Postowjetische Malerei und Skulptur 1990 bis 2010
Eröffnung: 12. April 2010 um 18.00 Uhr im Kunstraum in den Ringstrassen Galerien
Nach dem Ende der Sowjetunion haben sich schnell neue Russland-Klischees gefestigt: Oligarchen wie Deripaska und Abramowitsch sind bei uns so bekannt wie Hollywood-Stars. Doch die bildende Kunst der ehemaligen Sowjetunion scheint mit Malewitsch, Kandinsky und Chagall ihr Ende gefunden zu haben. Dass Russland viel mehr zu bieten hat, beweist die Ausstellung Russia Contemporary im Kunstraum in den Ringstrassen Galerien.
Hubert Thurnhofer, Galerist und Kurator der Ausstellung, war schon zu Beginn der 1990er Jahre als „Brückenkopf“ für russische Künstler, die im Westen ausstellen wollten, tätig und organisierte Einladungen und Kontakte zu österreichischen Kunstvereinen. Seit 1994 führt er seine eigene Galerie, seit 1997 den Kunstraum in den Ringstrassen Galerien in der Wiener City. Bis heute ist Thurnhofer die erste Anlaufstelle für viele Künstler aus Russland und der ehemaligen Sowjetunion. Als Kurator von Russia Contemporary hat Thurnhofer das Atelier an der Donau und The Eastern Art Gallery eingeladen, die besten Werke ihrer Sammlung im Rahmen der aktuellen Ausstellung zu präsentieren.
Der junge, von Beginn an international tätige Kunstverein Atelier an der Donau unter der künstlerischen Leitung von Atanas Kolev hat in den vergangenen vier Jahren über einhundert Künstler, darunter viele aus Osteuropa, zu einem Sommersymposium nach Pöchlarn eingeladen. 2007 ist es Kolev gelungen, den Shooting Star Roman Zaslonov an die Donau zu bringen. In dem Bild „Theater an der Donau“ vereint Zaslonov altmeisterliche technische Brillanz mit einer historisierenden Bildgeschichte vor der Kulisse von Pöchlarn. Dem Atelier an der Donau verdankt die aktuelle Ausstellung auch Bilder des Künstlerpaares Olga & Sergej Kamenoj und der Petersburger Künstlerin Ekaterina Rozhkova.
Der aus Weißrussland stammende Zaslonov zählt zu den best verkauften Künstlern der renommierten Pariser Galerie Frédéric Got Fine Art. Zu den best verkauften Russen in Österreich zählt Igor Leontjew, seit 1997 exklusiv im Kunstraum vertreten ist. Leontjew lässt sich in seiner Vielfalt am besten mit Gerhard Richter vergleichen. Er setzt seine Ideen in völlig unterschiedlichen Stilen um, aber nicht in postmoderner Manier als Stilmix, sondern immer stilsicher in Anlehnung an eine bestimmte Tradition, von surreal bis abstrakt. Doch Farbintensität und kompositorische Stringenz bilden eine Klammer, die ihn unverkennbar machen. Ähnlich vielseitig ist Petr Puschkarjow, der für die Weltausstellung in Sevilla eine Kopie der Rubljow-Ikone „Dreifaltigkeit“ im Maßsstab 1:1 angefertigt hat, gleichzeitig aber auch als Maler und Multimedia-Künstler tätig ist. In Russia Contemporary zeigt Puschkarjow moderne Ikonen und Grafiken. Mit dem Kopieren von Ikonen und ganzen Ikonostasen hat Kirill Scheinkman während der Sowjetzeit in einem Moskauer Keller-Atelier sein Brot verdient. Erst im Laufe der Perestrojka hat er sich als Künstler aus dem Untergrund gewagt und wurde 1994 nach Mürzzuschlag und 1996 nach Linz zu Ausstellungen eingeladen.
