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Noch nie war es so langweilig, das aktuelle kulturelle und politische Geschehen zu kommentieren, wie in diesem lauen Advent. Schüssel hat sich selbst übertrippelt und seine ganze Partei in Abseitsstellung gebracht bevor seine Mannschaft wieder Aufstellung nahm um langsam aber doch den Wahlausgang zur Kenntnis zu nehmen. Bei Gusenbauer erleben wir indessen die Metamorphose vom kritischen Juso zum koalitionsfähigen Kanzlerkandidaten. Und die Grünen können wieder in aller Ruhe Forderungen stellen, weil sie sicher die nächsten vier Jahre in keiner Regierung den Beweis der Durchführbarkeit erbringen müssen. Das Allesschondagewesengefühl lässt sich nicht vertreiben. Was bleibt einem da zu kritisieren? Die Kritik an sich.

Die Macht der Kritiker will nun die basis wien mit einem neuen Kritikerpreis relativieren und hat deshalb den Art Critics Award ins Leben gerufen, wobei KünstlerInnen über KritikerInnen urteilen dürfen. „Einerseits wird die Stellung des Kunstkritikers gemeinhin als eine Machtposition innerhalb des Systems Kunst verstanden und man gesteht ihm zu, über Karrieren oder Verkaufszahlen entscheiden zu können. Andererseits lässt sich ein Desinteresse von Seiten des Marktes an dieser Kennerschaft feststellen und Kritiker selbst bewerten ihren Einfluss als sehr bescheiden“, schreiben die Initiatoren des Awards (siehe http://www.artcriticsaward.com)

Auch der Galerist Manfred Lang sieht im Felde der Kritik, insbesondere der Kunstkritik, Handlungsbedarf. „Sicher - jetzt haben die über Kultur Schreibenden weniger Zeilen um zu berichten. Da fügte es sich gut, dass Kulturkritik als nicht mehr zeitgemäß von der bequemeren Berichterstattung abgelöst wurde. Also wird in Zeitungen nur mehr eventgemäß berichtet, welcher Schicki was gesehen oder welcher Micki was gekauft hat - und wichtig natürlich - zu welchem Preis“, moniert er in www.artmagazine.cc artmagazine.cc sei Dank, dass nicht nur über Schicki und Micki bei der letzten Wohltätigkeitsauktion berichtet wird. Doch man darf sich nicht wundern, wenn Kritik-Müdigkeit beim Leser aufkommt wenn er immer wieder mit Leerformeln und – noch schlimmer – mit den Vorurteilen gefüttert wird, und das ausgerechnet auf Plattformen wie dem artmagazine.cc.

So schreibt Wolfgang Pichler unter dem Titel „Zeitgenossen gar nicht zeitgenössisch“: „Selten ist es geworden, dass KünstlerInnen ganz ohne ironische Brechungen mit klassischen Materialien und Techniken arbeiten. Solche Werke sind zumeist nur im Museum oder in diversen Hobbykunstausstellungen zu sehen.Umso erstaunlicher ist es, wie hier, solche Arbeiten als "contemporary" und in einem ernstzunehmenden Rahmen präsentiert zu bekommen.“ Es geht dabei um eine Ausstellung bulgarischer Künstler im Künstlerhaus. Hier hat wieder einmal ein ganz kritischer Geist einen Blick nach Osteuropa gewagt und festgestellt, dass die Kunstproduktion in einem Land wie Bulgarien nur unter Anführungszeichen als "contemporary" bezeichnet werden könne, arbeiten die KünstlerInnen doch mit "klassischen Materialien und Techniken" was heute nur noch "im Museum oder in diversen Hobbykunstausstellungen zu sehen" ist. Dieser Schwachsinn müsste denn wohl auch für jüngst alle auf der Art Cologne vertretenen Künstler und Galerien gelten. Bulgarien war dort allerdings nicht vertreten.

Vom Kunstkritiker zum Medienkritiker mutierte Rainer Metzger in einer Glosse über das zehnjährige Jubliäum der Kunstzeitung. „Sie ist gern einmal vergriffen, und sie vergreift sich schnell. In einer Zeit, in der man eine neue Wissenschaft bemühen muss, um den Unterschied von Bild und Kunst dingfest zu machen, hält sie es mit der Nivellierung dieses Unterschieds. Sie heißt Kunstzeitung, und sie ist die Bildzeitung der Kunst. Gerade ist sie zehn Jahre alt geworden, wie sie in einer Druckqualität aus anno Citizen Kane als Stapelware die Ausstellungen bevölkert. 200.000fach macht sie sich an die Menschheit heran, und in der Bananenrepublik namens Kunstbetrieb hat sie eine Verbreitung wie nicht einmal die Krone. Sie ist wüstester Boulevard, und als solcher erzeugt sie ihre eigene Welt.“

Es ist doch erstaunlich, wie sich Metzger aufplustert und offenbar völlig vernebelt nicht mehr imstande ist, den Journalismus einer Bild-Zeitung von dem Qualitätsjournalismus der Kunstzeitung zu unterscheiden. Ja, Qualitätsjournalismus, den man in den Kunstressorts österreichischer Tageszeitungen häufig vermisst. Dass die Kunstzeitung als Qualitätszeitung sogar eine Auflage schafft, die für eine Sportzeitung sensationell wäre, muss einem Kritiker im Elfenbeinturm natürlich suspekt sein. Dass „Stapelware“ zur „Bevölkerung“ von Ausstellungen beiträgt, ist immerhin eine neue Erkenntnis für einen Galeristen, der sich Tag für Tag den Kopf zerbricht, wie er seine Ausstellungen stärker bevölkern könnte.

Um:Druck, Dezember 2006/Jänner 2007

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