künstlers und sein Anspruch auf “Originalität” geradezu dogmatisch überbetont. “Originalität” wird dann so ausgelebt, dass die Entwicklungen der bisherigen Kunstgeschichte einfach ignoriert werden. Ich meine aber, dass sich Originalität nur aus der bewussten Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte entwickeln kann. Und wie sich an der Ausstellung Genesis zeigt: Originalität kann sich auch in der freien Auseinandersetzung mit einem durchaus eingegrenzten Thema entfalten. Insofern sehe ich die Genesis auch als Statement gegen eine Auffassung von Kunst, in der Willkür mit Freiheit und Beliebigkeit mit Originalität verwechselt wird.

Eröffnungsrede zur Vernissage der Ausstellung GENESIS im Stadtmuseum Bad Ischl am 2. März 2007) Siehe auch: http://www.stadtmuseum.at/

Bericht im Kurier

Bericht in Verivox

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