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17.3.15 Zur Enthüllung des Porträts der verstorbenen Nationalratspräsidentin können sich viele Parlamentarier auf die Schultern klopfen und der Künstlerin Eva Schlegel gratulieren. Eine Schande jedoch, dass sich kein einziger Abgeordneter für eine korrekte Ausschreibung dieses Auftrags eingesetzt hat!

Im Mai 2013 hab ich – von der Krankheit der Nationalratspräsidentin Barbara Prammer war noch lange nichts bekannt – einen Brief an ihr Büro geschickt. Der Grund lag darin, dass Nationalratswahlen für Herbst anberaumt waren, und ein Wechsel im Präsidium des Parlaments daher nicht auszuschließen war. Mein Brief im Wortlaut:

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Frau Prammer!

Gerne wollte ich mich erkundigen, wie die Aufträge für die Porträt-Galerie der NationalratspräsidentInnen vergeben werden. Auch wenn ich persönlich hoffe, dass Sie dem Nationalrat noch lange als Präsidentin vorsitzen, wird die Frage früher oder später aktuell.

Als Präsidentin des Nationalrats könnten Sie mit der Beauftragung Ihres Porträts ein politisches Signal setzen, wenn Sie dafür eine Künstlerin mit Migrationshintergrund auswählen. Dafür möchte ich Ihnen gerne zwei Künstlerinnen unserer Galerie vorschlagen:

- Aigerim Beken, geboren 1972 in Almaty, seit 2002 in Österreich.

- Marina Janulajtite, geboren 1965 in Moskau, seit 1994 in Österreich.

Beide Künstlerinnen sind als österreichische Staatsbürgerinnen Musterbeispiele gelungener Integration und als Absolventinnen der renommierten Moskauer Kunsthochschule Surikov-Institut prädestiniert diesen Auftrag in Fortsetzung der klassischen Porträt-Tradition, aber auch versehen mit ihrer persönlichen Note, umzusetzen.

Ich hoffe, Sie für diese Idee gewinnen zu können!

Mit besten Grüßen, HT

 

Am 27. Mai 2013 erhielt ich aus der Parlamentsdirektion, namentlich von Rudolf Gollia, folgende Antwort per Mail:

Sehr geehrter Herr Thurnhofer,

vielen Dank für Ihren Brief und für den Vorschlag, das Porträt der Frau Präsidentin des Nationalrates von einer der vorgeschlagenen Künstlerinnen Aigerim Beken und Marina Janulajtite anfertigen zu lassen. Grundsätzlich werden die Porträts der Präsidenten und Präsidentinnen des Nationalrates, die wir im Empfangssalon des Parlaments zeigen, aber immer erst nach Beendigung der jeweiligen Amtszeit in Auftrag gegeben. Gegebenenfalls kommen wir aber gerne auf Ihr Angebot zurück.

Mit freundlichen Grüßen, Rudolf Gollia

Gegebenenfalls“ ist bedauerlicher Weise am 2. August 2014 eingetreten.

Mit einem kurzen Respektabstand erinnerte ich am 14. August Rudolf Gollia an mein Angebot vom Mai 2013 und erhielt am 3. September die Antwort:

Sehr geehrter Herr Thurnhofer,

ich habe Ihren Vorschlag an den Kollegen, der mit der Beauftragung des Portraitgemäldes befasst ist, weitergegeben. Sollte die Wahl auf einen von Ihnen gemachten Vorschlag fallen, wird mit Ihnen Kontakt aufgenommen.

Freundliche Grüße, Rudolf Gollia

Ich insistierte, die Kontaktdaten der mit der Beauftragung befassten Kollegen zu erhalten, erhielt statt dessen jedoch die abschlägige Mitteilung: „wie ausgeführt, werden Sie kontaktiert, sollte Interesse gegeben sein.“ (Mail vom 5. September 2014).

Am 9. September 2014 schrieb ich daher an die für Kultur zuständigen Abgeordneten aller Parteien, namentlich an Maria Fekter (ÖVP), Josef Cap (SPÖ), Wolfgang Zinggl (Grüne), Matthias Strolz (Neos) und Kathrin Nachbaur (Team Stronach) eine Mail. Auf die FPÖ hab ich vergessen.

Sehr geehrte/r Frau/Herr (Namen siehe oben)!

Ich sende Ihnen im Anhang meine Korrespondenz mit Mag. Rudolf Gollia, bezüglich des Porträts für die verstorbene Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, für dessen Umsetzung in Öl auf Leinwand ich schon im Frühjahr 2013 einen Vorschlag unterbreitet habe.

Vielleicht bin ich ja ein krankhafter Querulant. Sicher aber ein verbohrter Ignorant, der nicht bereit ist die österreichische Realverfassung zu akzeptieren!

Es geht hier um einen wichtigen, seltenen öffentlichen Auftrag, der meines Erachtens genauso transparent vergeben werden müsste wie jeder Auftrag für Bleistiftspitzer oder Toilettenpapier. Wenn das nicht so ist, muss ich zur Kenntnis nehmen, dass der Kunstmarkt offenbar weniger wichtig ist als der Markt für Bleistiftspitzer und Toilettenpapier.

Ich bitte Sie daher um Informationen über Ausschreibungsunterlagen für die Vergabe des Präsidentinnen-Porträts.

