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28.2.2014

S.g. Damen und Herren,

 

ich möchte nicht versäumen, Ihnen und uns zur heutigen Entscheidung zu gratulieren. Mein Name ist Hubert Thurnhofer, ich bin ein Bürger dieses Landes. Es steht wohl außer Zweifel, nicht nur in diesem Kreise, dass wir es mit einem der genialsten Künstler des 20. Jahrhunderts zu tun haben, mit einem herausragenden Vertreter der Malerei, wenn wir heute schon den Geburtstag von Oskar Kokoschka feiern. Da liegt nichts näher, als jenen Mann mit dem Namen Kokoschka zu dekorieren, der schon von Jahrzehnten höchstpersönlich der Malerei den Totenschein ausgestellt hat.

 

(An dieser Stelle packte mich ein Muskelmann und ich beugte mich der Gewalt. Eine Handvoll spendete Applaus - meinem Auftritt oder meinem Abgang sei dahingestellt.).

 

Es steht mir nicht zu, die künstlerischen Leistungen des Ausgezeichneten zu beurteilen, aber meine Meinung darf ich hoffentlich sagen. Meiner Meinung nach gibt es Bessere. Allein in Österreich kenne ich dutzende, ja hunderte Künstler und Künstlerinnen, die ausgezeichnet sind, aber nie ausgezeichnet werden. Da muss in einer Demokratie wohl die Frage erlaubt sein, wie solche Jury-Entscheidungen zustande kommen.

 

Bisherige Entscheidungen, egal ob Kokoschka-Preis oder Staatspreis – immer wenn Geld im Spiel ist und ein Geehrter nicht nur einen warmen Händedruck bekommt – wurden offenbar mit der Intention verliehen, der Welt zu beweisen welch tolle politische Kultur bei uns herrscht: die Kultur der Freunderlwirtschaft, der Gefälligkeiten und Selbstgefälligkeiten. Herr Minister, Frau Sektionschefin, vielleicht können Sie mir erklären, was Österreich der Welt beweisen will, wenn man Künstlern wie Yoko Ono oder Raymond Pettibon 20.000 Euro Steuergeld rüber schiebt. Mickrige 20.000 Euro – die merkt Yoko gar nicht, wenn sie ihre Kontoauszüge für die Tantiemen von Jonny prüft. Oder Pettibon, den in Österreich niemand kennt. Das hab ich empirisch evauliert!

 

Zwei Monate nach der Verleihung des Kokoschka-Preises an Pettibon hab ich in Graz 400 Kunstschaffenden die Frage gestellt, wer Pettibon kennt. Niemand, null Prozent! Und das bei einer Auswahl der steirischen Kulturelite bis hinauf zum „Kunstbischof“ Kapellari! Zur Aufklärung: Der Top Hammer Preis für ein Werk von Pettibon im Vorjahr betrug 1,15 Millionen Euro! Und da schiebt ihm die Republik Österreich noch mickrige 20.000 hinterher! Meine Damen und Herren, ein Pettibon, eine Yoko Ono können sich damit nicht einmal einen Flug mit dem Privatjet leisten, um sich die Prämie abzuholen.

 

Dagegen gibt es aber dutzende, ja hunderte Künstler und Künstlerinnen in Österreich, die ausgezeichnet sind, aber nie ausgezeichnet werden! Künstler, die mit so einem Preisgeld ein Jahr oder länger sorglos schaffen könnten! Aber eine abgehobene Jury mit dem weltweiten Horizont kann in solchen Tiefen offenbar nicht graben. Abschließend würde mich daher  von unserem neuen Minister nur  interessieren, ob er diese antisozialdemokratische Politik prolongieren wird, oder ob ihm einmal etwas Neues einfallen wird.

(Leider konnte ich mich an der Stelle nicht für die Aufmerksamkeit des Publikums bedanken.).

 

Hubert Thurnhofer

P.S. Der Oskar Kokoschka Preis 2014 ging übrigens an Peter Weibel.

 

FEEDBACK:

Von: Schurian Andrea [mailto:Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!]
Gesendet: Samstag, 01. März 2014 07:39
An: Hubert Thurnhofer
Cc: Kronsteiner Olga; Föderl-Schmid Alexandra; Bronner Oscar
Betreff: Re: Meine Rede zur Verleihung des Oskar Kokoschka Preises 2014, die ich nicht halten durfte!

inhaltlich ist es nicht so falsch argumentiert, wäre ein kontroversieller kda (Anmerkung: Kommentar der anderen), der sicher diskussion auslösen würde. aber ich habe keine ahnung, wer herr thurnhofer ist. kunsthaus in den ringstraßengalerien? nie gehört noch gesehen. kitsch? 

lga

NACHSATZ

.... wobei die behauptung, dass petibon  "unter kunstschsffenden" unbekannt sei, ziemlicher unsinn ist.

Dr. Andrea Schurian

Ressortleiterin Kultur, Der Standard

Vordere Zollamtsstr. 13, 1030 Wien

 
Lieber Hubert,
ich finde deine "NICHT REDE" sehr bemerkenswert.
LG Hansi Hubmer
 
 
Eva Rossmann via facebook: das hat was!!!!
 
 
Julia Pfefferminzblatt via facebook: Danke! Hab ich schon geteilt!!! Ja und Kunst in Österreich ist politisch! Siehe Arnulf Rainer...hat soagr ein Museum in Baden bekommen...ÖVP... Schlimm! Weil seine Werke gefallen mir nicht
 
Esther Esy Follmer via facebook: DANKE
 
Ursula Pfeiffer und Marina Sagl gefällt das.
 
Peter Rosegger via Mail: Hallo Hubert, gute Rede, schade, dass Du Sie keiner breiten Oeffentlichkeit vortragen konntest.
 

Anneliese Thurnhofer via Mail:Lieber Hubert ! Deine Rede, die du nicht halten durftest, ist dafür in den Augen der LESER SEHR GUT GELUNGEN !!! Meine Glückwünsche hast du jedenfalls. LG Anneliese

 

Joachim Schuller via Mail: Gratulation zur (leider) nicht gehaltenen Rede!

 

NACHSATZ 22.11.14: Das Belvedere bewirbt das Universal-Genie Weibel und dessen Ausstellung im 21er-Haus (17. Oktober 2014 bis 18. Jänner 2015) in einem Standard-Advertorial: "Der Medienkünstler, Schauspieler, Theoretiker, Musiker und Museumsleiter Peter Weibel, der in den 1960er- und 1970er-Jahren zu den österreichischen "Rebellen" zählte, beschäftigt sich in seinem Schaffen mit Themen wie Mechanismen der Wahrnehmung und des Denkens, der Eigenwelt von Apparaten, der Krise des Bildes und des Museums oder der Repräsentation. Seine Arbeit ist eine scharfsinnige Analyse der Beziehung von Kunst, Politik und Ökonomie und den Bedingungen des Betriebssystems Kunst."


Siehe auch:

Kadenz zur Preisverleihung

Eine Frage an Peter Weibel

Dekadenz der Preisverleiher

 

Hubert Thurnhofer

Die Kunstmarkt-Formel

ISBN 978-3-7357-7052-3

 

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