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Ein Jahr nach seiner Ausstellung im Nitsch-Museum in Mistelbach zeigt nun der Kunstraum in den Ringstrassen Galerien die bisher größte Personal-Ausstellung von Alfred Biber in Wien. Die Retrospektive bietet einen umfassenden Überblick von den frühen Arbeiten aus den 1970er Jahren bis heute.

Eröffnung am Montag, 6. Juni 2011 um 18.00 Uhr. Die Laudatio hält der Filmregisseur, Schauspieler und Autor Peter Kern (Foto).

Peter_Kern

 

Laudatio Alfred Biber

Seine Lieblingsmusik: La Boheme

Alfred Biber, geboren am 22.August.1942 in Wien. 1958 bis 1963 Studium an der Graphischen in der Westbahnstraße in Wien. Graphiker und Designer, sowie Bühnenmaler bis in die 70 iger Jahre.

Krisenhafter Bruch mit diesen Tätigkeiten Ende der Siebzigerjahre, völliges Einstellen der Portraitmalerei und des Arbeitens vor der Natur. Entwickelt von da an unter dem Titel Übermalungen eigener Arbeiten eine neue malerische Grammatik, die nun nicht mehr aus Ordnungsmodellen, sondern aus einem permanenten Programm der Unordnung besteht und es ermöglicht, sich mit der Welt aufs Neue einzulassen.

Univ. Prof. Dr. Peter Leisching schrieb über Alfred Biber: Alfred Biber ist einer der starken Malerpersönlichkeiten Österreichs. Wir haben es in seinem Werk mit einer zweiaktigen dynamischen Malerei zu tun, die dem abstrakten Expressionismus nahe steht. Im ersten Abschnitt setzt Biber seine ausgezeichnete Könnerschaft als Zeichner ein: Abbildhafte, gegenständliche Malerei entsteht, zumeist nackte Frauenkörper, die in der Sinnlichkeit, Erotik, ja pornografischen Gestaltungen den Photorealismus erinnert, aber auch altmeisterliche Zitate, etwa die Sybillen des Michelangelo, Rubens, Kremserschmid und anderes enthalten. Im zweiten Aufzug tritt ein Akt der „Selbstverleugnung“ ein, eine Art „Magie des Verschwindens“. Bibers geheimes Ziel ist es hierbei „dass am Ende jede Verführung des Blickes verunmöglich ist.“ Die genialen Bildgründe werden zum Agressionsziel. „Virtuose Pinsel“ schlagen in das Fleisch der Frau, des Dargestellten: Er setzt sich mit der Waffe des Pinsels einer Orgie der Heilung aus, er erlöst sich und andere durch einen Kampf von verdrängten Energien. Man kann hierbei an den Psychoanalytiker Otto Gross und an die Vorstellung der Bioenergetik von Wilhelm Reich denken. Soweit der Universitätsprof.

Soweit so schön, so richtig und gut, aber heute wurde ein Arbeiterkind aus dem zweiten Hieb gebeten die Laudatio auf das Werk Alfred Bibers zu halten. Klar, dass ich vor dem Werk Bibers stehe und meine eigenen Assoziationen habe. Der Universitätsprof. sagte uns: das am Ende jede Verführung des Blickes verunmöglicht ist“.

Gnädige Frau, wenn sie sich bitte diesen Satz merken, ich komme später darauf zurück.

DAS AM ENDE JEDE VERFÜHRUNG DES BLICKES VERUNMÖGLICHT IST

Ich möchte meinen Widerspruch mit einem Gedicht illustrieren.

 

Über die Verführung der Engel

Engel verführt man gar nicht oder schnell.

Verzieh ihn einfach in den Hauseingang

Steck ihm die Zunge in den Mund und lang

Ihm untern Rock, bis er sich nass macht, stell

Ihn das Gesicht zur Wand, heb ihm den Rock

Und fick ihn. Stöhnt er irgendwie beklommen

Dann halt ihn fest und lass ihn zweimal kommen

Sonst hat er dir am Ende einen Schock.

Ermahn ihn, dass er gut den Hintern schwenkt

Heiß ihn dich ruhig an den Hoden fassen

Sag ihm, er darf sich furchtlos fallen lassen

Dieweil er zwischen Erd und Himmel hängt -

Doch schau ihm beim Ficken nicht ins Gesicht

Und seine Flügel, Mensch, zerdrück sie nicht!.

