8.2.2016 - Unternehmen, die nicht täglich dutzende Kleinbeträge kassieren, können auf eine Registrierkasse verzichten. (Ein Beitrag zur Wirtschaftsethik, erschienen in a3ECO. Das Unternehmermagazin. 1-2/2016)
Bild geliefert. Geld auf den Tisch. Abfahrt. So stellen sich das der kleine Walter von der WKO Wien und der große Hans Jörg aus dem Finanzministerium offenbar vor. Und wenn´s so wäre: welche Registrierkasse dieser Welt soll mich daran hindern, dies auch in Zukunft so zu handhaben? Tatsächlich ist es aber so: Bild geliefert, Übernahmebestätigung eingesteckt, Rechnung hinterlassen, schließlich gibt’s in Zeiten wie diesen noch sowas wie Vertrauen. Und Abfahrt.
Und dann gibt’s auch noch die Fälle, wo ein Kunde nicht wochen- oder monatelang über einen Kauf nachdenkt, sondern ein Kunstwerk spontan einpacken lässt. Und auch sofort bezahlt. Mit Kreditkarte, wie sonst? Zur Erinnerung: wir haben das Jahr 2016! Das Jahr der Realisierung der größten Steuerreform aller Zeiten, so wie seit dem Ende des 2. Weltkriegs jede Steuerreform die größte aller Zeiten war. Sicher ist, dass damit die Steuerberater wieder ein bissl mehr zu tun haben. Schon jetzt lukriert mein Steuerberater das höchste Fixeinkommen aus dem Geschäft meiner Galerie, gefolgt von einer geringfügig Beschäftigten.
Der Einsatz einer Registrierkasse ist ab sofort zwingend bei einem Jahresumsatz des Betriebes größer als 15.000 Euro UND Barumsätzen von mehr als 7.500 Euro.
Was heißt das bei Jahresumsatz von 14.999 und Barumsätzen von 7.501?
Was heißt das bei Jahresumsatz von 15.001 und Barumsätzen on 7.499?
Was heißt das bei einem Jahresumsatz von knapp 100.000 und Barumsätzen von rund 1.000 Euro?
Im Fall meiner Galerie bedeutet das: 60 bis 80 Stunde Arbeit - aber das ist ein anderes Thema. Hier geht es um die Kontrolle der Bargeldflüsse. Bargeld kassiert eine Galerie in der Regel nur beim Verkauf von Büchern oder Katalogen. Nun ist aber der Gesetzgeber der Meinung, dass auch Zahlungen mit Kreditkarten als Bargeldgeschäfte gelten. Es gilt also ab sofort:
Kreditkarte = Bargeld
Welcher Logik muss man folgen, wenn man Kreditkartentransaktionen zu einem Bargeldgeschäft erklärt? Ich hab diese Frage dem Finanzministerium gestellt und erhielt folgende Antwort:
„Betrügerische Handlungen sind bei Kreditkartengeschäften nicht auszuschließen. Das Ziel der Registrierkassenpflicht ist die Stärkung der redlichen Wirtschaft sowie die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durch Umsatzverkürzungen.“ Daraufhin hab ich um Klärung gebeten, ob Kreditkartentransaktionen leichter manipulierbar sind als Transaktionen über Registrierkassen. Dazu das Finanzminsterium: „Technische Anleitungen zu Kreditkartenbetrugshandlungen kann das Finanzministerium nicht bieten.“ Ich hab nicht gefragt, WIE Kreditkartentransaktionen manipuliert werden können, sondern ob sie LEICHTER manipulierbar sind als Registrierkassen.
Wie ticken Steuerreformbeamte und deren Verhandlungspartner, die Grenzwerte festsetzen, die an sich sinnvoll sind, diese aber durch die vernunftswidrige Ausweitung des Begriffes „Bargeldgeschäft“ umgehend ad absurdum führen? Das Finanzministerium dazu wörtlich: „Der Gesetzgeber in Österreich hat entschieden, Zahlungen mit Bankomat- oder Kreditkarten sowie andere vergleichbare Zahlungsformen als Barzahlungen zu behandeln. Dies tat er vor allem aus der Überlegung heraus, dass die Verwendung von Bankomat- und Kreditkarten im täglichen Geschäftsverkehr wie Bar(geld)zahlungen erfolgen.“
STOPP. Bitte nochmals lesen! Der Gesetzgeber hat entschieden: Kreditkarte = Bargeld. Warum? Weil Kreditkarte WIE Bargeld verwendet wird. Ich vermute, dass der Gesetzgeber meint: Kreditkarten werden SO HÄUFIG WIE Bargeld verwendet. Dass sie technisch und damit steuertechnisch wie Bargeld verwendet werden, kann ich leider beim besten Willen nicht nachvollziehen. Wie bitte kann man Kreditkartengeschäfte manipulieren? Eine Transaktion, die sobald ein Betrag auf dem Terminal frei gegeben wurde, mit einem Check für den Kunden und einem Check für das Unternehmen bestätigt wird, dann über dutzende Server läuft, am Ende des Monats auf meinen Kontoauszügen und nochmals auf den Auszügen der Kreditkartenunternehmen aufscheint!
