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Der größte Fälscher-Prozess in Deutschlands Nachkriegsgeschichte erregt derzeit die Gemüter der Kunstwelt und der Medien. Wolfgang und Helene Beltracchi stehen mit zwei weiteren Angeklagten derzeit wegen "gewerbsmäßigem Bandenbetrug in 14 Fällen" vor Gericht. Sie haben etwa 50 Gemälde von Max Pechstein, Max Ernst und Heinrich Campendonk gefälscht und um rund 16 Millionen Euro an den Mann gebracht. Die Hauptangeklagten haben bereits ihre Schuld gestanden. Für ihre Machinationen haben sie eine schlüssige Erklärung parat, die weniger eine Entschuldigung als vielmehr ein Angriff auf die Kunstexperten ist. Helene B.: "Alles war absolut einfach."

Seit Han van Meegeren, der als Fälscher von Vermeer in die Geschichte eingegangen ist, gibt es ein typisches Muster, nach dem große Fälschungs-Stories gestrickt sind: die Kunstwelt geht davon aus, dass von bestimmten Künstlern noch unentdeckte Werke existieren müssten. Begnadete – meist als originäre Künstler gescheiterte – Fälscher werden zu Erfüllungsgehilfen dieser Ideen, indem sie der Kunstwelt geben, wonach sie schon lange gesucht hat. In diesem Umfeld dauert es dann nicht lange, bis sich ausgewiesene Experten finden, die die Echtheit der gefälschten Werke bestätigen. d.h. erst durch ihre falsche Zuschreibung einem Kunstwerk die Aura verleihen, die es ohne diese Expertise – unverdienter Weise – nicht hätte.

Van Meegeren hat seine Vermeer-Fälschung „Christus und die Ehebrecherin“ 1942 an Hermann Göring verhöckert und stand deshalb nach dem Krieg in Amsterdam als Nazi-Kollaborateur vor Gericht. Angesichts der drohenden Zuchthausstrafe legte er ein Geständnis ab, das – typisch für solche Fälle – von Experten zunächst nicht für wahr genommen wurde. Erst als van Meegeren im Gefängnis einen weiteren „Vermeer“ malte, wurde die Kollaborationsbeschuldigung fallen gelassen. Er wurde schließlich wegen Fälschung und Betrug zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, konnte die Strafe aber wegen seines Herzinfarkts nicht mehr antreten.

„Nach einer niederländischen Meinungsumfrage Mitte Oktober 1947 stand Han van Meegeren gleich hinter dem Ministerpräsidenten an der zweiten Stelle der Popularitätsliste. Viele Niederländer sahen in ihm den pfiffigen Gauner, dem es wirklich gelang, die Kunstsachverständigen der Niederlande und Hermann Göring hereinzulegen“ (wikipedia.de). Ähnliche Sympathien findet auch die Beltracchi-Bande beim unbefangenen Publikum. Ein Leser der welt.de postet: „Ich persönlich finde es großartig, wenn die "Kenner und Sachverständigen", und vor Allem die Spekulanten, die die Preise in den letzten Jahrzehnten so ins Unermessliche getrieben haben, mal "auf die Schnauze" gefallen sind.“ Und im Forum von spiegel.de spiegelt ein Posting den moralischen Zustand unseres Jahrzehnts: "Schlage vor, dass die getäuschten Käufer aus Steuergeldern entschädigt werden, die Beltracchi-Bande Boni für ihre Verdienste um die Kunstwelt bekommen und ein Rettungsschirm für Fälscher eingerichtet wird... "

Sogar die ehrwürdige „ZEIT“ meint, dass die Fälschungen von Wolfgang Beltracchi ins Museum gehören: „Was, wenn Künstler alles dürften und die Kunst absolut frei wäre? In einer solchen Welt jenseits des Rechts wäre Beltracchi kein Lump und kein Hochstapler, er wäre ein großer Künstler. Kein Originalgenie vielleicht – ein Genie ohne Original aber in jedem Fall. … Auch die Art und Weise, wie er den Kunstbetrieb bloßstellte, wie er die Gier und Eitelkeit vieler Händler, Sammler und Experten zutage treten ließ, macht Beltracchi zu einem überaus modernen Künstler. Schon vor etlichen Jahren ist Institutional Critique zu einer eigenen Gattung geworden, und die Künstler, die sich ihr verschreiben, sind emsig darum bemüht, die Machtverhältnisse in Museen oder auf Messen zu befragen. Vor allem die von Beltracchi betriebene Strategie einer Subversion durch Affirmation erfreut sich großer Beliebtheit.“ (zeit.de/2011/41)

Als Galerist, der in der Liste der Beltracchi-Geschädigten Namen findet, denen er bereits solide Angebote mit garantiert echten Kunstwerken unterbreitet hat, die typischer Weise nicht einmal beantwortet wurden, kann ich meine Sympathie für die Fälscher nicht restlos unterdrücken. Dass das „Label“ heute wichtiger ist, als die künstlerische Qualität eines Werkes, ist längst zu einer Platidüde verkommen, ist aber nach wie vor die wichtigste Triebfeder für den Kunstmarkt. Dass werk-immanente Kriterien gar keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch gebetsmühlenartig auf ein „Label“ als Qualitätskriterium verwiesen wird, ist einer der Gründe, warum Fälschungen weiterhin auf fruchtbaren Boden fallen werden. So kommt hier nicht die geringste Schadenfreude über die Geschädigten auf, weil gar kein Schaden entstanden ist, da nur jene Geld verloren haben, die mehr als genug davon haben. Für den Rest der Welt bleibt die fröhliche Erkenntnis, dass die kleine Welt der Kunst immer noch der großen Welt von Politik und Wirtschaft einen Spiegel vorhalten kann. Man sollte aber nie vergessen: ein Spiegel kann zur Selbsterkenntnis beitragen, er kann aber auch blenden.

UM:Druck 3/2011

 

Ergänzung 12.1.2012 Über die Podiumsdiskussion zum Thema mit Otto Hans Ressler, Bernd Aigner und Andreas Cwitkovits am 11.1. im Kunstraum der Ringstrassen Galerien berichtet Ö1 in Kultur aktuell.

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