9.3.2017 - Vom selbst produzierten Buch bis zur Luxusimmobilie reichen die Projekte, die in der Crowd nach Finanzierung suchen. Hinter dem Begriff „Crowdfunding“ versteckt sich meist ein risikoloses Marketinginstrument zur Kundenbindung, während Crowdinvestments oft riskante Konstruktionen sind. (Beitrag erschienen im Unternehmermagazin a3ECO 3-4 / 2017)
Auf der Suche nach aktuellen Crowdfunding-Projekten und -Trends stößt man schnell auf die Webseite crowdfunding.at, die von der BAWAG betrieben wird. Das ist allerdings keine Plattform für kommerzielle Projekte, wie Markus Gremmel betont, der als Leiter der Abteilung Marketing und Sponsoring für das Portal zuständig ist, „denn die BAWAG darf als Bank gar keine kommerzielle Crowdfunding-Plattform betreiben.“ Gemäß dem seit September 2015 gültigen Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) sind Emittenten, die über eine Konzession nach dem Bankwesengesetz (BWG) oder Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) verfügen, vom Anwendungsbereich des AltFG ausgenommen. crowdfunding.at läuft bereits seit 2014 und wurde von Anfang an zur Unterstützung von Sozialprojekten konzipiert. So wurden bislang 25 Projekte mit mehr als 250.000 Euro gefördert. |
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Mit dem Projekt „Kinder Kunst Kenner“ werden vom Kunst Haus Wien (besser bekannt als Hundertwasser Museum) benachteiligte Kinder gefördert. Ein anderes Projekt fördert die Integration von Asylsuchenden aus Syrien, Irak und Afghanistan unter dem Motto: „Damit Integration ein Leiberl hat. „Uns geht es nicht nur um Geld, sondern auch darum die Selbstorganisation der Sozialprojekte zu unterstützen und Ressourcen Dritter zu mobilisieren“, so Gremmel.
Ganz einfach für einen guten Zweck zu spenden ist offenbar aus der Mode gekommen. Aber es ist auch legitim, dass Unternehmen Gutes tun und darüber reden. Crowdfunding ist für diese Form von Marketing ein positiv besetzter Begriff, denn wer um Spenden bittet wird schnell als Schnorrer abgestempelt. Den altmodischen Begriff „Spende“ ersetzt man heute durch: Donation-Based Crowdfunding (Crowddonation). Das bedeutet auf gut Deutsch: wer in so einen Topf einzahlt bekommt alles und nichts – nämlich das Gefühl etwas Gutes getan zu haben.
Die zweite Form von Crowdfunding im engeren Sinne ist Reward-Based Crowdfunding. Diese Idee tauchte erstmals zu Beginn dieses Jahrhunderts auf, als der Musiker Brian Camelio nach einem Weg suchte um den im Internet grassierenden Raubkopierern den Kampf anzusagen. Mit seinem Portal artistshare.com hat er die erste Crowdfunding-Plattform für Kreative geschaffen und damit sicher gestellt, dass jene, die seine Songs bekommen wollen, vorab dafür bezahlen.
Mit Venture Capital von 10 Millionen Dollar hat schließlich kickstarter.com 2009 dem Reward-Based Crowdfunding zum Durchbruch verholfen. Derzeit wirbt hier u.a. Ulrich Dolde für die englische Fassung seines Buches „Motorhome“, ein Ratgeber zum Selbermachen. Für Beträge bis zu 500 Euro bietet er Gegenleistungen, von der Nennung als Sponsor im Buch (5 Euro), das Buch als Hardcover (41 Euro), oder vier Exemplare für Reseller (159 Euro). Für 500 Euro bekommen Anleger als Gegenleistung eine Werbeeinschaltung im Buch. 100.000 Euro will Dolde so zusammenkratzen. (Details siehe: crowdfunding-service.com)
Crowdfunding in dem Sinn ist nichts anderes als eine Form des Vorverkaufs, wobei insbesondere kickstarter.com auch unbekannteren Autoren und Musikern zum internationalen Durchbruch verhelfen kann. Die Angebote auf kickstarter und Co unterliegen nicht einmal den im §3 AltFG vorgeschriebenen Informationspflichten für Emittenten bei Ausgabe alternativer Finanzinstrumente. Wenn dieser Paragraf zur Anwendung kommt, dann spricht man genau genommen von Crowdinvesting.
Auf der Plattform mit dem klingenden Namen dagobertinvest.at verspricht der Vermögensberater Andreas Zederbauer 6,8% Zinsen p.a. für ein Wohnbauprojekt in Wien Donaustadt und sogar 7,25% für Reihenhäuser im gleichen Bezirk. Die Nachfrage ist groß, so ist beim ersten Projekt die Fundingschwelle von 150.000 Euro weit überschritten und 18 Tage vor Zeichnungsfrist das Fundingziel von 300.000 Euro fast erreicht.
Die Logik von Lending-Based Crowdfunding erläutert der ehemalige Bankvorstand Zederbauer: „Dagobertinvest organisiert auf der Plattform viele gleich gesinnte Investoren zu einem Crowdfunding-Projekt, sodass aus vielen kleinen Geldgebern ein großer Investor entsteht. Die Banken rechnen die von ihnen gegebenen Nachrangdarlehen den Eigenmitteln des Unternehmens zu, daher steigt dessen Kreditwürdigkeit und eine Bank finanziert den restlichen Teil des Projektes. Der Unternehmer kann seinen Investoren daher für solches Risikokapital eine hohe Verzinsung bezahlen (5% - 8% p.a.).“ Mit relativ kurzen Vertragslaufzeiten von ein bis zwei Jahren und Crowdfunding-Projekten nur mit etablierten Unternehmen verspricht „Dagobert“ Risiken zu minimieren.
