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20.8.2009 - Der Staat gibt mehr aus, als er einnimmt. Mit der Wirtschaftskrise steigert sich gleichsam die Gültigkeit dieser Aussage: je höher die Ausgaben umso geringer die Einnahmen. Auf die Frage, wer das bezahlen soll, sind sich alle einig: nur nicht wir! Wer sonst?

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Jede Diskussion über eine Steuerreform ist ausschließlich von Lobby-Interessen geprägt. Wenn von Vermögenssteuer die Rede ist, dann lassen die ÖVP-Lobbyisten den Vizekanzler, Finanzminister Josef Pröll höchst persönlich auf die Pauken schlagen. „Rund 13 Prozent der Einkommensbezieher - das sind diejenigen mit den höchsten Einkommen - tragen rund 60 Prozent des Lohnsteueraufkommens, während am unteren Ende 2,7 Millionen Menschen, also fast jeder zweite, überhaupt keine Lohnsteuer bezahlen. Man muss schon sehr verbohrt sein, um darin eine Schieflage zugunsten der Reichen zu erblicken“, erklärt Pröll gegenüber der „Bunte Zeitung“.

 

Die armen Reichen! Der Finanzminister stellt sich offenbar nicht die Frage, warum 13 Prozent zu viel verdienen, während fast 50 Prozent zu wenig verdienen und was die Politik tun sollte, um diesen untragbaren Zustand zu ändern. Die Grünen geben sich dagegen mit der Forderung nach einer „Reichensteuer“ klassenkämpferisch. „Die steuerlichen Begünstigungen für Privatstiftungen der Superreichen in Höhe von 1 Mrd. Euro sind drastisch zu reduzieren! Geringe Einkommen aus selbständiger und unselbständiger Arbeit sollen entlastet werden. Der Einstieg in die Reichensteuer mit der drastischen Reduktion der Steuerprivilegien für Privatstiftungen soll in weiterer Folge durch die Einführung einer Vermögensteuer für Reiche und Superreiche ergänzt werden“, sagt Werner Kogler, der Budget-Sprecher der Grünen.

 

Diese Polarisierung ist ein klassisches Beispiel dafür, dass die Steuerdebatte fast immer nur ein oberflächliches Feilschen ist. Wer zahlt ein paar Prozent weniger, wer muss ein paar Prozent mehr zahlen? Immerhin stellt Kogler auch grundsätzliche Überlegungen an: „Die Grünen wollen mehr Steuergerechtigkeit. Daher: Arbeit entlasten, umweltschonendes Verhalten belohnen und gleichzeitig einen fairen Beitrag der Reichen und Superreichen zum Bildungs- und Sozialstaat einfordern.“ Wie kann Steuergerechtigkeit erzielt werden? Finanzminister Pröll philosophiert: „Gerechtigkeit ist ein oft sehr subjektiver Begriff. Das österreichische Steuersystem weist im internationalen Vergleich ein sehr hohes Maß an Umverteilung von Menschen mit höherem Einkommen zu Menschen mit niedrigem Einkommen auf. Ob das gerecht ist oder nicht liegt im Auge des Betrachters.“

 

Auch für den renommierten Wirtschaftstreuhänder Karl Bruckner ist Steuergerechtigkeit „ein schillernder Begriff“. Er kommt zu der paradoxalen Aussage: „Je einfacher die Steuern, umso ungerechter.“ Der Grund: „Die Steuer soll sich an der Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers orientieren. Ungerecht ist eine Kopfsteuer, die für alle gleich groß ist. Die wäre extrem einfach, jeder muss einen Betrag X an Steuern zahlen, aber das ist ungerecht.“ Ein Schelm, der meint komplizierte Steuersysteme können den Steuerberatern nur recht sein – davon leben sie ja.

