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15.9.2010 - Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung um ca. 50 Prozent zunehmen. Der Bedarf an Wasser, insbesondere für die Intensivierung der Landwirtschaft, wird entsprechend steigen. Gleichzeitig gefährden Umweltkatastrophen wie im Golf von Mexiko den Wasserhaushalt.

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börsennews.de hat Ende Juni ausgerechnet, wie viel Öl bis dahin aus dem Bohrloch der gesunkenen Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko ausgetreten ist und daraus einen energiepolitisch einzigartigen Schluss gezogen: „Gerade einmal eine Stunde des weltweiten Verbrauchs könnte man mit dem seit dem 22. April 2010 ausgelaufenen Öl decken … 63 Tage furchtbare Bilder. Und doch ist es ein Wimpernschlag im gigantischen Energiebedarf dieser Welt.“ In dieser Logik zählt nur, dass sich der Börsenwert von BP seit Ausbruch der Katastrophe halbiert hat. Millionen von Lebewesen, die in der Ölpest verenden, die Vernichtung der Lebensgrundlage von Fischerei, Landwirtschaft und Tourismus, nicht zuletzt ein ökologisches Desaster, das die ganze Region noch Jahre oder Jahrzehnte beeinträchtigen wird – das alles ist für börsennews.de „ein Wimpernschlag der zur medialen Lawine wurde“.

Aber nicht nur vor den Küsten Amerikas, auch in Afrika führt die Ölförderung zu riesigen Umweltkatastrophen. Laut International Herald Tribune sind allein in Nigeria bei Bohrungen von Shell und Exxon in den vergangenen 50 Jahren 13 Millionen Barrel Öl in Flüsse und Landschaften geflossen. 260.000 Barrel pro Jahr! Öl wird immer öfter zur Gefahr für das Wasser. Aber die größte Gefahr sieht Prof. Helmut Kroiss im unaufhaltsamen Bevölkerungswachstum und dem damit einhergehenden zusätzlichen Wasserbedarf in der Landwirtschaft. „Der größte Wasserbedarf kommt von der Nahrungsmittelerzeugung. Der Wasserbedarf steigt zusätzlich mit dem Fleischkonsum. In Europa merkt man das weniger, aber für den Osten Chinas, wo der Fleischkonsum von ca. 20 auf 60 Kilogramm pro Einwohner und Jahr angestiegen ist, ist das teilweise bereits zu einem ernsthaften Problem geworden. Einerseits kommt mehr Stickstoff und Phosphor in die Gewässer, was zu Algenproblemen in den Küstengewässern führt. Anderseits werden Flüsse so stark für die Bewässerung genutzt, dass sie zeitweise kaum mehr bis zum Meer gelangen. Ein Hoffnungsschimmer besteht darin, dass die Chinesen das Problem erkannt haben und sehr viel in die Lösung der Wasserprobleme investieren“, sagt Kroiss, Vorstand des Instituts für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft an der TU Wien.

Dagegen ist das Problembewusstsein in Afrika noch nicht so weit entwickelt. „Afrika ist tatsächlich der schwierigste Patient. Es fehlt an einer gut ausgebildeten Behörden-Infrastruktur. Viele afrikanische Länder haben reichlich Wasser, aber oft nicht die richtige Organisation. Es wäre reichlich Geld zur Lösung der Probleme da, aber es gibt keine Strukturen die garantieren, dass es ordnungsgemäß eingesetzt wird. Das größte Problem ist Know-how. Das Thema muss von der Volksschule bis zur universitären Ebene vorangetrieben werden. Besonders die Universitäten in den Entwicklungsländern müssen sich intensiv mit der Lösung der nationalen Wasserprobleme  befassen, denn in Europa suchen wir Lösungen für die Vermeidung von Verschmutzungen im Mikro- und  Nanogramm-Bereich pro Liter während in Afrika die Probleme oft noch im Milligramm- oder sogar Gramm-Bereich pro Liter liegen. Langsam setzt sich international die Erkenntnis durch, dass Wasserprobleme vor Ort gelöst werden müssen und letztlich von den Menschen, die dort von den Problemen betroffen sind.“