„Hochspekulativ“ nennt Bernd Lausecker vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) solche Konstruktionen und weist darauf hin, dass die bei Crowd-Lending gebotenen Nachrangdarlehen im Fall eines Konkurses als letztes bedient werden. „Oft gibt es bei Nachrangdarlehen einen Passus, dass Zinszahlungen nur dann geleistet werden, wenn es die Firma nicht in Gefahr bringt“, mahnt Lausecker potenzielle Investoren auch das Kleingedruckte genau zu lesen.
Anleger wollen solche Warnungen offenbar nicht hören. So war ein Projekt der Gasteiner Bergbahnen mit einem Volumen von 1,499 Millionen knapp am gesetzlichen Limit, das am 1. Dezember des Vorjahres über 1000x1000.at angeboten wurde, innerhalb von drei Tagen zur Gänze gezeichnet. Hier ist von einem „Bürgerbeteiligungsmodell“ die Rede, der Begriff „Nachrangdarlehen“ findet sich nicht, obwohl es in den Angeboten genau darum geht:
Variante A: 4,0% p.a. – jährliche Zinsen und Tilgung nach 7 Jahren in Cash
Variante B: 6,0% p.a. – jährliche Zinsen in Gutscheinen und Tilgung nach 7 Jahren in Cash
Varinate C: 7,0% p.a. - Zinsen und Tilgung in fünf gleichen Jahresraten
Diese „Bürgerbeteiligung“ ist somit kein Anteil am Unternehmen und die Investition somit kein Equity-Based Crowdfunding, sondern schlechter gestellt als Eigenkapital. Aber das störte keinen der Kleinanleger, offenbar im Vertrauen darauf, dass 60 Prozent der Gasteiner Bergbahnen AG von drei Banken gehalten werden. Und Banken dürfen ja nicht in Konkurs gehen, wie wir seit Ausbruch der Bankenkrise wissen.
Laut Gesetz muss der VKI alle Informationsblätter, die nach dem AltFG erstellt werden, erhalten. Das bedeutet aber nicht, dass VKI diese Projekte prüft oder gar prüfen müsste. Laut Lausecker wäre das zeitlich gar nicht möglich. Geprüft werden die Informationsblätter von Anwälten oder von Wirtschaftsprüfern und darüber hinaus von den auf Crowdinvesting spezialisierten Internetplattformen. Laut WKO sind derzeit in Österreich dreizehn Crowdinvesting-Plattformen tätig, die berechtigt sind, ein Gütesiegel zu tragen, da sie sich zur Einhaltung der Standes- und Ausübungsregeln für österreichische Crowdinvesting-Plattformen verpflichtet haben. Diese haben im Vorjahr 22,7 Millionen Euro eingesammelt und insgesamt 71 Projekte finanziert.
Moralisches Resümee
Crowdinvesting hat das Potenzial zum mündelsicheren Produkt, so mündelsicher wie vor nicht allzu langer Zeit Meinl European Land und Meinl International Power. Insbesondere im Immobilienbereich haben die Konstruktionen mit Nachrangdarlehen und Zinsversprechen von bis zu 8 Prozent spekulativen Charakter. Zumal Immobilien mehr oder weniger der letzte Bereich sind, den jede normale Banken mit Sicherheit finanziert.
Auch riskant, aber auf einem anderen Konzept basierend, sind hunderte Klein-Darlehen, die der Waldviertler Möbel- und Schuhproduzent Heini Staudinger von Bekannten, Freunden und Kunden eingesammelt hat. Da die Banken die weitere Finanzierung des Unternehmens verweigerten, war Crowdfunding der einzige Ausweg - vor fünf Jahren allerdings nach Ansicht der FMA noch ein illegales Bankgeschäft. So wurde die Waldviertler Crowd zum Anlassfall für die Schaffung des AltFG und zu einem Beispiel dafür, dass eine Crowd im Idealfall und im ursprünglichen Sinne einer Genossenschaft mehr miteinander verbindet als das Ziel nach höherer Rendite. Und zwar die nicht direkt messbare gesellschaftliche Verantwortung.
Das AltFG hat die rechtlichen Grundlagen relativ eng gesetzt, so dass echte Spekulanten keinen allzu großen Spielraum haben. Das Emissionsvolumen wurde auf 1,5 Millionen Euro beschränkt und das Investitionsvolumen pro Anleger und Jahr auf 5.000 Euro. Mit 22,7 Millionen Euro Investmentvolumen im Jahr 2016 ist der Markt noch verschwindend klein und bislang unauffällig. Auch wenn das Wachstum in dem Ausmaß weiter geht – das Plus im Vorjahr betrug 161 Prozent im Vergleich zu 2015 (8,7 Millionen Euro) – so bleiben Ausfallsrisiken durch die Investmentgrenze von 5.000 Euro immer limitiert.
Ergänzung Presseinformation der Greenstorm Mobility Gmbh