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(Köln, 3. November 2006) Vor zehn Jahren haben sich die beiden kunstbegeisterten Medienprofis bzw. medienbegeisterten Kunstprofis Gabriele Lindinger und Karlheinz Schmid in den Kopf gesetzt, die Kunst einem breiten Publikum nahe zu bringen. In einem anständigen Verlag würde so eine Idee sicher schnell von Controlling-Abteilungen zu Tode gerechnet werden. Nicht so bei Lindinger+Schmid. Hier hat man einfach die Ärmel hoch gekrempelt und zum damals schon bestehenden Verlagsprogramm noch eine Zeitung aus der Taufe gehoben. So hat der für Insider produzierte Informationsdienst KUNST eine durchaus massentaugliche Schwester bekommen, die KUNSTZEITUNG.

 

Schmid Lindinger Koeln2006

 

Die Auflage von 200.000 Exemplaren, günstiges Zeitungspapier anstelle von Hochglanz, die Finanzierung über Werbung dieses Konzept hat von der ersten Stunde an eingeschlagen. Ein paar Jahre später hätte man allein mit dieser Idee, gegossen in einen optimistischen Businessplan, illustriert mit vielen bunten Tortengrafiken, Millionen scheffeln können. Es wäre gar nicht notwendig gewesen, die KUNSTZEITUNG auch noch zu produzieren. Gott sei Dank ist die KUNSTZEITUNG aber vor der Geburt der New Economy entstanden und hat diese auch unbeschadet überlebt.

 

Zehn Jahre lang Monat für Monat eine Zeitung zu produzieren ist schon eine Kunst, zehn Jahre eine Kunstzeitung zu produzieren ist demnach Kunst zum Quadrat. Damit hat sich die KUNSTZEITUNG im Prinzip selbst ausgezeichnet und es bedürfte eigentlich nicht der IG Galerien um ihr einen Orden umzuhängen und nochmals zu sagen: Gut gemacht, weiter so! Da es aber auch eine andere Sicht der Dinge gibt – so hat ein gewisser Rainer Metzger gemeint, die KUNSTZEITUNG “ist wüstester Boulevard.... Sie heißt Kunstzeitung, und sie ist die Bildzeitung der Kunst” - sei hier doch erlaubt, etwas ausführlicher zur begründen, WARUM die KUNSTZEITUNG und ihre Herausgeber Lindinger+Schmid den Award KUNSTMEDIATOR 2006 verdient haben.

 

Die Auflage von 200.000 Exemplaren übertrifft alle anderen Kunstmagazine und auch viele Tageszeitungen, bei denen freilich in einem Monat in Summe wesentlich weniger über Kunst geschrieben wird als in der KUNSTZEITUNG. Da kann der Vertreter des Elfenbeinturms nur unterstellen, dass eine Redaktion sehr tief sinken muss, um solche Massen zu erreichen. “200.000fach macht sie sich an die Menschheit heran”, empört sich Metzger. Grund für die große Verbreitung ist allerdings nicht billiger Boulevard-Journalismus, sondern ein intelligentes Vertriebsmodell. So erhalten Museen und Galerien die KUNSTZEITUNG in 100er-Paketen zur Weiterverteilung.

 

Metzger hält ihr deshalb vor, dass “sie in einer Druckqualität aus anno Citizen Kane als Stapelware die Ausstellungen bevölkert.” Dass Stapelware zur “Bevölkerung” einer Ausstellung beitragen kann, ist schon eine eigenwillige Wahrnehmung. Dass man sich mit dieser “Bevölkerung” aber auch noch die Hände schmutzig macht, ist eine Zumutung für einen Kunstkritiker, für den das Lesen zur Arbeit zählt. Eine Arbeit, die uns aber bitteschön nicht an unsere proletarischen Vorfahren erinnern soll. Auch ich mache mir Monat für Monat die Hände schmutzig, wenn ich mein KUNSTZEITUNGs-Paket auspacke und in kleinere Einheiten für meine Kollegen der IG Galerien aufteile. Aber als Galerist ist man da nicht so zimperlich, denn schließlich sind wir ja gewohnt, Bilder und andere Objekte der Kunst von einer Ausstellung zur anderen zu schleppen und dabei auch selbst ordentlich anzupacken um bei den Fremdkosten zu sparen.