Während die Energiefrage durch das internationale Erdölkarussell wenigstens vorübergehend (zumindest im 20. Jahrhundert) gelöst war, konnte die Globalisierung für die weltweite Wasserversorgung nie eine adäquate Lösung finden, denn es lohnt sich nicht, Wasser weiter als 200 Kilometer zu transportieren. Da wären Regeneration (Kreislaufführung von Wasser und Abwasser) oder Meerwasserentsalzung bereits günstiger. Der Wissenschaftler Kroiss sieht hier ein fundamentales Dilemma: „Ein Leben ohne Beeinflussung des Wassers ist nicht möglich und daher auch kein Ziel einer geordneten Wasserwirtschaft. Der Ausgleich der Interessen, das Abwägen von Kosten und Nutzen für Menschen, die als Teil der Natur begriffen werden müssen,  ist der primäre Ansatz der Konfliktlösung in der Wasserwirtschaft. Süßwasser ist eine begrenzte aber erneuerbare Ressource. Durch Nutzung geht Wasser global gesehen nie  verloren, es wird auch nicht verbraucht, allerdings kann Wasser in einer Region verloren gehen, abgeleitet werden, verdunsten. Es geht also  in der Wasserwirtschaft darum, das Recht auf Nutzung von Wasser mit dem Schutz des Wassers und der Gewässer zu verknüpfen. Das erfolgt fast immer über einen Konsens aller Betroffenen und ist so im Wasserrecht verankert. Den Schutz des Wassers und der Gewässer für alle anderen Nutzer (inklusive der Natur) hat beim Erstreiten des Konsenses die öffentliche Hand zu vertreten.“

Die Privatisierung von Wasser, wie sie von manchen geschäftstüchtigen Managern gefordert wird, ist aus Sicht des Wissenschaftlers keine Option für die Zukunft. Kroiss: „Wasser ist keine Handelsware, sondern gehört allen. Es ist ein Erbgut, das wir den nächsten Generationen übergeben müssen. Der Schutz des Wassers und der Gewässer vor den Folgen der Nutzung muss eine öffentliche Aufgabe bleiben.“ Dies sieht Kroiss in Europa durch das Europäische Wasserrecht abgesichert. Für den Know-how-Transfer in Entwicklungsländer gibt es aber ein Problem: „Know-how, das in Österreich in großer Menge vorhanden ist, kann international kaum Wirkung entfalten, weil es überwiegend in öffentlicher  Hand vorhanden ist. Diese hat keinen Auftrag und damit auch kaum Möglichkeiten, ihr Know-how zu exportieren.“ Wenn der Betrieb von Anlagen privatrechtlich durchgeführt wird, wird der Transfer erleichtert, auch wenn die Anlagen selbst im öffentlichen Eigentum bleiben. Laut Kroiss „gibt es international gute Modelle, wie man private Betreiber für öffentliche Eigentümer unter Kontrolle hält“.

Wird der Klimawandel zu Verschärfung der Wasserproblematik führen? Laut Kroiss führt der Anstieg der Temperatur zu einem Anstieg der Verdunstung. Ob und vor allem wo die Auswirkungen des Klimawandels auf Extremereignisse zu erwarten sind, kann die Wissenschaft derzeit nicht gesichert beurteilen. Der Einfluss der Menschen auf den globalen Wasserkreislauf wird durch den Einfluss der Weltmeere, die zwei Drittel des Globus bedecken, stark gedämpft: „Allein die Wasserverdunstung durch die Sonneneinstrahlung auf die Erde entspricht derzeit einer Dauerleistung von ca. 2000 kW pro Einwohner (48.000 kWh/E/Tag), der aktuelle globale Einsatz von fossiler Energie dagegen nur einer Dauerleistung  von ca.  2,3 kW pro Einwohner. In Relation zur riesigen Energie, die im Wettergeschehen steckt, wirkt der Energieverbrauch des Menschen nur marginal auf das Klima. Das Problem liegt nicht im Energieeinsatz sondern in der Veränderung der  Atmosphäre zufolge unseres Einsatzes fossiler Energie.“

Resümee: Der globale Wasserkreislauf wird zwar nicht weniger, die regionale Verteilung der Wasserressourcen kann sich ändern und die Bevölkerung der Erde wird noch stark zunehmen. Der Umgang mit Wasser muss daher in vielen Regionen strenger geregelt und durch technische Maßnahmen unterstützt werden. Zur Zeit hat ein Drittel der Menschheit keinen direkten Zugang zu Trinkwasser. Sollte sich in den nächsten 25 Jahren nichts ändern, wird der Anteil nach Schätzungen des Alternativen Weltwasserforums in Genf auf zwei Drittel ansteigen. Dabei geht es nicht nur um die Wasserver- und -entsorgung in Entwicklungsländern, sondern auch um das Konsumverhalten und die Ernährungsgewohnheiten, denn sie können die Wasserprobleme nicht nur in den Entwicklungsländern sondern auch in den entwickelten Ländern verschärfen. So braucht es zur Herstellung einer einzigen Tasse Kaffee 140 Liter Wasser, wenn man den gesamten Weg der Kaffeebohnen berücksichtigt, wie dies  John Anthony Allan, der Wasser-Nobelpreisträger 2008, berechnet hat. Mit Allan wird man künftig eine Frage öfter stellen: was soll wo produziert werden, ohne unnötig Wasser dort zu vergeuden, wo es für die Menschen und/oder die Natur an Wasser mangelt?

The Global Player, September 2010

ILLUSTRATION: Ernst Zdrahal

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