26.3.2019 - Good News der vergangenen Woche, nicht aus dem ORF, sondern über den ORF: die österreichischen Haushalte finanzieren mit ihren Rundfunkgebühren von zuletzt 922,4 Millionen Euro, nicht nur den ORF. Der bekommt gerade mal 620 Millionen, wovon 420 für Personalkosten aufgehen. Der Rest wird dem Bund (155,5 Millionen Euro) und den Ländern (146,8 Millionen Euro) abgeliefert. Details über die Rechtmäßigkeit dieser Aufteilung publiziert die Gebühren Info Service GmbH.
„Die GIS: Ein modernes Dienstleistungsunternehmern“ beschäftigt 204 Angestellte im Innendienst und 107 freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer im Außendienst und weist offiziell einen Jahresumsatz von 34,1 Mio Euro aus. Woher kommt das Geld? „Der GIS steht eine Einhebungsvergütung von 2,5 % zu, durch die sich das Unternehmen finanziert.“ Details siehe pdf.
Da der ORF gerade in der Schusslinie der FPÖVP-Regierung steht, wehren sich Pflichtverteidiger des ORF gegen die „Bevormundung“ durch „die Politik“. „Der ORF ist in Gefahr“ und „Feuer am Dach“ fabuliert die Initiative „Wir für den ORF“. Das Bedrohungsszenario: „Die Regierung plant spätestens im Neuen Jahr ein neues ORF-Gesetz. Laut Kenner/innen des politischen Parketts und ORF-Insidern soll über dieses Gesetz ein Journalismus, der auch die Regierungspolitik kritisch einem Fakten- und Wertecheck unterzieht, unterbunden werden.“
Fakt ist: es geht nicht um Bevormundung, sondern um Bevorzugung! Bei dieser und jeder anderen Diskussion, die über den ORF und seine Privilegien geführt wurde und geführt wird, kommt immer wieder das Argument, die Rechte des ORF seien verfassungsmäßig geschützt. Der ORF selbst schreibt dazu: „Gesetzliche Rahmenbedingungen für die Programmarbeit des Österreichischen Rundfunks bilden im Wesentlichen das Bundesverfassungsgesetz vom 10. Juli 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks und das ORF-Gesetz.“
Das entsprechende Verfassungsgesetz besteht lediglich aus zwei Artikeln und wirklich jeder kann es lesen und verstehen. Ich bin kein Jurist, schon gar kein Verfassungsexperte, aber als Bürger dieses Landes habe ich hoffentlich das Recht, eine Frage zu stellen: Wie ist es möglich, dass das „Rundfunkgesetz“, das 1974 beschlossen wurde (also 20 Jahre vor der Einführung des ersten Privatradios) einzig und allein auf den ORF Anwendung findet? Artikel 1 (1) besagt eindeutig nicht, dass „Rundfunk“ mit „ORF“ gleichzusetzen ist. Ich frage mich auch, warum gegen diese einseitige Interpretation, die seit fast 25 Jahren die Monopolstellung des ORF gegenüber den privaten Rundfunkbetreibern schützt, noch kein einziger Privatsender eine Verfassungsklage eingereicht hat.
Bundesverfassungsgesetz vom 10. Juli 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks
StF: BGBl. Nr. 396/1974 (NR: GP XIII AB 1265 S. 111. BR: S. 334.)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel I
(1) Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines Leiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen, die diesem Zweck dienen.
(2) Die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und seine Organisation sind bundesgesetzlich festzulegen. Ein solches Bundesgesetz hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der im Abs. 1 genannten Aufgaben betraut sind, gewährleisten.
(3) Rundfunk gemäß Abs. 1 ist eine öffentliche Aufgabe.
Art. 2
Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesregierung betraut.
Resümee: der ORF ist de facto ein staatlicher Monopolbetrieb geblieben. Das Bundesverfassungsgesetz vom 10. Juli 1974 wird seit dem Regionalradiogesetz 1993 zu Unrecht NUR auf den ORF angewandt, dessen Monopol 1993 eigentlich abgeschafft werden sollte. Sollte, aber de facto nicht wurde, da weiterhin in der Auseinandersetzung über das „Rundfunkgesetz“ der Begriff „Rundfunk“ ausschließlich mit dem Begriff „ORF“ gleichgesetzt wird. Zu den „Bestimmungen ..., die die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe, … gewährleisten“ muss ich als täglicher Beobachter sagen, dass ich diese Grundsätze heute in den privaten „Rundfunkanstalten“ mindestens genauso gut aufgehoben sehe wie im ORF. Die Rundfunkgebühren, die von der GIS eingehoben werden, sind demnach unter allen „Rundfunkanstalten“, die diesen Verfassungsgrundsätzen entsprechen, gerecht aufzuteilen. Die direkten Zuwendungen aus den GIS-Einnahmen an Bund und Länder sind mit der Verfassung nicht vereinbar.
Ergänzung 16. Juli 2021: Rückforderung GIS-Gebühren
RA Mag. Petra Aschauer hat ein Forderungsschreiben auf afa-zone.at online gestellt, mit dem man versuchen kann, die GIS-Gebühren zurück zu fordern, da der ORF seinem öffentlich-rechtlichen Kernauftrag nicht mehr gerecht wird.
Ich selbst empfehle ganz einfach ein Schreiben an
GIS Gebühren Info Service GmbH
Postfach 1000, 1051 Wien
mit dem lapidaren Satz: Ich kündige GIS ab sofort.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Bevorzugung des ORF verfassungswidrig ist.
Die Bevorzugung des ORF ist verfassungswidrig! (thurnhofer.cc)
https://thurnhofer.cc/communication/usp/wirtschaftsethik/615-die-bevorzugung-des-orf-ist-verfassungswidrig
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Siehe auch Diskussionsbeiträge zu diesem Artikel auf fischundfleisch.com
Siehe auch Kommentar auf fischundfleisch vom 25.3.2019: ORF in der Schusslinie
Siehe auch: ORF und Fellners oe24.tv (Kommentar auf fischundfleisch)
Siehe auch: Die Verfassung in schlechter Verfassung