 

Keine Angst, ich schmücke mich nicht mit fremden Federn, aber ich bin mir sicher, das ehrenwerte Publikum weiß längst wer dieses Gedicht geschrieben hat. Berthold Brecht meine Damen und Herrn war der Dichter. Er hat es in der Schweiz verfasst und es mit dem Namen eines verklemmten Zeitgenossen unterschrieben. Thomas Mann.

Vor ca zwei Wochen war ich zum Essen mit Lisl und Alfred Biber verabredet. Zuerst hieß es, wir treffen uns bei mir, ich wohne ebenerdig und habe einen Garten. Nun kann Biber ausgelöst durch einen Schlaganfall schwer Stiegen steigen und auch ich hasse es Stiegen zu steigen ausgelöst durch einen Berg von Fett den ich nicht bereit bin abzulegen. Alfred sowie ich halten es eben mit Sheakespeare, „so lange ich fliehen kann noch da schütze ich mich“. Ich mit meinem Fett, er schützt sich mit einem Schlaganfall. Die geniale Fotokünstlerin Lisl Biber fuhr durch Bisamberg um ein Esslokal mit lokalen Spezialitäten für uns ausfindig zu machen. Mir schwebte knuspriger Schweinebraten mit Kartoffelknödel oder Krautfleckeln durch das Hirn. Voraussetzung war: ebenerdiger Eingang, gutes Essen, und Parkplatz vor der Tür. Ich musste bis Langenzersdorf reisen um am Ziel festzustellen, das es keinen Parkplatz vor der Türe und das Lokal mit fremdartigen Ornamenten verziert war. Davor standen vermutlich Gurkenpflücker aus Polen und rauchten gemütlich eine Zigarette. Ich parkte in hundert Meter Entfernung und beerdigte meinen Schweinsbraten mit Erdäpfelknödel im Geiste. In hundert Meter Entfernung lag das Lokal. Hundert Meter mit einer Titan-Hüfte und Stock !

Schritt für Schritt kam ich diesen Ornamenten näher. Wieso bestellt mich Lisl hierher, wurde das Lokal von Alfred Biber ausgestattet? In einer Loge sitzt das Paar Biber. Nicht mehr so frisch wie vor vier Jahren, wo ich die Hochzeitsrede halten durfte, dafür aber hungrig. Man hatte für mich einen Spezialstuhl vorbereitet. Aber sagen sie einmal zu einem Chinesen, ein dicker kommt. Um mich zu beruhigen überreichte mir Liesel Biber lila Rosen (vermutlich aus ihrem Garten- sie waren geruchlos) und Kirschen, ich glaube es müssen Tollkirschen gewesen sein, nach dem Durchfall den ich am anderen Tag hatte.

Die Speisekarte frohlockte mit Dim Sum Küche, die Frühstücksküche der Hong Kong Chinesen und ich entschied mich für a1 a7 a5 und a8. Lisl bestellte a3 a2 a4 und a8. Warum bestellt sie jetzt das gleiche das ich auch bestellt habe zwei mal a8? Ich hoffte doch, dass sie ihre Bestellung mit mir teilen würde. Man bemerkte meinen Frust nicht und Alfred bestellte 212, 378 und 501. Na ja, meine Herren, für einen ehemaligen Schlaganfallpatienten mehr als reichlich. Aber, dachte ich, vielleicht hat er ja vor, mit mir zu teilen, dann wäre die Bestellung ja gerecht.

Im Zentrum dieses Treffens war das Warten auf das Essen. Ich stellte Alfred banale Fragen wie: Was werden deine Themen in der Zukunft? Alfred Biber: „Der Schwerpunkt sind nackerte Weiber und dann auch religiöse Motive“ und auch: Wen liebst du wie dich selber? Biber: „Wie Sie alle Bin Laden erschossen haben, haben alle gejubelt. Frau Merkel freute sich. Man darf sich nicht freuen, wenn ein Mensch stirbt. Das Gegenteil der Bergpredigt. Da begann ich Osama zu lieben wie mich selber“.

Während die Dim Sum Vorspeisen serviert wurden erzählte Biber weiter. Seine Übermalungen kommen aus den Opferriten, wo der Mensch und ihre Kräfte mit dem Himmel und dem Jenseits in den Dialog treten wollen, weil von den Pharaonen…… . Ich besaß die Unverschämtheit nicht mehr hinzuhören und stopfte mir genüsslich den Reisteig mit Garnelen in den Bauch. Und da er viel zu erzählen hatte, konnte ich mich auch, von ihm unbemerkt, an seinem Essen vergehen. Manchmal wenn Alfred seinen Kopf nach vorne fallen ließ um die Gedanken fließen zu lassen, versuchte seine Frau Lisl einzuspringen und die Frage zu beantworten.