 

Fakt ist, dass die größten Anteile am Steueraufkommen Lohn- und Einkommenssteuer, sowie Umsatzsteuer ausmachen. Am Beginn einer Steuerreform, die den Namen Reform verdient, müsste die Frage stehen: was soll mit der Steuer bewirkt werden (anstatt: wer soll mehr oder weniger zahlen)? Andreas Schieder, SPÖ-Staatssekretär im Finanzministerium, sagt in diesem Sinne: „Es geht nicht darum, einzelne Steuern zu erhöhen oder zu senken, einzelne Steuern einzuführen oder zu streichen. Das wird der falsche Diskussionsansatz sein. Wenn wir über eine grundlegende Strukturreform im Steuersystem reden, dann sollten wir zuerst definieren, was soll dieses System bezwecken, wie sollen Steuern steuern und wenn wir diese Ziele gemeinsam beantworten, werden wir uns ansehen, wie wir dorthin kommen.“

 

 

Soll eine Steuerreform bewirken, dass die Beschäftigungsquote ansteigt und dass Arbeitnehmern mehr in der Tasche bleibt? Dann runter mit der Lohnquote!

 

Soll eine Steuerreform bewirken, dass der Energieverbrauch sinkt? Dann rauf mit den Energiesteuern!

 

Soll eine Steuerreform bewirken, dass Kapital nicht länger ungezügelt die Wirtschaft beherrscht? Dann rauf mit Transaktionssteuern und Kapitalertragssteuern (nicht nur auf das Sparbuch, sondern auf jeden Finanzgewinn)!

 

Das sind die grundsätzlichen Fragen, die beantwortet werden müssen. Und dazu noch die Frage: können wir uns leisten, dass wir permanent mehr ausgeben, als wir einnehmen? Heuer muss Österreich für seine Staatsschulden bereits 8,1 Mrd. Euro an Zinsen zahlen, im Jahr 2011 werden es laut Berechnungen des IHS bereits 11,3 Mrd. Euro sein. Anders gesagt: wir zahlen heute und morgen Milliarden-Beträge für die Fehler von gestern. Anfang Juli hat IHS-Chef und Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer (wieder einmal) Alarm geschlagen. Laut Felderer dürften die Staatsschulden heuer fast 200 Mrd. Euro erreichen und bis 2011 weiter auf 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen.

 

Bei Sparmaßnahmen ab 2011 (sofern dann der prognostizierte Wirtschaftsaufschwung auch tatsächlich eintritt) würde es optimistisch gerechnet bis 2023 dauern, die Staatsverschuldung wieder auf 60% des BIP zu senken. „Wenn wir zu denen gehören, die es nicht schaffen die Schulden zu reduzieren, wird uns der Finanzmarkt bestrafen“, warnt Felderer – und kapituliert damit gleichzeitig vor dem System. Ein System, in dem der Kapitalmarkt gut davon lebt, dass der Staat Schulden macht, ein System, in dem der Finanzmarkt offenbar die politische Macht hat, Staaten zu bestrafen und damit das demokratisch legitimierte Gewaltmonopol des Staates auszuhebeln.

 

Welche steuerlichen Maßnahmen müssen ergriffen werden, um Auswüchse, die zur Finankrise geführt haben, künftig zu verhindern? Finanzminister Pröll macht sich dazu keine Gedanken sondern steckt den Kopf in den Sand: „Die Finanzkrise ist durch Lücken in den nationalen Aufsichtssystemen über die Finanzmärkte mit verursacht worden - und hier hat das vor allem die USA und Großbritannien betroffen. Das Steuersystem hat darauf keinen Einfluss gehabt. Künftige Finanzkrisen wird man daher durch bessere Aufsichtsstrukturen verhindern müssen. Mit steuerlichen Maßnahmen lässt sich in diesem Zusammenhang kaum etwas erreichen.“

Die Bunte Zeitung, 4 / 2009 (August), Illustration: Ernst Zdrahal

 

Nachtrag 19. März 2010: "Steuern sind nicht nur Einnahmen, sondern Mittel, um gewollte Handlungen anzuregen", schreibt Staatssekretär Andreas Schieder in einem Gastkommentar der Zeitschrift Format.

 

Siehe auch Beitrag August 2016: Steuern sind zum Steuern da

 

 

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