Da bleibt der Eindruck, dass sich „der Gesetzgeber“ und ein paar Beamte im Finanzministerium nicht darüber den Kopf zerbrochen haben, wie man die Transparenz im Zahlungsverkehr erhöhen könnte, sondern nur darüber, wie man zehntausende EPUs und KMUs noch ein bissl mehr schikanieren könnte. Das Finanzministerium antwortet auf diesen Vorwurf mit einem Auszug aus seiner neuesten Sonntagspredigt: „Uns geht es um faire Wettbewerbsverhältnisse und um die Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Insbesondere die Registrierkassenpflicht erhöht die Wettbewerbsgleichheit. Grundsätzlich wollen wir vereinfachen und entbürokratisieren. Die Verwaltung hat sich nach der Wirtschaft zu richten und nicht umgekehrt. Wir haben in intensiven Gesprächen mit der Wirtschaft an praktikablen Lösungen gearbeitet, uns lange Vorlaufzeit gegeben und die dafür nötigen Verordnungen und Erlässe mit einer Reihe von Ausnahmen und Erleichterungen für den jeweiligen Geschäftszweig versehen.“
WKO - die Lobby für wen eigentlich?
Ich vermute, dass an den „intensiven Gesprächen mit der Wirtschaft“ der Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, Walter Ruck, oder seine Vertreter dabei waren. Offenbar hat er bei der Umdeutung von Kreditkartentransaktionen zu Bargeldgeschäften nicht den geringsten Widerstand geleistet. Immerhin rühmt sich Ruck in seinem Weihnachtsbrief an die Mitglieder, dass „die Wirtschkaftskammer Wien alle Informationen zum Thema Registrierkasse übersichtlich und praxisorientiert in der Publikation 'Registrierkassen-News'“ zusammengefasst hat. Hier findet sich die Information:
„Nicht mehr zulässig für die Ermittlung der Tageslosung sind
- Strichliste
- Strichliste mit Bezug auf Artikel
- Standliste – Stockverrechnung
- Rechenmaschine mit Streifen“
Nachsatz: „Ein zulässiger händischer Beleg ist ein Kassenblock mit fortlaufender Nummer.“
Da dieser Artikel kein Aufruf zur Steuerhinterziehung ist, sondern ein Serviceartikel für die letzten Mohikaner, die manchmal aus reinem Enthusiasmus meistens aber aus reiner Verzweiflung 60 Stunden die Woche ihr Geschäft offen halten, sei dieser Satz hier nochmals wiederholt: „Ein zulässiger händischer Beleg ist ein Kassenblock mit fortlaufender Nummer.“
Die Stimme der kleinen Händler zählt offenbar in der WKO nicht mehr viel. Zumindest nicht bei Walter Ruck, der in seiner Weihnachtspost offenbart, was ihn antreibt und dabei aus seinem „Forderungsprogramm“ zitiert: „... steuerliche Entlastungen … finanzielle Anreize …. Beseitigung bürokratischer Hemnisse. Darüber hinaus braucht es infrastrukturelle Maßnahmen wie einen internationalen Busterminal oder eine Veranstaltungshalle für Großereignisse.“
Wie bitte? Hat Wien kein Austria Center, keine Stadthalle, keine Hofburg, kein Messezentrum, keine Marx-Halle und kein einziges Hotel mit Konferenzräumen? Hat Wien neben Neujahrskonzert, Opernball, Festwochen, Wienmarathon, Regebogenparade und dutzenden Kongressen und Messen zu wenige Events? Ich werde mich bemühen, in der kommenden Ausgabe darauf eine Antwort zu finden.
Ergänzung 2.3.2016: "Eine oststeirische Tischlerin, ein Betreiber von Grillhendlstationen und eine Schmuckdesignerin wollen die Registrierkassenpflicht zu Fall bringen", berichtet orf.at