Das war dann auch die Zeit von ihrem Dim Sum A3 a4 und a2 zu probieren. Dummerweise stellte ich beiläufig die Frage, wie es denn zu dem Schlaganfall gekommen war. „Das passierte in diesem Lokal“. Mir fiel die Gabel aus der Hand, der Appetit nahm Abschied. Unter dem Tisch fühlte ich meinen Puls. Die Speisen begannen plötzlich Walzer zu tanzen, ich hörte schon den Nothubschrauber für mich ankommen. Erst jetzt verstand ich diese Einladung, man will sich an mir rächen, für die Hochzeitsrede die ich vor vier Jahren gehalten hatte. Ich musste mich ablenken und fixierte wie hypnotisch Liesel Bibers Gesicht.

Ist sie das „nackerte Weib“, das immer und immer wieder in den Bildern von Biber gemalt und wieder übermalt wurde? Wo sind sie, die Frauenzimmer, diese magischen Wesen die den virtuosen Pinsel in ihre Fleisch schlagen ließen Biber: „Es gab Zeiten wo die Darstellung des Nackten eine Funktion hatte, um die Schönheit des Menschen zu erforschen (Dürer), später um die Prüderie aufzubrechen und um das Monopol der Kirche auf die Verwaltung der Sexualität – ohne Erfolg – anzufechten. Das Nackte war Provokation in dieser Richtung. Heute handelt es sich darum: Das Nackte im Bild ist eine Metapher für Sexualität. Die Sexualität aber ist nur in der Sexualität und nirgendwo anders.“

Wie bist du zur Kunst gekommen? Biber: „Als Kind erlebte ich Kunst als etwas Elementares, mein Vater übte für die Opernbühne, meine Mutter begleitete ihn am Klavier. Ich saß unter dem Klavier. Diese Lautstärke. Dieses Pathos. Diese Streitereien. Es war mir klar, dass das hier das wichtigste auf der Welt sein musste, wenn der Vater und die Mutter solchen Lärm machten. Ich setze das wahrscheinlich auf meine Weise fort. Außerdem konnte ich von dort meiner Mutter unterm Rock schauen.“ Es sind also die Frauen, die in uns Männern Kunst auslösen, weil Frauen von Natur aus Kunstwerke sind. Frauen sind das Glück dieser Erde, darum berauschen sie auch die Fantasie in allen Kunstrichtungen und vor allem unser Leben.

Wir stehen heute in einer der schönsten Galerien Wiens DER KUNSTRAUM. Die Wände strahlen heute, ja sie fluten den Raum und erzählen uns wie der Mensch denkt, fühlt und liebt. Mein Dank gilt unserem Gastgeber Herrn Hubert Thurnhofer der seit 1997 den Kunstraum in den Ringstrassen Galerien in bester Wiener City-Lage betreibt. Hier ist es ihm gelungen, einen internationalen Kundenstock aufzubauen. Alfred Bibers Retrospektive ist erst der Anfang von vielen Kunstwerken die noch kommen. Neben all der Ehre und den ausgebreiteten Flügeln der Fantasie, greifen wir auch in die Tasche meine Damen und Herren und verzückt zücken wir unser Geld und kaufen uns ein Werk von Alfred Biber. Den die Nahrung der Kunst, meine Damen und Herren kommt nicht vom Himmel, sie liegt in Ihrer Hand. Holen sie sich die Sinnlichkeit in Ihr zu Hause und Sie werden wieder Lust verspüren.

In diesem Sinne lassen Sie mich mit einem Gedicht von Frank Wedekind enden.

Mein Käthchen

Mein Käthchen fordert zum Lohne

Von mir ein Liebesgedicht.

Ich sage: Mein Käthchen verschone

Mich damit, ich kann das nicht.

 

Ob überhaupt ich dich liebe,

Das weiß ich nicht so genau.

Zwar sagst du ganz richtig, das bliebe

Gleichgültig; doch, Käthchen, schau:

 

Wenn ich die Liebe bedichte,

Bedicht ich sie immer vorher,

Denn wenn vorbei die Geschichte,

Wird mir das Dichten zu schwer.

 

Ich danke Ihnen.

 

Siehe auch: Terminankündigung siehe eSeL - Online-Preview der Ausstellung und Videoankündigung auf youtube

Online-Katalog von Alfred Biber

 

Bilder von Alfred Biber, die im Kunstraum der Ringstrassen Galerien ausgestellt waren.

 

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