Einer der herausragenden Künstler der Ausstellung ist Sergej Manzerew, der in Moskau in der Nähe des Puschkin-Museums das Roehrich-Denkmal errichtet hat und derzeit an einem Skulpturen-Park in Zelenograd arbeitet. Im Kunstraum ist er allerdings mit Gemälden vertreten, und zwar mit Malerei in einer Intensität, die für Bildhauer einzigartig ist. So wie Manzerew ist auch Michail Nogin Absolvent der Moskauer Stroganow-Kunsthochschule. Mit seinen monumentalen Skulpturen ist er in Österreich nicht mehr zu übersehen. Er hat in Tulln das Egon-Schiele-Denkmal (2000), die Reiterstatue Kaiser Marc Aurels (2001) und das Niebelungen-Denkmal (2005) errichtet. „In Österreich hätte ich für ein Werk dieser Größe gar keine Gießerei gefunden“, erzählt Nogin, der die Figurengruppe in Russland selbst gegossen und dann mit Tieflader nach Österreich transportiert hat.
Ähnlich wie Thurnhofer in Russland hat der Ost-Manager Gerald Klebacz während seiner Auslandsaufenthalte enge Kontakte zur ukrainischen Kunstszene geknüpft. Mit einem untrüglichen Instinkt für Qualität hat er eine hochkarätige Sammlung ukrainischer Kunst aufgebaut. Die Künstler, die Klebacz nach Gründung der Eastern Art Gallery erstmals 2005 auf der ART Innsbruck präsentiert hat, sind ein Beweis dafür, dass das Phänomen der Leipziger Schule kein Einzelfall ist. So findet sich die Synthese aus solidem Handwerk, bewusster Auseinandersetzung mit der Tradition und originärer Transformation klassischer Techniken in eine zeitgemäße Formensprache ebenso gut in der „Lemberger Schule“, die Vitalij Manuilov absolvierte, oder in der „Rostover Schule“, die Alexander Bondarenko absolvierte, so gut wie in allen anderen Akademien der ehemaligen Sowjetunion und des ehemaligen Ostblocks.
So spannt diese Ausstellung den Bogen von der der „Kiewer Rus“ über Weißrussland bis in die Metropole Russlands, wo sich nach dem Ende der Sowjetunion neben immer noch stark dominierenden Staatskünstlern eine vielfältige, dynamsiche Szene etablieren konnte. Einen Querschnitt dieser Szene zeigt Russia Contemporary.
Bild: Igor Leontjew, Das Letzte Abendmal, Öl auf Leinwand, 95x100 cm
Alle Künstler der Ausstellung: Alexander Abramow (*1947 in Moskau), Natalia Bessonowa (1963 in Murmansk), Olexandr Bondarenko (*1949 in Mariupol), Boris Ionaitis (1944-2004), Marina Janulajtite (*1965 in Moskau), Olga & Sergej Kamenoj (*1959 in Kharkov), Igor Leontjew (*1957 in Riga), Sergej Manzerew (*1957 in Pensa), Michail Nogin (*1959 in Pensa), Vitaliy Manuilov (*1949 in Rovno), Nikolaj Postnikow (*1945 in Moskau), Sergej Potapow (* 1947 in Riga, siehe auch Vernissage Feber 2008), Petr Puschkarjow, (*1941 in Moskau), Ekaterina Rozhkova (*1969 in Moskau), Kirill Scheinkman (*1935 in Leningrad), Valeria Schuwalowa (1956-2002), Roman Zaslonov (* 1962 in Minsk)
Kooperations-Partner:
der Kunstraum in den Ringstrassen Galerien – www.thurnhofer.cc
Atelier an der Donau - www.atelieranderdonau.at
Eastern Art Gallery - http://www.easternartgallery.com
Weitere Infos:
Ausstellung Kulturschloss Reichenau: Russland 1990 – 2020
Dauer: Samstag 25.7-So 23.8.2020
Geöffnet TÄGLICH von 10:00 bis 16:00 Uhr