 

Neben hoher Auflage und billigem Papier ist die Werbefinanzierung die dritte intelligente Innovation im Segment der Kunstmedien. Eine Innovation, mit der man sich bei einem Metzger verdächtig macht: “Bekanntlich finanziert sie sich über das untere Drittel jeder Seite, in dem die Häuser ihre knappen Etats strapazieren und Werbung schalten.” Das kann nur unseriös sein, seriöse Kunstmedien werden nämlich entweder “in die Pleite getrieben oder in den Elfenbeinturm”, weiß Metzger. Dabei hat die KUNSTZEITUNG für ihre Finanzierung auch ein überzeugendes Layout gefunden das dem Leser völlig transparent vermittelt: Zwei Drittel Redaktion werden mit einem Drittel Werbung finanziert.

Der Zwischenrufer aus Wien soll nicht überbewertet werden, kann aber auch nicht unerwähnt bleiben, weil hier nicht mit gezielten, aber wohlwollenden Stichelein, die dem Wiener Schmäh eigen sind, sondern mit durchaus bösartigen Schmähungen polemisiert wird, die jeglicher Grundlage entbehren. So eine “Gratulation” hat die KUNSTZEITUNG wirklich nicht verdient. Verdient hat sie hingegen aus Sicht der IG Galerien nicht nur den Award KUNSTMEDIATOR 2006, sondern auch, dass sie mit ihrem Geschäftsmodell gutes Geld verdient. Die ursprüngliche Intention des Kunstmediator war es ja, nicht die pragmatisierten Kunstvermittler und -kritiker in Museen oder Redaktionen zu prämieren, sondern jene Personen und/oder Unternehmen, die der Kunst neue Plattformen schaffen, die mit ihren Aktivitäten neue Zielgruppen erschließen. Und das ist Lindinger+Schmid mit der KUNSTZEITUNG zweifelsfrei gelungen. Dass die KUNSTZEITUNG gut ist, beweist auch die Tatsache, dass bereits Nachahmungstäter zu finden sind. Und damit die KUNSTZEITUNG noch möglichst lange in ihrer gewohnten Qualität die Kunstszene in allen ihren Facetten beleuchten kann, dafür wünschen wir ihr auch jeden erdenklichen wirtschaftlichen Erfolg.

 

Da mir die Medienbranche auch nicht ganz fremd ist, möchte ich abschließend noch eine grundätzliche Frage erörtern. Wer mit Kunst zu tun hat, hört ständig die Frage: Was ist Kunst? Ebenso oft hört man mehr oder weniger gescheite Antworten auf diese Frage. Wer mit Medien zu tun hat, hört aber relativ selten die Frage: Was ist Journalismus? Auch wenn Sie sich diese Frage bisher gar nicht gestellt haben, ich sag Ihnen trotzdem die Antwort. Journalismus ist eine Gratwanderung zwischen Kriegsberichterstattung und Hofberichterstattung. Und was ist Qualitätsjournalismus? Das ist die Kunst, auf dieser Gratwanderung weder auf der einen noch auf der anderen Seite abzustürzen. Man muss dafür wahrscheinlich die Charaktereigenschaften eines Dienstmannes und eines Supermanns in sich vereinen. Oder vielleicht verlangt es auch nur die perfekte Arbeitsteilung. In diesem Sinne: danke Dienstmann, danke Superwoman.

 

Die Auszeichnung in ihrer künstlerischen Ausformung kommt übrigens so wie immer auch in diesem Jahr wieder vom steirischen Künstler Franz Wieser .

 

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