Mit besten Grüßen, HT

 

Von allen kontaktieren Parlamentarierern machte sich lediglich Wolfgang Zinggl die Mühe mir zu antworten (Mail vom 5. September 2014):

Sehr geehrter Herr Thurnhofer,
besten Dank für Ihre Informationen. Leider bin ich nicht in der Lage, ihnen Unterlagen zur Ausschreibung zukommen zu lassen, falls überhaupt welche existieren. Ich bitte Sie, sich diesbezüglich an die Parlaemntsdirektion zu wenden, so wie ich das auch machen müsste. Ich weiß aber ehrlich gestanden auch nicht, ob die Vergabe des Portraits ausschreibungspflichtig ist. Sollte das der Fall sein, gehe ich davon aus, dass das Parlament ausschreibt.
Mit lieben Grüßen
Wolfgang Zinggl
Eine Antwort, die nicht gerade von politischem Interesse an korrekter Auftragsvergabe zeugt, aber immerhin eine Antwort.
Wie der Parlamentskorrespondenz (vom 13. 3. 2015) zu entnehmen ist, kann dieser Porträt-Auftrag als Meilenstein in jeder Künstlerkarriere gesehen werden: „Es ist eine langjährige Tradition, Nationalratspräsidenten nach ihrem Ausscheiden aus ihrem Amt zu porträtieren und die Bilder in jenem Raum des Parlaments zu präsentieren, in dem hochrangige internationale Gäste empfangen und immer wieder auch Veranstaltungen abgehalten werden.“ Damit ausgerechnet und punktgenau eine Künstlerin zu beauftragen, die beste Verbindungen zu öffentlichen Auftragsgebern nachweisen kann (Eva Schlegel war u.a. 1997 bis 2006 Professorin für Kunst und Fotografie an der Akademie der bildenden Künste, Wien, war 2011 Kommissärin für den österreichischen Beitrag auf der Biennale Venedig), und andere qualifizierte Künstler und Künstlerinnen überhaupt nicht in Erwägung zu ziehn, das ist – unabhängig vom Ergebnis, das ich derzeit noch nicht kenne – ein trauriges Zeichen dafür, dass das Krebsgeschwür der Kulturlosigkeit im Umgang mit Künstlern und Künstlerinnen den Krebstod von Barbara Prammer überlebt hat. Da ich zwar aus Prinzip Optmimist bin, aus Erfahrung jedoch Pessimist, muss ich davon ausgehen, dass dieses Krebsgeschwür auch weiter wuchern wird. Bei den kommenden Kultur-Staatspreisen und vielen anderen Auftrags- und Stellenvergaben werden wir es überprüfen können.

NACHSATZ 18.3.15 Antworten von Rudolf Gollia u.a.

Werter Herr Thurnhofer,

in Verfolgung der Tradition, dass die ehemaligen NationalratspräsidentInnen die KünstlerInnen, die mit der Gestaltung ihrer Porträts beauftragt wurden, selbst ausgesucht haben, wurden in die Entscheidung, welcher Künstler oder welche Künstlerin das Bild der verstorbenen Präsidentin des Nationalrates Mag.a Barbara Prammer ausführen sollte, in erster Linie die beiden Kinder der Verstorbenen eingebunden.

Zum rechtlichen Rahmen ist festzuhalten, dass gemäß  Bundesvergabegesetz 2006 Dienstleistungsaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden können, wenn der Dienstleistungsauftrag aus technischen oder künstlerischen Gründen oder auf Grund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Unternehmer ausgeführt werden kann. Es war daher im gegenständlichen Fall eine Vergabe an eine bestimmte Künstlerin ohne weiteres Verfahren, und zwar unabhängig vom Auftragswert, zulässig.

Grüße, Rudolf Gollia

 

Sehr geehrter Herr Thurnhofer,

wie den Medien zu entnehmen war, wird das Porträt in Abstimmung mit den Kindern von Barbara Prammer, Julia und Bertram, ausgesucht. Die Nationalratspräsidentin hatte Sympathien für die Fotografie. Gemeinsam mit dem aktuellen Kunstkurator des Parlaments, dem Direktor der Kunsthalle Krems Hans-Peter Wipplinger, entschied man sich für die österreichische Künstlerin Eva Schlegel. Diese Vorgangsweise in Abstimmung mit der Familie sehen wir als sensible und umsichtige an, vor allem auch im Hinblick auf die Tragik des Falles, dass Barbara Prammer während ihrer Amtszeit verstorben ist.  

Mit freundlichen Grüßen,

Sabine Leidinger, Pressesprecherin Kabinett der Bundesministerin Dr.in Sabine Oberhauser, MAS

 

 

Sehr geehrter Herr Thurnhofer,

 

Ich habe selten ein so geschmackloses Email bekommen. Kulturlosigkeit macht eben auch vor der Sprachkultur nicht halt.

 

Mit besten Grüßen, Nicole Schreyer, Mitglied des Bundesrates, GRÜNE


Parlamentskorrespondenz Nr. 243 vom 18.03.2015

"Prammer konnte die Künstlerin nicht mehr selbst auswählen, das haben ihre Tochter Julia und ihr Sohn Bertram mit Unterstützung von Hans-Peter Wipplinger, Direktor der Kunsthalle Krems und Kunstkurator des Parlaments, für sie getan. Nicht zufällig haben sich die beiden dabei für eine Künstlerin und für das Medium Fotografie entschieden, eine Kunstform, der Prammer viel Sympathie entgegenbrachte. Er habe das Glück gehabt, Prammer noch selbst kennenlernen zu können, sagte Wipplinger, sie sei sehr kunstaffin gewesen."

 

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